Mannheim, 22. Januar 2015. (red/ms) Das Dezernat IV – Bauen, Planung, Verkehr, Sport hat unter der Leitung von Bürgermeister Lothar Quast (SPD) auf 108 Seiten ein Wohnungspolitisches Programm entwickelt. Am Dienstag wurde es dem Ausschuss für Technik und Umwelt vorgelegt, der mehrheitlich eine Empfehlung an den Gemeinderat aussprach, das Programm in der vorliegenden Form zu beschließen. Ebenfalls ein Thema der Debatte: Die Zukunft der Wohnungen am Adolf-Damaschke-Ring in Feudenheim.
Von Minh Schredle
Bereits 2010 hat die Stadt Mannheim ein wohnungspolitisches Programm verabschiedet. Dieses solle laut Bürgermeister Quast auch weiterhin als Grundlage dienen, müsse aber aktualisiert, angepasst und ausgebaut werden – insbesondere wegen der Konversion. Der Abzug der Amerikaner habe sich 2010 bereits angedeutet, sei aber noch keine beschlossene Sache gewesen.
Das neue Programm heißt “Wohn.Raum.Stadt II”. Es geht weniger um konkrete Vorhaben und deren Umsetzung als um eine allgemeine Zielsetzung. Und diese sei laut Bürgermeister Quast so differenziert, um alle Bereiche der Bevölkerung zu erfassen und ihnen maßgeschneiderte Wohnungsangebote vorzulegen.
“Ein Balance-Akt”
Dabei müsse eine Balance gefunden werden zwischen kostengünstigem Wohnraum für die einkommensschwächere Bevölkerung und attraktiven Wohnräumen, die Möglichkeiten zur Eigenheimbildung bieten. Außerdem wolle man insbesondere die Urbanität stärken sowie Talente fördern, entwickeln und in der Stadt behalten.
Aktuell gebe am Wohnungsmarkt zwar einige angespannte Teilbereiche. Aber insgesamt keine generelle Wohnungsnot – wie in vielen anderen Großstädten Deutschlands. Dennoch dürfe man die anstehenden Herausforderungen nicht unterschätzen.
Zwar genieße Mannheim durch die zahlreichen Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten große Attraktivität – Bürgermeister Quast spricht hier von einem “Alleinstellungsmerkmal in der Region”. Dennoch gebe es viele Menschen, die zwar in Mannheim arbeiten oder die Bildungseinrichtungen nutzen. Aber im ländlicheren Umfeld wohnen.
Angebot muss sich verbessern
2008 hat die Universität Mannheim eine Analyse durchgeführt, um die Motive für den Wegzug aus Mannheim zu ermitteln. Sie kam zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der Personen, die ins Umland umgezogen sind, auch nach Häusern, Wohnungen oder Bauplätzen in Mannheim gesucht, hier aber keine ansprechenden Angebote gefunden hatte: Entweder gab es keine geeigneten Objekte oder die Preise waren zu hoch.
Wie aus einer Untersuchung des Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) hervorgeht, liegt die Nachfrage bei etwa 322 neuen Eigenheimen pro Jahr – das übersteigt das aktuelle Neubauvolumen um 67 Prozent.
Nur ein knappes Viertel der Mannheimer Wohnungen befindet sich in Privatbesitz. Das liegt weit unter dem Durchschnitt. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg liegt die Quote bei 53,5 Prozent. Inbesondere von Seiten der CDU wurden Forderungen laut, man müsse die Eigenheimbildung stärker fördern.
“Die Koversion ist ein Geschenk”
Bei der geplanten Wohnbauentwicklung werden zwei räumliche Schwerpunkte gesetzt: Der Innenraum soll weiter entwickelt und verdichtet werden, außerdem will man die mehr als 500 Hektar an Konversionsflächen nutzen.
Das sei laut Bürgermeister Quast eine “einmalige Gelegenheit” und “wie ein Geschenk”. Man müsse allerdings genau darauf achten, auch hier den Spagat zwischen bezahlbaren Mietwohnungen und zu verkaufenden Luxusobjekten zu schaffen.
So wolle man auf dem Benjamis Franklin Village 40 Prozent der Gebäude vermietet, davon die Hälfte zu Mietpreisen von 6,50 Euro bis 7,50 Euro pro Quadratmeter.
Die restlichen 60 Prozent der Wohneinheiten sollen verkauft werden. Das ist zumindest die Zielsetzung der Stadt – denn die möglichen Investoren haben dem noch nicht zugestimmt. Es haben diesbezüglich noch nicht einmal konkrete Verhandlungen stattgefunden.
“Zu früh für ein ausgereiftes Konzept”
Das wurde von Stadtrat und Oberbürgermeisterkandidat Christopher Probst (Mannheimer Liste) kritisiert. Seiner Ansicht nach sei es noch zu früh für ein ausgereiftes Konzept, bevor hier keine Klarheit geschaffen worden ist. Deswegen enthielt er sich bei der Abstimmung.
