Ludwigshafen/Mannheim/Rhein-Neckar, 23. Juni 2013. (red) Der Brand einer Logistiklagerhalle auf der Ludwigshafener Parkinsel hat die Menschen in der Region enorm erschreckt. Die gigantische Rauchsäule soll bis Frankfurt am Main sichtbar gewesen sein. Der schwarze Rauch breitete sich vor allem über Mannheim aus – darüber hinaus in der Region. „Akut giftig“ soll er nicht gewesen sein. Doch was heißt das? Die Menschen haben ein Anrecht auf ausreichende Informationen – doch die kamen spät und spärlich. Dramatisierte Meldungen in überregionalen Medien: „Das sah aus wie Weltuntergang“, helfen auch nicht wirklich weiter. Die Welt ist nicht untergegangen. Viele Fragen bleiben trotzdem.
Von Hardy Prothmann
Gegen 13:00 Uhr entfachte sich ein Brand, an den die Menschen noch lange denken werden. So riesig, so schwarz, so bedrohlich war die Rauchwolke. Und lange wusste niemand genau, wieso sich der Himmel verdunkelt. Was da los ist? Ob Gefahr besteht oder nicht.
Der Großbrand, gemeinhein „Katastrophe“ genannt und von Medien wie Spiegel.de, Welt.de und anderen, die umgeschriebene Agentur-Meldungen veröffentlichen, sogleich mit „sah aus wie der Weltuntergang“ angereichert, ist mit Sicherheit eines der größten „Großfeuer“ seit langer Zeit in der Region gewesen. Die Halle hingegen war nicht besonders groß: 180 mal 60 Meter breit. 9.500 Quadratmeter Lagerfläche laut Feuerwehr.
Rund 140 Feuerwehrleute waren mit einem enormen Materialaufgebot, darunter dem vermeintlich besten Löschfahrzeug der Welt, dem „Turbolöscher“ der BASF im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bekommen. Das ist nicht gelungen. Wie so vieles andere auch nicht.
Gegen 20:25 Uhr, also siebeneinhalb Stunden später, meldet die Feuerwehr, das Feuer sei unter „Kontrolle“. Was heißt das? Übersetzt: Die Lagerhalle ist bereits überwiegend abgebrannt und man hat einen Übergriff auf einen benachbarten Edeka-Supermarkt mehr oder weniger verhindern können. Auch in der Nacht sind noch rund 100 Feuerwehrleute im Einsatz. Die Feuerwehr gibt alles, um den Brandort mit Millionen Litern von Wassern zu kühlen. Trotz der „Kontrolle“ lodern Flammen weiter, der Qualm ist allgegenwärtig und in Mannheim stinkt es „plästern“.
Fast fünf Milliarden Kubikmeter Rauch und Russ
4.800 Tonnen Styropor-Granulat sollen verbrannt sein. Ein Kilo brennendes Granulat – so die späte Presseinformation, sollen rund 1.000 Kubikmeter Rauch erzeugen. Das heißt übersetzt, der Brand hat fast fünf Milliarden Kubikmeter stinkenden, schwarzen Rauch erzeugt. Dazu „Flocken“, die irgendwo niedergegangen sind. Wie der Wind halt stand. Die ganze Region nördlich vom Brandort war betroffen, also viele Stadtquartiere in Mannheim, in Südhessen.
Weiter wird spät informiert, der Rauch sei „akut nicht gefährlich“. Und „nicht-akut“? Vor allem die Mannheimer Bevölkerung, überall da, wo der schwarze Rauch auftaucht, wird aufgerufen, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Man soll sich nicht im Freien aufhalten. Warum nicht? Ist doch nicht „akut“ gefährlich?
Die Mannheimer Polizei fährt durch die Straßen und warnt die Bevölkerung über Lautsprecher. Per Pressemitteilung erfährt man, dass man Kleidung waschen soll, Gemüse gründlich putzen, wenn es aus dem eigenen Garten ist und sich ordentlich waschen soll, falls man Kontakt mit „Russflocken“ hatte. Spielplätze würden nach und nach „gereinigt“ werden. Auf einer Pressekonferenz stellt ein BASF-Sprecher die Folgen so dar, als gäbe es keine. Alles nicht so wild. Warnungen seien nur „Vorsichtsmaßnahmen“.
