Rhein-Neckar, 23. Mai 2016. (red/cr) Vor 67 Jahren trat das Grundgesetz in Kraft. Alle reden darüber, vor allem wenn es um “unsere Werte” geht. Was genau steht aber eigentlich drin? Autorin Christin Rudolph hat den Selbsttest gemacht.
Von Christin Rudolph
Wo fand die konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates statt? In Bonn, aber wo? Im Rathaus vielleicht?
Die konstituierende Sitzung fand am 1. September 1948 im Lichthof des Bonner Museums Alexander Koenig statt. Der Lichthof diente eigentlich als Ausstellungsfläche für Tierpräparate. Diese wurden am Rand hinter Vorhängen versteckt. Das Gerücht, eine Giraffe habe hervorgeschaut und die Gäste beobachtet, lässt sich bislang mit Fotos nicht belegen.
Schon wieder eine Frage falsch beantwortet. Nein, es handelt sich nicht um eine Geschichtsarbeit in der Schule. Ich mache ein Quiz der Bundeszentrale für politische Bildung und teste mein Wissen zu einem Thema, das jede Person in Deutschland betrifft – das Grundgesetz.
Ein ständiger Begleiter
Vor genau 67 Jahren trat es in Kraft. Die ersten zehn Artikel sind so grundlegend, dass sie im täglichen Leben präsent sind. Von der Menschenwürde über die Meinungs- und Pressefreiheit bis hin zu Diskriminierungsverboten.
Der Artikel 16a, der das Asylrecht regelt, beschäftigt zunehmend mehr Menschen, ob Geflüchtete oder Einheimische. Artikel 1 bis 19 regeln die Grundrechte.
Abgesehen davon beschäftigen immer wieder Artikel 21 zu den Parteien und Artikel 38 bis 41 zu den Wahlen unsere Redaktion uns auch “ganz normale Leute”, wie erst erst vor zweieinhalb Monaten bei den Landtagswahlen.
Die Geschichte der eigenen Rechte
Aber wie gut sind eben diese “ganz normalen Leute” eigentlich über das Grundgesetz informiert? Der Selbsttest durch das Quiz der Bundeszentrale für politische Bildung ist ernüchternd – neun von 14 Fragen richtig beantwortet. Nur ungefähr zwei Drittel.
Zum Glück kann man direkt die richtigen Antworten nachlesen. Dabei werden geschichtliche Zusammenhänge klar, die Auswirkungen bis in die Gegenwart haben.
Warum zum Beispiel haben wir ein “Grundgesetz” und nicht so wie andere Staaten eine Verfassung? Man muss sich die damalige Situation verdeutlichen: In den acht Monaten der Erarbeitung zwischen 1948 und 1949 war Deutschland geteilt.
Bewährtes Provisorium
Der Ost-West-Konflikt bahnte sich an und machte eine gemeinsame Deutschlandpolitik der Siegermächte unmöglich. Daher sollte ein Grundgesetz für einen westdeutschen Staat erarbeitet werden.
Die westdeutschen Ministerpräsidenten befürchteten jedoch, die Errichtung eines westdeutschen Staates würde die deutsche Teilung vertiefen. Deswegen sollte der westdeutsche Staat nur ein Provisorium sein.
Der Name “Grundgesetz” soll das ausdrücken. Da sich das Grundgesetz allerdings so gut bewährt hat, war es nicht nötig, das “Provisorium” zu ersetzen. Leider gibt es bis heute Leute, die meinen, das Grundgesetz sei keine gültige “Verfassung” und berufen sich dabei – aufs Grundgesetz und dort den Artikel zur Meinungsfreiheit. Na, welcher ist das? Alle Welt redet gerade drüber, wegen Böhmermann und Erdogan oder der NPD und einem Politologen – zu beiden Themenkreise konnten und können Sie übrigens bei uns spannende Analysen lesen. #Böhmermann #NPD
Wenig bekannte Fakten
Ein weiterer Fakt, der der damaligen Zeit geschuldet ist: Von den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz ausarbeitete, waren nur vier Frauen. Aber auch Kurioses fördert das Quiz zutage. Die elf westdeutschen Länderparlamente mussten dem Grundgesetz zustimmen. Dabei stimmte ein Land nicht zu.
Zugegeben, ich hab es nicht gewusst, aber richtig geraten – es ist Bayern. Nach einer 17-stündigen Debatte stimmte der Bayerische Landtag mit 101 zu 63 Stimmen gegen das Grundgesetz. Das hatte jedoch keine Auswirkungen, da eine Zweidrittel-Mehrheit ausreichte.
Übrigens ist bis heute eine Zweidrittel-Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig, wenn das Grundgesetz geändert werden soll.
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung kann man kostenlos Exemplare des Grundgesetzes bestellen, online lesen und herunterladen. Die gedruckte Version ist allerdings aktuell vergriffen. Ob das am Jahrestag liegt?