Südwesten/Rheinland-Pfalz/Hessen, 23. Januar 2017. (red/ric) Seit Mitte vergangenen Jahres gilt eine neue Rechtssprechung für die Abschiebehaft. Eine Unterbringung in regulären Strafvollzugsanstalten ist nicht mehr möglich, auch wenn die Häftlinge getrennt von Strafgefangenen untergebracht sind. Die Zeiten, in denen in der JVA Mannheim Abschiebehaft vollzogen wurde, sind damit vorbei. Die Abschiebehaft kommt nur noch in reinen Abschiebungsgefängnissen zum Tragen. Doch wo befinden sich in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz solche Einrichtungen und welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um in Abschiebehaft zu gelangen? Wir haben die Antworten.
Von Riccardo Ibba
Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er unerlaubt eingereist ist und ausreisepflichtig ist, oder seine Ausreisefrist abgelaufen ist, oder er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat.
So ist es in Paragraf 62 des Aufenthaltsgesetz festgeschrieben. Die Abschiebehaft wird von den Ausländerbehörden oder der Bundespolizei bei den Amtsgerichten beantragt, die daraufhin den Fall prüfen und entscheiden. Ohne richterlichen Beschluss geht also nichts. Wer ausreisepflichtig und gesund ist, gültige Reisedokumente besitzt, sich weigert das Land zu verlassen und bei dem Fluchtgefahr besteht, kann in Abschiebehaft genommen werden.
In Baden-Württemberg werden die betreffenden männlichen Personen in der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim untergebracht. Seit der Inbetriebnahme am 1. April 2016 wurden bislang 251 Personen dort aufgenommen.
Altersmäßig entfiel der größte Anteil der aufgenommenen Personen mit 45 Prozent auf die Altersgruppe 21 bis 29 Jahre. Von den Untergebrachten aus 43 Nationen entfielen 44 Prozent auf afrikanische Länder und 34 Prozent auf den Balkan. Am 9. Januar 2017 befanden sich 31 männliche Personen in der Abschiebungshafteinrichtung, der größte Anteil davon stammte aus dem Kosovo. Die Kapazität wird aktuell von 34 auf 80 Zellen erweitert,
teilt uns das Innenministerium Baden-Württemberg auf Anfrage mit.
Frauen werden derzeit in Amtshilfe in der Abschiebungshafteinrichtung Ingelheim untergebracht. Apropos Ingelheim. Im zweitgrössten Abschiebungsgefängnis der Republik sind nicht nur die Inhaftierten aus Rheinland-Pfalz untergebracht, dort werden auch Menschen stationiert, die in Hessen in Abschiebehaft genommen werden, da in Hessen keine Abschiebungsgefängnisse existieren.
Zur Zeit befinden sich elf Personen in Ingelheim, deren Haft hessische Behörden erwirkt haben. Die Behörden arbeiten also länderübergreifend zusammen. Zudem sind acht Menschen aus Rheinland-Pfalz, zwei aus dem Saarland sowie zwei aus Nordrhein-Westfalen untergebracht.
Ist diese Zusammenarbeit ein Vorgeschmack auf ein mögliches Mehr-Länder Abschiebungsgefängnis auf dem Areal der Coleman Barracks? Dort gab es schliesslich ein altes Militärgefängnis, die Kapazitäten wären vorhanden. Die Begeisterung der Bevölkerung über eine mögliche Abschiebungshafteinrichtung auf Coleman dürfte wohl nicht allzu ausgeprägt sein.
Das hessische Innenministerium bringt eine andere Variante ins Spiel, um die Länder zu entlasten.
Vom Bund betriebene Ausreisezentren könnten eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Ausreisepflicht effektiv umzusetzen. Die Entscheidung über die Einrichtung von Abschiebezentren liegt aber in der Zuständigkeit des Bundes,
so das Ministerium.
Dauer der Abschiebehaft
Nach dem Aufenthaltsgesetz kann Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zu sechs Monaten angeordnet werden und in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Tatsächlich belief sich die durchschnittliche Haftzeit in der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim im Jahr 2016 auf 20 Tage,
teilt uns das Innenministerium Baden-Württemberg mit.
Aktuell halten sich in Baden-Württemberg 24.121 Geduldete auf, in Hessen sind es 5.610 Personen, in Rheinland-Pfalz 10.172 Menschen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht ausreisen müssen, sondern nur, dass die Abschiebung ausgesetzt ist. Häufigste Gründe dafür sind meist fehlende Reisedokumente sowie ärztlich attestierte gesundheitliche Probleme. Eine Abschiebungshaft ist dann nicht möglich.
Magreb-Länder als sicherer Herkunftstaat?
Es ist zwar nicht Voraussetzung, dass der aufzunehmende Staat ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat ist, um in Abschiebehaft zu kommen. In der Praxis wird jedoch zumeist in diese Länder abgeschoben. Zudem werden mit einzelnen Staaten spezielle Vereinbarungen getroffen, zum Beispiel mit Afghanistan.
Als sicheren Herkunftsstaat definiert das Gesetz Länder, von denen sich aufgrund des politischen Systems und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann.
Als sichere Herkunftsländer in Deutschland gelten zur Zeit alle Mitgliedstaaten der EU, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik Montenegro, Senegal sowie Serbien.
Derzeit wird über die Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat diskutiert. Die Folgen sind klar, sollten diese Staaten als sicher erklärt werden, darf dorthin auch abgeschoben werden.
Unterschiedliche Einschätzungen der Länder
Zuletzt hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Zustimmung für eine Einstufung der Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten bekräftigt.
Das hessische Innenministerium blieb auf Nachfrage des Rheinneckarblog eine Antwort auf diese Frage schuldig.
Ganz anders als in Baden-Württemberg sieht die Reaktion der Landesregierung in Rheinland-Pfalz zu diesem Thema aus.
Die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten lehnt das Integrationsministerium ab, da diese Staaten nicht sicher sind. Dort geschehen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen – Opfer sind vor allem Oppositionelle, Journalisten, Homosexuelle, etc. Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten erleichtert nicht die Rückführung in diese Länder. Hier werden zwei unterschiedliche Themen miteinander vermengt, die nichts miteinander zu tun haben,
teilt das Integrationsministerium Rheinland-Pfalz auf Anfrage mit.
Im Jahr 2015 wurden aus Baden-Württemberg insgesamt 2.449 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer abgeschoben, im Jahr 2016 waren es bereits 3.638.
In Hessen sank im gleichen Zeitraum die Zahl der Abschiebungen von 2.658 auf 1.700 Personen.
In Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Abgeschobenen von 596 auf 875 Menschen.