2.300 Menschen evakuiert
Tatsächlich wurden 2.300 Menschen auf der Parkinsel im nördlichen Teil evakuiert. Tatsächlich war die BASF-Feuerwehr mit der weltweit modernsten Löschtechnik, dem Turbolöscher im Einsatz. Sogar mir zweien dieser Löscheinheiten. Tatsächlich wurden viele Feuerwehrfahrzeuge durch die enorme Hitze beschädigt, Einsatzlichter schmolzen weg, Lack platzte und lange Zeit konnte man nur alles „Menschenmögliche“ tun, um irgendwas zu tun. Derweil brannte die Halle mit dem Granulat vor sich hin und erzeugte eine Rauchwolke von gigantischem Ausmaß. Und die Feuerwehr mühte sich – ohne Chance, den Brand tatsächlich zu löschen. Wenigstens Einsatzleiter Peter Friedrich war ehrlich: „Wir konnten nur noch zuschauen.“
Das dachten auch viele andere. Der Brand zu Schaulustigen-Party, zu einem Mega-Event. Tausende Menschen sammelten sich zwischen den Gebäuden, zückten die Handys und gafften. Alte, junge, Familien, viele Kinder. Die Stadt vermeldet später, Schaulustige hätten nicht „Anweisungen nicht Folge geleistet“. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wieso waren die Behörden nicht in der Lage, das Gebiet zureichend abzusperren? Dabei liegt der Brandort direkt vor der Haustür der Polizeidirektion.
Strukturelle Defizite
Fakt ist, dass dieser Brand enorme strukturelle Defizite aufgezeigt hat. Bei der Stadt Ludwigshafen, bei der Polizeidirektion und bei der Feuerwehr. Das Informationsmanagement ist unterirdisch schlecht. Journalisten vor Ort hatten keine Ansprechpartner. Fakt ist auch, dass entgegen anderslautenden Darstellungen dieser Brand nicht kontrolliert werden konnte. Die „Kontrolle“ setzte ein, als die Halle samt Inhalt abgebrannt war. Die nachfolgenden Löscharbeiten ziehen sich vermutlich mindestens den Sonntag, vermutlich aber noch ein oder zwei Tage länger hin.
Fakt ist, dass man „Großalarm“ ausgelöst hatte. Fakt ist auch, dass sämtliche „Sicherungen“ des Geländes mangelhaft waren. Die Polizei war trotz 70 Beamten im Einsatz vollständig überfordert. Fakt ist „Gott-sei-Dank-nicht“, dass der frische Wind gedreht hat. Wäre dass der Fall gewesen, hätten die Gaffer schlechte Karten gehabt und der Brand hätte Opfer gefordert.
Fakt ist ebenso, dass die Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse (CDU) sehr uninformiert und unmotiviert bei der Pressekonferenz wirkte, was eine ordentliche Information der Bevölkerung angeht. Man könnte den Eindruck haben, dass sie das alles als lästig empfunden hat. Es brennt – so what? Die Feuerwehr kümmert sich.
Was, wenn eine große Halle mit „akut giftigen“ Stoffen brennt?
Fakt ist auch, dass eine eher kleine Logisthalle abgebrannt ist – knapp 10.000 Quadratmeter, 180 mal 60 Meter lang. Das gibt es ganz andere Kaliber, wie Pfenning in Heddesheim, rund zehn Mal so groß. Auch Pfenning ist ein „Dienstleister“ der BASF und auch hier lagern „unprolematische“ Stoffe. Vermutlich war die Halle mit der gesetzlich vorgeschriebenen Brandschutztechnik ausgestattet. Genutzt hat es nichts. Muss man jetzt davon ausgehen, dass so ein Brand zu jeder Zeit auch woanders ausbrechen kann? Liegt man falsch, wenn man Hallen dieser Größe und alle, die noch viel größer sind, als tickende Zeitbomben betrachten kann? Das Styropor-Granulat gilt als „nicht leicht entflammbar“ – was, wenn leicht entflammbare Stoffe betroffenen gewesen wären? Wenn Brandschutzbestimmungen eingehalten worden sind – wie konnte sich dann so ein Höllenfeuer entwickeln? Sind die Sicherheitsstandars ungenügend? Was wäre gewesen, wenn die Wetterlage anders gewesen wäre und der Wind Rauch und Russ nicht „in höhere Luftschichten“ getragen hätte, sondern sich der Qualm bodennah ausgebreitet hätte?
Fakt ist auch, dass sich das Styropor-Granulat nicht selbst entzünden kann. Wie wurde es dann entzündet? Brandermittler haben nach diesem kollosalen Schaden, der in die „Millionen“ gehen soll, vermutlich keine Chance, auch nur im Ansatz eine Erklärung zu finden.
Heute morgen, gegen 5:30 Uhr – nach 17 Stunden Einsatz, meldet die Feuerwehr, dass das Feuer gelöscht worden ist. Man kann das auch anders formulieren. Die Halle ist vollständig abgebrannt – es gibt nichts mehr, was dort brennen könnte. Ab 10 Uhr sollen die Menschen in ihre Häuser zurückkehren dürfen. Einschränkungen gibt es weiterhin im Bereich der Drehbrücke und in der Hafenstraße zwischen Schwanthaler Allee und Pegeluhr. Die Nachlösch- und Sicherungsarbeiten werden sich noch den ganzen Tag hinziehen.