Mannheim/Rhein-Neckar, 22. April 2014. (red/ms) Im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Gabriele Z. kamen heute zwischen 13:00 Uhr und 17:00 Uhr die ersten Zeugen zu Wort. Aussagen machten der Mann, der Gabrieles Leichnam am 04. Oktober 2014 gefunden hatte und drei Polizisten, die in die Ermittlungen involviert waren. Durch die Befragung wurden neue Informationen zur Tat, zum Tatort und zum Opfer Gabriele Z. bekannt.
Von Minh Schredle
Im Vergleich zum ersten Teil des Prozessauftaktes hat das Interesse am Nachmittag scheinbar deutlich abgenommen. Während zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr mehr als hundert Besucher anwesend waren, sind ab 13:00 Uhr nur noch knapp 50 da. Nur ein Dutzend bleibt auch wirklich bis zum Ende. Auch die beiden Nebenklägerinnenn Lisa (13) und Vanessa (17) aus Grünstadt waren in der zweiten Hälfte nicht mehr anwesend.
Viele Pressevertreter waren wohl ebenfalls nur am Auftakt interessiert: Denn während zu Beginn der Verhandlungen mehrere Kamerateams draußen Leute befragten und im Saal etwa 20 Journalisten waren, ist am Ende außer mir nur noch ein einziger anderer Medienvertreter anwesend, der für den SWR berichtet.
Wie “benutzt und weggeworfen”
Der erste Zeuge, der aussagt, kommt mit einer Baseball-Kappe und einer Jeans-Jacke in den Gerichtssaal. Ich kenne den Mann aus den Quadraten – er hängt öfter mit Zechbrüdern ab. Er hat Gabrieles Leichnam gefunden. Es muss ein verstörend entwürdigender Anblick gewesen sein.
Der gelernte Maurer ist momentan arbeitslos und hat fünf Kinder. Am 04. Oktober war er laut seiner Aussage gerade Pfandflaschen sammeln. Er sei den Weg unter der Kurt-Schumacher-Brücke entlang gelaufen und habe im Gebüsch eine Bierdose gesehen. Es ist später Nachmittag, zwischen 18 und 19 Uhr. Als er mit einem Bein über den Zaun geklettert war und gerade danach greifen wollte, entdeckte er noch etwas anderes – einen regungslosen Körper: Eine junge Frau liegt vor ihm im Gebüsch. Um den Hals einen Schal, der sich im Gebüsch verheddert hat. Sie liegt auf dem Bauch, das Gesicht kann er nicht erkennen. Ihre Hose ist auf halbe Oberschenkelhöhe heruntergezogen. Sie lag da wie “benutzt und weggeworfen”.
Von der Straße oder dem Weg aus, sei es unmöglich gewesen, den Leichnam zu sehen – das sagte nicht nur der erste Zeuge aus, sondern auch die Polizisten, die nach ihm in den Zeugenstand berufen wurden. Zum Zeitpunkt der Tat war dort noch alles zugewuchert – so habe es etwa einen Tag lang gedauert, bis jemand Gabrieles toten Körper gefunden hatte, obwohl die Stelle recht stark frequentiert sie, wie ein Kommissar aussagte. Was nicht gesagt wird, aber gut vorstellbar ist: Vermutlich haben dutzende oder gar hunderte Menschen die Stelle passiert ohne zu wissen, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt ein grausiger Mord stattgefunden hat.
Zeuge misstraut Polizei
Zuerst habe er gerufen, sagte der erste Zeuge. Wollte feststellen, ob sie eine Reaktion zeigt. Nachdem das nicht geschah, sei er in Panik geraten, habe immer lauter geschrien. Dann telefonierte er mit seiner Frau. Die habe ihm geraten, er solle einen Krankenwagen oder die Polizei anrufen – was der Zeuge aber nicht tat. Er begründete das damit, dass er einmal schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben will:
Einmal habe ich einen Überfall auf eine Frau gemeldet. Am nächsten Tag stand dann die Kripo vor meiner Tür, so als ob ich der Schuldige wäre. Dann wurde ich sechs Stunden lang verhört.
Der Richter Dr. Ulrich Meinerzhagen fügte hinzu, dass der Zeuge zu diesem Zeitpunkt außerdem noch eine überfällige Rechnung zu zahlen hatte und unterstellte, dass der Zeuge wohl auch deswegen den Kontakt zur Polizei gemieden habe. Stattdessen rief er eine Bekannte an, mit der er am Mittag etwas zu tun gehabt habe. Die Frau sollte heute ebenfalls als Zeugin aussagen, aber erschien einfach nicht.