Außerdem warf Herr Probst dem Konzept eine “gewisse Beliebigkeit” vor: Die Zielsetzung sei ambitioniert und lobenswert – aber wenig konkret. Daher würden daraus alle das heraus lesen, was sie lesen wollen.
Konrad Schlichter (CDU) sagte beispielsweise, es sei erfreulich, dass die neue Akzentuierung im Konzept der Politik der CDU sehr nahe komme, die die Eigentumsbildung fördere. Laut Ralf Eisenhauer, Fraktionsvorsitzender der SPD, sei es dagegen gut, dass viel Wert darauf gelegt werde, sozialen Wohnraum zu schaffen.
Wolfgang Raufelder (die Grünen) sagte, man solle solle erneuerbare Energien wie Photovoltaik oder Fernwärme zunehmend fördern. Auch das würde zur Attraktivität einer modernen Stadt beitragen. Schließlich sprachen alle Mitglieder des ATUs bis auf Christopher Probst sich dafür aus, dem Gemeinderat die Zustimmung zum Konzept zu empfehlen.
Das wohnungspolitische Konzept ist lediglich ein Handlungsrahmen: Über alle aufgeführten Einzelmaßnahmen wird der Gemeinderat gesondert beschließen. Somit klingt die Zielsetzung zwar vielversprechend – schließlich sollen alle Bürger berücksichtigt werden. Allerdings wird erst die Zukunft zeigen, ob man den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Und die sind hoch.
Eine zentrale Rolle in der städtischen Wohnungspolitk spielt die Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG, die knapp 20.000 Wohneinheiten besitzt und den Großteil davon vermietet – überwiegend zu vergleichsweise günstigen Preisen.
“In der Regel sehr günstig”
Der Geschäftsführer der GBG, Karl-Heinz Frings, war in der Sitzung ebenfalls anwesend und gab an, dass 90 Prozent der Wohnungen zu Preisen von unter 6,50 pro Quadratmeter und 98 Prozent unter 7,50 Euro pro Quadratmeter vermietet würden. Damit liege man in aller Regel weit unter der ortsüblichen Durchschnittsmiete.
Ein derzeit kontrovers diskutiertes Thema ist die Zukunft einiger Mehrfamilienhäuser am Adolf-Damaschke-Ring (Feudenheim), die sich im Besitz der GBG befinden. Nach aktuellem Stand soll der Großteil davon abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden – das würde eine drastische Steigerung der Mietpreise auf mehr als 10 Euro pro Quadratmeter nach sich ziehen.
Viele der betroffenen Anwohner könnten sich das nicht mehr leisten. Insbesondere aus den Reihen der Linken und aus dem Feudenheimer Bezirksbeirat gibt es Proteste gegen das Vorhaben.
Dr. Ulrich Schäfer, ein Feudenheimer Bezirksbeirat der Grünen, sagte, man habe sich in der Sitzungs vom 07. Januar einstimmig gegen einen Abriss ausgesprochen. Der Zustand der Gebäude sei gut genug. Wenn die Anwohner sich dort nicht wohlfühlen würden, wären sie schon lange umgezogen.
Auch Thomas Trüper (Die Linke) sprach sich deutlich für den Erhalt des Bestandes aus:
Ich bitte nachdrücklich darum, von einem Abriss abzusehen. Hier gehen Wohnungen zu günstigen Konditionen ersatzlos verloren. So etwas wird man nie wieder herstellen können. Jeder Neubau hätte für die allermeisten Anwohner unbezahlbar hohe Mieten zur Folge.
Bürgermeister Quast betonte mehrfach, dass man nicht nur für die nächsten Jahre, sondern die nächsten Jahrzehnte planen müsse. Er kündigte an, dass das weitere Vorgehen am Adolf-Damaschke-Ring noch zum Gegenstand der öffentlichen Debatte werden müsse und dass vorgesehen sei, die Anwohner intensiv mit einzubeziehen.
Allerdings liege es nicht in der Zuständigkeit des Gemeinderats, der GBG in dieser Hinsicht Vorschriften zu machen – entsprechendes müsse dort im Aufsichtsrat geklärt werden. Außerdem sei dieses Thema nicht der Gegenstand eines grundsätzlichen Konzepts und solle zu einem anderen Zeitpunkt diskutiert werden.
Karl-Heinz Frings sagte dazu:
Es gilt weiterhin der Grundsatz “Sanierung vor Neubau”. Aber eine muss uns klar sein: Bei 50 Jahre alten Gebäuden erreichen wir mit keiner noch so aufwändigen Sanierung einen Neubaustandard.
Außerdem sei es “schwer bis unmöglich” durch Sanierungen Barrierefreiheit zu schaffen. Er werde allerdings offen für eine Diskussion sein und Alternativen prüfen.