Rhein-Neckar, 23. September 2015. (red/pro) Nach unseren Recherchen gibt es eine klare Zuständigkeit über die Nutzung der Konversionsflächen im Raum als „Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle“ und vielleicht demnächst in Heidelberg als „Landeserstaufnahmestelle“ – diese liegt bei der Landesregierung Baden-Württemberg. Damit hat das Rätselraten ein Ende. Die Landesregierung bürdet Mannheim und Heidelberg enorme Lasten auf – um ländliche Regionen in Zeiten des Wahlkampfes zu entlasten?
Kommentar: Hardy Prothmann
Verschwörungstheorien sind unser Geschäft nicht – wir halten uns an Fakten. „Verdachtsberichterstattung“ ist aber immer dann notwendig, wenn es klare Indizien für Verantwortlichkeiten gibt, aber keine „Beweise“.
Nach unseren Recherchen ist die Sachlage klar: Der Bund ist Eigentümer der Konversionsflächen, also den ehemaligen US-Kasernen in unserem Berichtsgebiet. Turley wurde verkauft und wird aktuell entwickelt. Als nächste Fläche sollte „Franklin“ folgen, doch dieser Verkauf ist auf absehbare Zeit gestorben.
„Schuld“ ist zunächst einmal niemand. „Schuld“ sind höchstens die Umstände, die man schwer verklagen, wohl aber beklagen kann.
Auf dem letzten Meter hat es die Stadt Mannheim nicht geschafft, die Liegenschaft Franklin zu erwerben. Die Verhandlungen waren hart, sogar das Wort „brutal“ macht die Runde. Doch kurz vor dem Gong kommt das K.O. „Franklin“ wird in den kommenden Jahren nicht wie geplant entwickelt werden können, denn Franklin wird zur Flüchtlingsunterbringung benötigt.
Der „Bedarfsträger“ ist das Land Baden-Württemberg. Das muss Flüchtlinge unterbringen. Noch und nöcher. Überall fehlt es an Kapazitäten – auf den ehemaligen US-Kasernen gibt es diese.
Wer glaubt, der Bund spiele mit Mannheim ein Spiel, der irrt. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ist angewiesen, alle Flächen zur Flüchtlingsunterbringung mietzinsfrei an „Bedarfsträger“ anzubieten. Bislang gibt es 207 geschlossene Verträge, rund 46.000 Menschen wurden in Bundesimmobilien, hier zumeist Konversionsflächen, untergebracht.
Diese müssen prüfen, ob die Liegenschaft zur Flüchtlingsunterbringung geeignet ist und melden dann ihren Bedarf an. Dies hat das Land Baden-Württemberg nach unseren Informationen sowohl für Benjamin Franklin Village (BFV, Mannheim) als auch für Patrick Henry Village (PHV, Heidelberg) getan. Solche Entscheidungen fallen vermutlich nicht über Nacht von einem auf den anderen Tag, sondern haben einen Vorlauf.
Nach unseren Informationen hat die Landesregierung seit Wochen einen hohen Landesbeamten samt Team auf dem Gelände von PHV in Heidelberg. Hier wurden bereits erhebliche Beträge investiert, es heißt, mindestens vier Millionen Euro. Insofern ist es nicht überraschend, dass PHV weiter ausgebaut wird und „Drehkreuz“ zur Registrierung von Flüchtlingen werden soll. Und zwar von 75 Prozent aller Flüchtlinge, die nach Baden-Württemberg kommen.
Die aktuelle Entwicklung bekommt ein enormes „Geschmäckle“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte am 24. Juli 2015 das Camp in Heidelberg besucht und der Stadt versprochen, dass nur höchstens 1.000, in „Notlagen“ 2.000 Menschen dort untergebracht werden sollen. Aktuell sollen es 6.000, möglicherweise auch 10.000 oder mehr Menschen sein.
Und dieser „Turn-around“ soll über die Sommerpause mehr oder weniger „ad hoc“ entschieden worden sein? Das ist kaum wahrscheinlich und wenig glaubwürdig. Hier ist die Opposition gefragt, um zu klären, wann wer welche Entscheidung getroffen hat und ob der Ministerpräsident möglicherweise die Öffentlichkeit bei einem inszenierten Termin glatt angelogen hat.
Nach unseren Informationen hat es nämlich kurz nach dem Auftritt bereits erste Planungsaktivitäten auf PHV gegeben. Und dann ging es Schlag auf Schlag mit den Vorbereitungen für den Ausbau.