Sie soll nach kurzer Zeit am Tatort gewesen sein. Gemeinsam hätten sie sich den Leichnam noch einmal angeguckt. Dann verständigte sie die Polizei. In der Zwischenzeit sollen ein paar Passanten vorbeigekommen sein, die aber nichts bemerkt hätten und weiter gegangen wären.
Eine Geschichte, zwei Versionen
Auf dem Polizeirevier hatte der Zeuge zunächst eine andere Aussage gemacht: Er wäre schon den ganzen Tag mit der Frau zusammen unterwegs gewesen und habe nicht telefoniert. Außerdem gab er an, auf einer anderen Route zum Tatort gelangt zu sein.
Die Polizei wertete allerdings die Telefondaten des Zeugen aus und stellte fest, dass er kurz bevor die Polizei am Tatort eingetroffen war, mit zwei Personen telefoniert hatte. Er wurde also ein zweites Mal vernommen. Die zweite Version glich der, die der Zeuge auch vor Gericht wiedergab.
Als Richter Meinerzhagen den Polizisten fragt, auf welcher Rechtsgrundlage die Polizei die Telefondaten des Zeugen kontrolliert habe, konnte der Polizist das nicht beantworten – ein Kollege sei dafür zuständig gewesen, er habe lediglich die zweite Vernehmung durchgeführt. Dass der Zeuge darin allerdings eine andere Route angab, auf der er gelaufen sein will, fiel dem Polizisten jedoch nicht auf. Warum der Zeuge zwei verschiedene Versionen erzählt hat, ist also unklar.
Spermaspuren im Genitalbereich
Ein Polizeikommissar hört über Funk von dem Fundort der Leiche und fährt hin. Zunächst geht er, wie er sagte, davon aus, dass es sich um eine Drogentote handelt, da die Stelle ein bekannter Umschlagort für die Betäubungsmittel-Szene sei.
Als er das Mädchen sieht, sei ihm jedoch schnell klar geworden, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelt: Die Haltung, in der Gabriele Z. im Gebüsch liegt, sei “viel zu unnatürlich” gewesen. Die Gerichtsmedizinerin bestätigte ihn darin – sie stellte fest, dass die Studentin mit ihrem Schal stranguliert worden ist und die Todesursache Ersticken war.
Bei der pathologischen Untersuchung des Leichnams der Studentin (20) wurden Spermaspuren im Genitalbereich gefunden, die nach der Verhaftung von Emil S. und einer DNA-Analyse dem Angeklagten zugeordnet werden konnten. Ob der Täter sein Opfer penetriert oder es versucht hat, wird bei der Darstellung nicht klar. Möglicherweise hat er sich beim Anblick der Sterbenden selbst befriedigt. Gabriele Z. lebt vermutlich noch, als Emil S. sich befriedigt hat und sie zurücklässt. Die Studentin ist allerdings bewusstlos und erstickt kurz darauf. Ob Emil S. davon ausging, dass sie schon tot ist oder es ihm egal war – der Angeklagte (41) schweigt.
Er zeigt weder Reue noch Mitleid noch Verzweiflung. Dass er sich noch äußern wird, ist nach aktuellem Stand unwahrscheinlich. Als Angeklagter dürfte er den Zeugen Fragen stellen – auch davon machte er keinen Gebrauch.
Heute nur Aussagen zum Fall Gabriele Z.
Am heutigen Tag gab es im Gericht nur Zeugenaussagen im Mordfall Gabriele Z. Bei den anderen angeklagten Verbrechen haben die Opfer überlebt und können noch selbst eine Aussage machen. Alle Taten, die dem Angeklagten zur Last gelegt werden, sollen eine ähnliche Vorgehensweise aufweisen: Der mutmaßliche Täter hat sich immer von hinten an seine Opfer herangeschlichen und sie gewürgt. Wer gezielt den Hals eines Opfers angreift, nimmt den Tod des Menschen billigend in Kauf. Unter anderem deswegen fordert die Staatsanwaltschaft im Falle einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
In allen Fällen wurden die Opfer anschließend beraubt. In Speyer erbeutet Emil S. bei seinem brutalen Überfall auf die 48-jährige Nadja B. 50 Euro. Bei einem Mädchen aus Grünstadt wurden laut Aussage der Staatsanwaltschaft zwischen ein und zwei Euro durch Emil S. erbeutet. Eins der Mädchen konnte den Angeklagten mit einer Nagelschere in die Flucht schlagen – bei seiner Verhaftung soll er entsprechende “Verletzungsspuren” aufgewiesen haben, hatten wir damals berichtet.