Heidelberg, 23. Februar 2016. (red/nh) In Heidelberg zu wohnen ist teuer. Doch nicht nur das: Überhaupt erst einmal eine Wohnung zu finden, erweist sich zunehmend als Herausforderung. Die Situation verschärft sich, da Vermieter ihre Liegenschaften oft nicht mehr als Miet-, sondern als kommerzielle Ferienwohnungen anbieten. Im Gemeinderat wird nun auf Antrag der SPD-Fraktion über ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum verhandelt.
Von Naemi Hencke
Heidelberg ist beliebt. Sowohl wegen der Elite-Universität, des charmanten Stadtkerns und auch aufgrund der exponierten Lage im Rhein-Neckar-Gebiet. Das ist nicht nur für Anwohner attraktiv – sondern auch für Touristen: Im Jahr 2015 verzeichnete das Stadtmarketing rund 1,4 Millionen Übernachtungen in Heidelberg. Nach eigenen Angaben sei dies die höchste Zahl an Übernachtungen in der Geschichte der Stadt.
Gleichzeitig nimmt in Heidelberg, wie auch in vielen anderen Städten in Deutschland, die Verbreitung von sogenannter „gewerblicher Zweckentfremdung“ von Mietwohnungen zu und wird zu einem Problem: Mietwohnungen verschwinden vom Wohnungsmarkt – währenddessen bleibt aber die Nachfrage mindestens auf gleichem Niveau. Das kann unter anderem zu höheren Mietpreisen führen – bezahlbarer Wohnraum wird knapp. Die Wohnungsnot vieler Menschen steigt.
airbnb – als netter Nebenverdienst
Die Online-Plattform airbnb beispielsweise bietet Gastgebern die Möglichkeit, Wohnraum als Unterkünfte anzubieten, beziehungsweise zu teilen. Reisende finden eine Vielzahl an Angeboten nahezu überall auf der ganzen Welt: Von einer einfachen Matratze bis hin zum spektakulären Baumhaus wird hier einiges angeboten. Es kann in Privat- und Gemeinschaftszimmer, Wohnungen und Häusern genächtigt werden.
Die Gastgeber beschreiben detailiert ihre Unterkunft: Welche Ausstattung erwartet den Reisenden und zu welchen Zeiten kann an- und abgereist werden. Man kann im Vorfeld mit den potentiellen Gastgebern oder den zukünftigen Gästen in Kontakt treten – eine Sicherheit für beide Seiten, um abzuwägen, ob auch alles passt. Ein Feature wie die der „Verifizierten Identifikation“ und öffentliche Bewertungen schaffen Vertrauen. Die Offline-Identität – sprich E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Profilbilder – werden vorab geprüft.
In Heidelberg könnte man beispielsweise für 199 Euro die Nacht in einem „140-Quadratmeter-Luxusapartment“ nächtigen oder aber ab 26 Euro in einem „praktischen Zimmer in guter Lage“. Laut airbnb zahlt ein Gast in Heidelberg durchschnittlich 55 Euro für eine Nacht.
Lukratives Geschäft mit Touristen
Die Vermietung des privaten Wohnraums soll nach Darstellung von airbnb dazu führen, neue Kontakte zu knüpfen und Freundschaften fürs Leben zu schließen. In Hotels lerne man kaum den wahren Geist einer Stadt kennen, über private Zimmer sei das Urlaubserlebnis viel authentischer. Viele Nutzer erzählen auch tatsächlich begeistert von solchen Begegnungen – doch rückt bei den Vermietungen ein anderer Aspekt immer stärker in den Vordergrund: Denn die Vermietung kann zur lukrativen Nebeneinkunft werden.
Ein fiktives Beispiel: Als Vermieter könnte man seine 60-Quadratmeter-Wohnung für 650 Euro am „regulären“ Wohnungsmarkt anbieten – oder man vermietet sie als Ferienwohnung für 55 Euro die Nacht und könnte damit bei einer Vollbelegung 1.000 Euro mehr im Monat verdienen. Gut für den Anbieter, schlecht für Wohnungssuchende.
Die SPD-Fraktion im Heidelberger Gemeinderat kritisiert diese teils „gewerbliche Zweckentfremdung von Wohnraum“ – häufig mit dem Ziel einer „dauerhaften kommerziellen und nichtangemeldeten Vermietung an Feriengäste und (Medizin-)Touristen“. Insbesondere die Stadtteile Altstadt, Neuenheim, Weststadt aber auch Bergheim wären davon betroffen.
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Die Zunahme der Zweckentfremdung von Wohnraum sei weiterhin ein „schrittweiser Prozess“. Wohnungen würden nach dem Auszug der Vormieter oder nach einer Sanierung nicht mehr dem Wohnungsmarkt zugeführt, sondern über eben diese Online-Portale weiter vermietet.
