Mannheim, 23. Juli 2015. (red/ms) Die Stadt Mannheim hat sich erfolgreich für das Förderprogramm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ – kurz „BIWAQ“ – beworben. Nun erhält die Stadt 1,7 Millionen Euro an Zuschüssen, um die Beschäftigungschancen von Bulgaren und Rumänen mit wenig Perspektive zu verbessern. Um den Zuschuss zu erhalten, muss die Stadt sich selbst mit 183.000 Euro beteiligen. Innerhalb von drei Jahren soll das Programm 150 Menschen helfen – pro Kopf sind das 12.553 Euro.
Von Minh Schredle
In Mannheim leben offiziell knapp 9.000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Tatsächlich geht die Stadt von bis zu 6.000 Menschen aus, die nicht gemeldet sind. Diese Zahl ist allerdings nur eine Schätzung.
Etwa die Hälfte der gemeldeten Menschen hat laut Statistik keinen Schulabschluss. Unter den Bulgaren haben nur sechs Prozent eine Berufsausbildung abgeschlossen, gerade mal ein Prozent kann ein Studium vorweisen. Oft sind auch die Sprachkenntnisse katastrophal.
Südeuropäische Zuwanderung ist „größte Herausforderung“ für die Stadt
In Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit sind solche Informationen nicht unproblematisch – aber so sind die Verhältnisse eben. Rechte Hetzer werden sie möglicherweise missbrauchen wollen. Aber es handelt sich nunmal um objektive statistische Daten, die verdeutlichen, dass die Integration insbesondere dieser Menschen enorme Schwierigkeiten bereitet. Um Probleme zu lösen, muss man sie auch benennen – der Ist-Zustand ist jedenfalls keine Lösung.
Aktuell spricht auch Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz davon, dass die starke Zuwanderung aus Südost-Europa die – wortlaut – „größte Herausforderung“ sei, vor der die Stadt steht. Für den Oberbürgermeister sind das eher ungewohnte Töne – zumal Mannheim vor einer ganzen Reihe von großen Herausforderung steht: Sanierungsstaus im dreistelligen Millionenbereich, Einbrüche bei den Gewerbesteuereinnahmen und der nicht enden wollende Streit um die Bundesgartenschau, um nur einen kleinen Teil zu nennen.
Kostenintensive Hilfe
Die Stadt hat sich aktuell erfolgreich um eine Förderung aus dem Bundesprogramm BIWAG beworben. Bei einer Eigenbeteiligung von 183.000 Euro erhält Mannheim einen Zuschuss in Höhe von 1,7 Millionen Euro, um Menschen mit wenig Perspektiven, aus eigener Kraft einen Anschluss zu finden, die Türen zum Arbeitsmarkt zu öffnen.
Das Geld soll schwerpunktmäßig dazu verwendet werden, die Deutschkenntnisse der Teilnehmer zu verbessern und ihnen Arbeit und Erprobungspraktika zu vermitteln. Das ist kostenintensiv und selbst mit Millionensummen kann nur einem kleinen Teil dieser Bevölkerungsgruppen geholfen werden: Die knapp 1,9 Millionen Euro sollen über einen Zeitraum von drei Jahren 150 Menschen – überwiegend aus der Neckarstadt-West und dem Jungbusch – gefördert werden. Oberbürgermeister Dr. Kurz sagt dazu:
Uns ist bewusst, dass die Maßnahme alles andere als günstig wird. Aber wir können diese Menschen ja nicht einfach abschreiben.
Außerdem erhoffe man sich durch gezielte Förderung positive Synergieeffekte: „Insgesamt werden weit mehr als 150 Menschen geholfen,“ sagt Dr. Kurz: „Wir hoffen, auch Menschen zu erreichen, die bereits über Qualifikationen verfügen und auch ohne Förderung an den Arbeitsmarkt vermittelt werden können.“ Außerdem könne womöglich ein „Mitnahme-Effekt“ erwirkt werden: Dann könnten die geförderten Personen zu Multiplikatoren werden, die andere dazu bringen, ebenfalls aktiver zu werden.
Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass das Angebot der Förderung auf eine große Nachfrage treffen wird. Allerdings können pro Jahr nur 50 Plätze vergeben werden. Es wird daher ein Bewerbungsverfahren geben, in dem unter anderem die Biographie festgestellt wird. Sollte von vornherein deutlich werden, dass auch eine intensive Förderung keine oder kaum Aussichten auf Erfolg hat, werde man die Bewerber ablehnen – ebenso wie diejenigen, die bereits qualifiziert sind.
Wie groß sind die Erfolgsaussichten
Wie wirksam die Fördermaßnahmen letztendlich sind, ist fraglich. Denn Deutschkenntnisse und Praktika ersetzen keine Berufsausbildung. Und die Anforderungen am Arbeitsmarkt und insbesondere in technischen Berufen steigen immer schneller.
Klar ist: Hier wird nur einem kleinen Teil dieser Bevölkerungsgruppen geholfen und nur ein Teil der Probleme bewältigt. Die Herausforderung ist damit nicht überwunden. Wenn es 1,9 Millionen Euro kostet, um 150 Menschen zu helfen, dann bräuchte man für 9.000 Menschen etwa 114 Millionen Euro. Geht man von einem Familienvorstand und fünf Köpfen aus, wären es noch knapp 23 Millionen Euro.
Diese Berechnung ist natürlich nicht besonders ernst zu nehmen. Lange nicht alle Rumänen und Bulgaren sind förderbedürftig. Aber auch wenn man nur von den 50 Prozent ohne Schulabschluss ausgeht, bleibt die Summe enorm. Eines ist deutlich: Die Stadt Mannheim wird die Herausforderung durch den Zuzug aus Südost-Europa nicht alleine in den Griff bekommen und ist auf Unterstützung durch das Land, den Bund und die EU angewiesen.