Mannheim, 23. März 2015. (red/ms) Es war nicht harmonisch. Aber stimmig. Es war nicht angenehm. Aber faszinierend. Das Mannheimer Geräuschorchester inszenierte im Rahmen des 2. Bürgerbühnenfestivals am vergangenen Freitag Edgar Allen Poes „Die Maske des Roten Todes“ – es war nicht leicht, das durchzustehen. Aber lohnenswert.

Das Geräuschorchster spielte mit Instrumenten, Alltagsgegenständen, Stimmeinsatz und der Beleuchtung. Foto: Nationaltheater Mannheim/Hans Jörg Michel
Von Minh Schredle
Als das Licht ausgeht, gibt es noch vereinzelt Gemurmel im Publikum. Ein paar flüstern sich etwas zu. Dann erklingt ein einzelner Ton. Er ist so leise, dass es Stille braucht, um ihn zu hören. Und das Publikum verstummt.
Aus diesem einzelnen Grundton, der sehr langsam immer lauter wird, entfaltet sich eine Vielfalt verschiedener, unbehaglicher Klänge. Die Logenplätze im Opernhaus sind von Musikern besetzt. Aus dem gesamten Raum ertönen schneidende und sägende Geräusche. Sie schwellen an, werden immer lauter. Immer aufdringlicher. Nicht gerade angenehm. Aber ungemein atmosphärisch.
Dann öffnet sich eine Tür. Gleißendes, weißes Licht. Rauchschwaden dringen in den Saal und ganz langsam nähert sich eine schwarze Silhouette. Ein Gesicht ist nicht zu erkennen. Auf der Schwelle bleibt die Gestalt stehen und verweilt dort vollkommen regungslos für ein paar ewige Sekunden.
Verstörend und faszinierend
Währenddessen verklingen die Töne und im Saal herrscht Stille. Totenstille. Bis der Mann auf der Schwelle zu sprechen beginnt. Langsam, aber kraftvoll zitiert er unheilsschwangere Zeilen aus Edgar Allen Poes „Die Maske des Roten Todes„.
Wahnsinn, Isolation und Verderben – das sind die zentralen Themen der Inszenierung. Der Prinz Prospero schottet sich in seinem Schloss vom Leiden der Außenwelt ab und veranstaltet einen pompösen und dekadenten Maskenball, während die bürgerliche Bevölkerung von einer Seuche dahingerafft wird.
Das Klangbild, das die Inszenierung des Textes untermalt, ist dabei zu keinem Zeitpunkt harmonisch – aber stimmig. Es wird gekonnt mit Dissonanzen gespielt. Oft ist die Geräschkulisse ausufernd und entartend. Die Klänge kratzen, fahren einem schaurig den Rücken herunter. Stellenweise erinnert das stark an die experimentellen und avantgardistischen Phasen von Pink Floyd, deren Einfluss man den gesamten Abend hinüber deutlich heraus hören kann.
Große Ambitionen
Das Mannheimer Geräuschorchester besteht zu einem großen Teil aus Laien. Viele Musiker benutzen keine herkömmlichen Instrumente, sondern verwenden Alltagsgegenstände, um Töne zu erzeugen. Es ist eine hohe Kunst und sehr ambitioniert unter diesen Umständen eine dichte, unheilsvolle Atmosphäre aufzubauen und beizubehalten – leider ist es nicht immer gelungen.
Es gibt herausragende Stellen im Stück, in denen das Unbehagen greifbar ist. Dann sitzen die Zuschauer angespannt und verkrampft auf ihren Plätzen. Gebannt. Doch dann sind da diese Momente, in denen die Atmosphäre gestört wird. Etwa weil ein einzelnes Geräusch herausklingt, das in einer bedrohlichen Grundstimmung völlig deplatziert, geradezu lächerlich wirkt.
Das sind seltene Ausnahmen und sie fallen vermutlich auch nur auf, weil ansonsten sehr gekonnt mit Ängsten und Unbehagen gespielt wird. Aber sie fallen auf. Und sie stören. Insgesamt überwiegen aber ganz eindeutig die großen Momente: Einzelne Stimmen erklingen, beginnen mit einem Flüstern, in das zunehmend andere Stimmen einsetzen, die lauter werden und lauter werden, bis sie schließlich zu Geschrei angeschwollen sind – das plötzlich wieder verstummt.

Die Anfangs- und die Endszene waren die herausragensten Momente der Inszenierung. Foto: Nationaltheater Mannheim/Hans Jörg Michel.
Das Spiel zwischen dröhnender Klanggewalt und schauriger Stille macht einen großen Teil des Reizes der Insenierung aus. Diese starken Kontraste steigern sich bis ganz zum Ende: Das Unheil, das von Beginn an immer deutlicher angekündigt wurde, tritt ein.
Der Rote Tod fordert seine Opfer – er sucht sie alle heim, unabhängig von Stand und Ansehen. Klirrende Klänge, ein verstörendes Getöse und rotes, flackerndes Licht untermalen diesen fulminanten Schlusspunkt. Der Erzähler schreit die letzten Zeilen heraus und verkündet den Untergang. Das Stück endet im Schockzustand.
Als das Licht angeht, herrscht Stille. Nur für einen ganz kurzen Moment. Ein gemeinsames Durchatmen. Dann gibt es tosenden Applaus. Auch für die künstlerische Leitung durch Anselm Dalferth und Johannes Gaudet.