In Mannheim waren zunächst 600 Flüchtlinge als „vorübergehende Belegung“ auf BFV kommuniziert worden – aktuell sind es rund 3.000. Die Kapazitätsgrenze ist mehr oder weniger erreicht. Täglich kommen tausende von Flüchtlingen – es wird nicht überraschend sein, wenn nach dem Columbus-Quartier weitere Liegenschaften auf Franklin für die Unterbringung „ertüchtigt“ werden.
Der Bund stellt bislang seine Liegenschaften bei Eignung zwar „mietzinsfrei“ zur Verfügung – die „Ertüchtigung“ muss aber der „Bedarfsträger“ zahlen. Aktuell wird verhandelt, ob der Bund sich beteiligt. Bekanntermaßen lässt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Geld nur gegen großen Widerstand aus der Tasche ziehen – bekannt ist aber auch, dass die aktuelle Lage Länder und Kommunen komplett überfordert. Und auch hier sitzen Verwaltungsexperten, die darauf warten, dass die Zuschüsse genehmigt werden. Darüber wird aktuell verhandelt und es wird Zuschüsse geben, unklar ist noch, in welcher Höhe.
Sobald diese Zuschüsse fix sind, muss man davon ausgehen, dass der „Bedarfsträger“ Land weitere Liegenschaften für sich beansprucht. Das können andere Quartiere auf Franklin sein, Spinelli oder die Schwetzinger Kasernen.
In der Nahrungskette steht das Land vor den Kommunen. Sprich: Das Projekt Franklin steht vor dem Platzen, wenn das Land weitere Flüchtlinge hier unterbringt, ist das 220-Millionen-Projekt, dass eigentlich unterschriftsreif war und Ende September in „trockene Tücher“ gebracht werden sollte, vorerst erledigt. Es ist nicht „komplett“ erledigt, aber zwei, drei oder mehr Jahre werden ins Land gehen, um die Entwicklung wie geplant voranzubringen.
Den Schaden hat die Stadt Mannheim und diesen hat sie „diplomatisch“ schon angemeldet. Die Stadt wird und muss ihren Regress gegenüber dem „Bedarfsträger“ oder dem Bund geltend zu machen versuchen.
Sicher ist – wer dachte, dass es 2017 „los geht“ auf Franklin, kann seine Pläne einpacken. Der Zeitplan wird nicht nur vermutlich nicht zu halten sein. Die spannende Frage wird sein, ob es der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP gelingt, die Investoren bei der Stange zu halten oder Ersatz zu besorgen.
Es gibt bereits Stimmen, die behaupten, dass sei Grundlage für ein „Ausstiegszenario“ des Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz in Sachen Buga 23. Wer das behauptet, denkt „zu kurz“ und vermutlich „gegen Kurz“ – da ist eine klammheimliche Freude gegen den OB der Vater des Gedankens. Denn die Buga 23 hat ab heute noch acht Jahre Zeit, bis sie durchgeführt werden soll. Das ist eine lange Zeit, aber freilich auch eine knappe – denn die Buga ist ein Mega-Projekt.
Sehr spannend wird sein, wie sich Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz aufstellt und wie er die Herausforderung annimmt. Beim Festakt zur Verpflichtung zur zweiten Amtszeit hat er eine beeindruckende Rede gehalten, über die wir noch berichten. Dabei hat er klar gemacht, was er sich vorstellt – es gibt keine Zweifel, dass Mannheim in diesen umwälzenden Zeiten ein verlässlicher Partner für das Land ist. Aber es gibt auch keinen Zweifel, dass Mannheim Ansprüche hat. Er fordert eine Lösung – die aber ist „Verhandlungssache“.
Das Problem ist: Aktuell ändert sich die Lage quasi täglich und Verhandlungen von gestern interessieren morgen mitunter gar nicht mehr.
Es ist deshalb schwierig, einen „Schuldigen“ auszumachen. In Sachen „Franklin“ hingegen ist die Sachlage klar. Mannheim hatte seine Hausaufgaben gemacht und war kurz davor alles „in Sack und Tüten“ zu bringen.
Das Land hat der Stadt aktuell einen massiven, unerwarteten Strich durch die Rechnung gemacht. Offen ist die Frage, wie „verantwortlich“ dieser ist und ob jemand in der Landesregierung die Verantwortung übernimmt und Mannheim „entschädigt“ wird. Denn ohne Zweifel wären ein Nicht-Verkauf von Franklin und vollständig offene „Planungsziele“ ein immenser Schaden für die Stadt Mannheim.
Klar ist, dass das Thema „Flüchtlinge“ nicht mehr aus dem Wahlkampf für die Landtagswahl herauszunehmen sein wird. Es wird das Top-Thema werden – nein es ist bereits das Top-Thema.