Mit Unterstützung der Fraktionen der Grünen, Bunten Linke und GAL/HD P&E/gen.hd wurde daher die Stadtverwaltung damit beauftragt, für die kommende Sitzung eine Satzung zu einem Zweckentfremdungsverbot zu erstellen – ein Vorbild dafür gibt es beispielsweise in Berlin, auch in Stuttgart wird gerade daran gearbeitet.
Medizintourismus
In Heidelberg boomt der sogenannte Medizintourismus. Die international renommierte Uni-Klinik zieht vor allem Gäste aus Russland und den Arabischen Golfstaaten an: Laut Heidelberg Marketing GmbH wurden im Jahr 2015 insgesamt 50.980 Übernachtungen von Gästen aus den Arabischen Golfstaaten (im Jahr 2012 waren es noch 30.392) und 12.872 Übernachtungsgäste aus Russland verzeichnet. Oft reisen die Patienten mit der ganzen Familie an, wenn die Behandlung mehrere Wochen dauert.
Doch wo kommen sie unter? Das Heidelberger Stadtmarketing hat das Potential erkannt und bietet in Kooperation mit dreizehn Hotels ein ausgedehntes Rahmenprogramm an. Die Infobroschüren hierzu finden sich in englisch, arabisch und russisch auf der Homepage.
Zu diesem Zweck werden aber zudem immer mehr Mietwohnungen für den wachsenden Medizintourismus umgewidmet. Lofts, Luxusapartments, sogar ganze Villen dienen nach Sanierungen als „Kurzzeit-Unterkunft“. Eine Nacht kann gut und gerne 250 Euro kosten, nach oben hin gibt es scheinbar kaum ein Limit.
Heidelberg gehört zu den teuersten Städten Deutschlands
All diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf den angespannten Wohnungsmarkt in Heidelberg. In einem bundesweiten Mietspiegelvergleich steht Heidelberg bereits an vierter Stelle der teuersten Städte Deutschlands – direkt nach München, Frankfurt a.M. und Stuttgart.
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Der Heidelberger Mietspiegel ist „mit Vorsicht zu genießen“, wenn man ein realistisches Bild über Preise sucht – denn er ist sehr irreführend: So wird der Durchschnittspreis einer 60 Quadratmeter-Neubauwohnung mit 7,29 Euro veranschlagt. Dies ist allerdings nur der niedrigste Mietpreis im gesamten Stadtgebiet.
Es gibt eine „Zuschlagtabelle“, aus der hervorgeht, mit welchem durchschnittlichen prozentualen Aufschlag man rechnen muss, wenn man beispielsweise nicht in den – relativ betrachtet – günstigenden Wohngegenden Emmertsgrund oder Boxberg nach einer Wohnung sucht. In der Altstadt oder Weststadt muss man mit 28 Prozent Aufschlag rechnen – also in unserem Beispiel nicht mehr „nur“ 7,29 Euro, sondern 9,33 Euro pro Quadratmeter.
Ein Altbau hingegen kann in den günstigeren Gegenden 6,30 Euro pro Quadratmeter kosten. In Neuenheim-Ost – sage und schreibe – plus 50 Prozent: Also 9,45 Euro pro Quadratmeter.
Laut einer Recherche der Zeit liegt der Mietspiegel in Heidelberg bei 7,63 Euro pro Quadratmeter. Die tatsächliche Miete aber bei 9,27 Euro. Die Differenz zum Mietspiegel beträgt demnach 21,7 Prozent.
Die Wohnungsknappheit in Heidelberg spitzt sich zu
Seit 2014 ermöglicht ein Gesetz der Landesregierung den Kommunen den Handlungsspielraum, Umwidmungen und Zweckentfremdungen zu unterbinden. Dies würde in erster Linie den Leerstand von Wohnungen über einen Zeitraum von 6 Monaten, die Umwidmung der Nutzung von Wohnraum in Ferienwohnungen oder anderem Gewerbe und die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen betreffen.
Nicht pauschal angewendet, würde dieses Gesetz vorsehen, dass die zeitlich begrenzten Untervermietungen und die teilweise Nutzung für Ferienwohnungen weiterhin möglich bleibt. Dies sei in entsprechenden Satzungen verankerbar. Die teilweise Nutzung sieht eine Vermietung von nicht mehr als 50 Prozent der Wohnung vor; die zeitlich begrenzte Nutzung dürfe 6 Monate im Jahr nicht überschreiten.
Demnach sollen auch das „studentische Wohnen“ und die Möglichkeit zur Zwischenvermietung bestehen bleiben. Weiterhin sei es denkbar, nur für bestimmte Stadtteile eine entsprechende Satzung zu formulieren – dies würde besonders nachgefragte Bezirke wie beispielsweise Neuenheim, Weststadt und die Altstadt betreffen.
Widerstand gegen die Satzung zeigte sich bei den Vorberatungen insbesondere aus Reihen von CDU, FDP und AfD an – die werfen den Antragstellern einen mangelnden Respekt vor Privateigentum vor, der „kleine Leute“ um ihren Nebenverdienst bringe.