Rhein-Neckar, 23. März 2012. Während sich Thomas vor ein paar Wochen noch über das Shopping-Gen von Frauen ausließ, macht sich Gabi heute Gedanken über das Schnäppchen-Gen der Deutschen. Und fragt sich, was spart man wirklich auf der Schnäppchenjagd.

Günstiges aus dem Netz.
Ich habe kürzlich im Radio von einer Studie gehört, die betitelt war mit „Deutschland – Das Land der Dichter, Denker und Schnäppchenjäger“. Darin hieß es, dass in keinem europäischen Land so viel auf den Preis und so wenig auf die Qualität geachtet wird und dass die Hälfte aller europäischen Discounter in Deutschland zu finden ist.
In Frankreich und Italien wird, laut der Studie – vor allem beim Essen – auf Qualität geachtet und in Großbritannien wird der Einkauf im Discounter der sogenannten „Unterschicht“ überlassen.
So war „Geiz ist geil“, Sie erinnern sich, jahrelang der Verkaufsslogan einer großen Elektrofachhandelkette.
Woher rührt die Begeisterung für Schnäppchenjagd der Deutschen?
Nach dem Krieg war es nötig, dass man versuchte, überall an vergünstigte Ware zu kommen: Bruchkekse oder Porzellan und Unterwäsche mit kleinen Fehlern im Fabrikverkauf.
Aber auch heute noch kauft der Deutsche am liebsten, wenn es Rabatte gibt. Und das haben sich die Verbraucherketten gemerkt und bauen auf diese Strategie.
Ich kann mich noch gut an das Einkaufsverhalten meiner Großeltern erinnern, tagtäglich wurden die Werbeprospekte durchforstet und dementsprechend zog mein Großvater los.
Da fuhr er zehn Kilometer in die eine Richtung, um den Rinderbraten im Angebot zu kaufen und dann zehn Kilometer in die andere Richtung, um das vergünstigte Waschpulver in der besonders großen Tonne zu besorgen. Rein volkswirtschaftlich ein kompletter Blödsinn, aber meine Großeltern waren mit ihrer Einkaufsstrategie äußerst zufrieden.
Jetzt könnte man meinen, es handle sich dabei um ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Weit gefehlt. „Blöd“ ist doch derjenige, der zum „normalen“ Preis einkauft. Zeigt man Freunden seine neuesten Errungenschaften, ist oft die Schnäppcheneigenschaft meist wichtiger als das Produkt und seine sonstigen Eigenschaften. Nach dem Motto: „Du das war ein absolutes Angebot“.
Darauf bauen unsere Einzelhändler. Die Rabattmarkenheftchen der 50er, 60er und 70er Jahre wurden ausgetauscht durch Kärtchen mit denen man Punkte, Prozente und Prämien erzielen kann.
Gehen Sie ohne Punkte ins Kino oder Tanken? Kaum ein Einkauf, der an der Kasse nicht mit der Frage endet: „Haben Sie schon unsere Kundenkarte?“
Jagen im Hochpreissegment
Eine meiner Freundinnen ist die geborene Schnäppchenjägerin. Ihr Steckenpferd ist qualitativ hochwertiger Konsum mit Prozenten.
Nicht die Billigpreisketten sind ihr Jagdrevier, sondern Markengeschäfte mit Preisnachlass.
Schon als junge Frau habe sie so ein Schnäppchenkleid erstanden erzählte sie kürzlich lachend.
In einer Boutique hatte sie sich in ein Kleid verliebt, dessen Preis aber bei weitem die Möglichkeiten ihres Geldbeutels überstieg . Wochen später hing das Kleid immer noch dort, jetzt aber um 20 Prozent reduziert.
„Da musste ich zuschlagen, auch wenn ich dafür in einem anderen Laden wahrscheinlich drei Kleider bekommen hätte“, erklärte sie mir. Zwanzig Jahre behielt sie das Kleid im Schrank, oft getragen hat sie es nicht.
Zur Schnäppchenjagd braucht man also bestimmte Voraussetzungen, man muss den Jagdtrieb haben, geduldig sein und dann zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen.
Auch meine Tochter hat schon das Schnäppchen-Gen
Von einem großen schwedischen Möbelhaus haben wir die Family-Card. Automatisch bekommen deshalb meine Kinder einen Gutschein zu ihrem Geburtstag geschickt, der bei meinem Sohn regelmäßig verfällt, aber von meiner Tochter wie ein Schatz gehütet wird.
Als dann via Werbung dieser Tage weitere Rabattmöglichkeiten selbiger Kette ins Haus flatterten, war meine Tochter nicht mehr zu halten und überzeugte mich, dass wir jetzt dringend ihren Gutschein einlösen müssten.
Das Fazit des Einkaufs: Ich habe 40 Euro für Dinge ausgegeben, von denen ich vorher nicht wusste, das ich sie brauche, dabei hatten wir einen Preisnachlass durch Gutscheine von rund 3 Euro; wir haben 10 Euro im Restaurant ausgegeben – hier aber immerhin 2 Euro aufgrund der Family-Card gespart.
Summa Summarum ergibt das auf der einen Seite eine Ausgabe von 50 Euro und auf der anderen Seite eine Ersparnis von 5 Euro. Zudem muss man noch die Fahrt dazu rechnen – und das bei diesen hohen Benzinpreisen.
Schnäppchen im Netz
Ein weiteres Phänomen sind die Schnäppchen-Portale im Internet, wie Groupons, Deal des Tages oder Best Price.
Wer seine Reise oder seinen Wochenendtrip noch zum Normalpreis bucht und nicht wenigstens Frühbucherrabatte oder Last-Minute-Angebote nutzt, muss schon ziemlich dämlich sein.
Und ist man dann im Urlaub angekommen, sollte man neben Kultur- und Strandprogramm natürlich auch die Schnäppchen des Ferienlandes nutzen, sprich zum Beispiel in der Türkei shoppt man „Marken“-Klamotten und Medikamente ein und in den USA Jeans.
Auch der Restaurantbesuch bleibt von der Nachlass-Jagd nicht verschont, so gibt es für nahezu jede Region Deutschlands einen „Schlemmerblock“. Mit diesen Gutscheinen muss man nur ein Essen – das teurere – bezahlen, das zweite – das günstigere – ist frei.
Das lohnt sich natürlich nur dann, wenn man eher hochpreisige Gerichte bestellt und zwar beide.
Auch wir waren mal mit so einem Block essen, hatten aber das Prinzip nicht verstanden. Mein Mann bestellte Lasagne, ich ein Fischgericht. Die Ersparnis belief sich auf 7 Euro, bezahlt haben wir mit Getränken, Vorspeisen und Kaffee rund 50 Euro.
Wie Sie sehen, man muss zur Schnäppchenjagd geboren sein und man muss das System verstehen und daran Spaß haben – sonst legt man drauf.