Mannheim, 23. Mai 2014. (red/ld) In den kommenden Tage wird über die Zukunft der Beschäftigten im Alstom-Werk in Mannheim entschieden. Das Alstom-Management will über das Verkaufsangebot von General Electric (GE) verhandeln. Der Siemens-Konzern überlegt noch, ob er überhaupt ein Angebot vorlegen wird. Egal wer zum Zug kommt – der Standort Mannheim wird sich massiv verändern. Weder lokale Politiker wie Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz noch die Gewerkschaften haben darauf Einfluss – weil Alstom ein französischer Konzern ist.
Von Lydia Dartsch
Die Entscheidungen kommen von oben. Vom Alstom-Management. Die Konsequenzen werden die Beschäftigten zu tragen haben. Egal wie stark sie dagegen protestieren und sich wehren.
Es ist knapp einen Monat her, als sich das Gerücht verbreitete, es gebe ein Übernahmeangebot an den französischen Alstom-Konzern, der neben Schnellzügen, wie dem französischen TGV, auch Kraftwerke und die dafür nötigen Teile baut und in Mannheim 1.800 Mitarbeiter beschäftigt. Am 24. April dementierte der Konzern das Gerücht in einer Pressemeldung. Drei Tage später verkündet der Siemens-Konzern in einer Pressemitteilung, dass er mit dem Alstom-Management über strategische Möglichkeiten diskutieren wolle. Am Tag danach wird auf gleichem Wege ein Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Francois Hollande und einer Siemens-Delegation verkündet. Am 29. Mai die Absichten den Konzerns, ein Angebot an Alstom vorlegen zu wollen. Am 30. Mai dann die Gewissheit: GE hat ein bindendes Angebot für Alstoms Energiesparte vorgelegt.
Das trifft vor allem Mannheim, wo die Alstom Deutschland AG ihren Sitz hat und rund 1.800 Mitarbeiter beschäftigt. Dampf- und Gasturbinen für Kraftwerke werden hier gefertigt und in alle Welt geliefert. Doch in Zeiten der Energiewende, in der zunehmend Kraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, geht der Markt hierzulande zurück. Dass es Absatzprobleme gibt, verkündete Alstom bereits im Januar und Februar. Anfang April verkaufte Alstom die Wärmetauscher-Produktion an die Investmentgesellschaft Triton. Künftig wolle sich der Alstom-Konzern auf seine Verkehrs- und Transportsparte konzentrieren, kündigte dieser in der selben Pressemitteilung an, in der er das Angebot von GE bestätigt hatte. Profitieren werden vor allem die Aktionäre – nicht die Beschäftigten.
Angst um den Arbeitsplatz, Unsicherheit seit Monaten
Ob Alstom das GE-Angebot annehmen werde, wolle dessen Management noch vor Ende des Monats entscheiden. Siemens wolle bis dahin prüfen, ob man auch ein Angebot unterbreiten werde. Egal, wie es ausgeht: Es wird den Standort Mannheim treffen. Das bestätigt auch einer der Geschäftsführer der IG-Metall Mannheim, Klaus Stein.
Bei den Beschäftigten dort geht schon seit April die Angst um. Nach dem Verkauf der Wärmetauscherproduktion an Triton wird befürchtet, dass nun auch Teile der Gasturbinen-Produktion in die USA abwandern sollen. Daraufhin blockierten Mitarbeiter am 16. April den Abtransport von Turbinen-Werkteilen in die USA. Seit dem GE-Übernahmeangebot stehen die Beschäftigten erst recht unter Strom. Dann wird am 12. Mai bekanntgegeben, dass die Arbeitsplatzgarantien Ende dieses Jahres auslaufen werden . Gut 1.000 Mitarbeiter ziehen dagegen am 12. Mai durch die Mannheimer Neckarstadt auf den Alten Messplatz.
Doch während der französische Präsident von den Bietern eine Beschäftigungsgarantie für die französischen Mitarbeiter fordert und der Regierung per Dekret ein Veto-Recht für Verkäufe strategisch wichtiger Konzerne an ausländische Unternehmen einräumt, sind die politischen Entscheider in Deutschland und Mannheim zum Abwarten verdonnert. Und die sind verzweifelt.
Noch am 30. April schrieb Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), indem er darum bittet, der Minister möge seinen politischen Einfluss nutzen, die Arbeitsplätze bei Alstom-Deutschland im Falle einer Übernahme zu sichern. Uns schreibt der Oberbürgermeister auf Anfrage:
Ich betrachte die aktuellen Entwicklungen bei ALSTOM mit großer Sorge und habe mich ja deshalb auch an Wirtschaftsminister Gabriel gewandt und dies auch bei einem Zusammentreffen mit dem französischen Botschafter in Deutschland, Maurice Gourdault-Montagne, in Mannheim adressiert und ihn für diese Problematik sensibilisiert.
Bei einem Treffen zwischen Oberbürgermeister Dr. Kurz und Minister Gabriel am 12. Mai habe Herr Gabriel seine Unterstützung zugesichert, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt Mannheim dazu. Auch in der Landesregierung sieht man den bevorstehenden Veränderungen beim Alstom-Werk Mannheim mit Sorge entgegen.
Landeswirtschaftsminister Nils Schmid habe diesbezüglich mit dem französischen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg gesprochen, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Worum es in dem Gespräch ging, ob und welche Zusagen gemacht wurden, wollte das Ministerium auf Anfrage nicht mitteilen: Es seien vertrauliche Gespräche gewesen.
Bleibt die Angst der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze und ihre Unsicherheit für die Zukunft. In den kommenden Tagen wird es sich zwischen GE und Siemens entscheiden, falls Siemens überhaupt ein Angebot vorlegt. Noch sieht es nicht danach aus. Und während die französische Regierung nach Berichten der französischen Zeitung „Les Échos“ ein Angebot von Siemens bevorzugt, haben weder Oberbürgermeister Dr. Kurz noch Klaus Stein einen Favoriten: „Dazu müssen wir auf die konkreten Angebote warten“, sagte Herr Stein am Rande einer Veranstaltung am 08. Mai. Oberbürgermeister Dr. Kurz signalisiert weiter seine Unterstützung:
Die Entscheidung für einen Partner allein kann noch keine positive Antwort geben. Deshalb werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass die ALSTOM-Arbeitsplätze und die Kompetenzen am Standort Mannheim erhalten bleiben, beziehungsweise auch innerhalb einer neuen zukünftigen Konzernzugehörigkeit Entwicklungsperspektiven erhalten. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünsche ich viel Kraft und dass das bange Warten auf eine Entscheidung bald ein – möglichst positives – Ende haben wird.