Mannheim, 22. Oktober 2016. (red/pro) Die Stadt Mannheim und die Polizei haben am Freitag deren Sicht auf die Sicherheitslage in Mannheim vorgestellt. Und diese ist durchwachsen. Polizei und Stadt haben bereits enorme Anstrengungen aufgebracht – doch diese reichen nicht, um die gestiegenen Sorgen in der Bevölkerung um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu beruhigen. Deshalb soll es weitere Maßnahmen geben. Ob diese den gewünschten Erfolg bringen, bleibt abzuwarten (Lesen Sie hier unsere Anlayse).
Von Hardy Prothmann
An Willen und Entschlossenheit fehlt es nicht:
Wir dürfen und wir werden den öffentlichen Raum nicht aufgeben. Daran arbeiten wir hart. Bislang haben unsere Maßnahmen allerdings keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt. Die klare Botschaft an die Bevölkerung ist: Wir lassen nicht nach,
sagt Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD). Er beschönigt nichts. Er weicht nicht aus, sondern schildert die vorhandenen Probleme. Und macht klar, dass der Kampf um die Sicherheit im öffentlichen Raum “Chefthema” ist.
Deutliche Steigerung von Straftaten in bestimmten Stadtteilen
Polizeipräsident Thomas Köber stellt die Lage aus Sicht der Polizei dar: 2015 verzeichnete die Polizei einen Zuwachs an Straftaten von zehn Prozent. In diesem Jahr sind es zwar bislang nur drei Prozent gegenüber dem Vorjahr, allerdings auf dem Sockel der deutlichen Steigerung in 2015. Heißt unterm Strich: Die Zahl der Straftaten ist 2015 gegenüber den Vorjahren stark angestiegen und hält das hohe Niveau.
Insbesondere Sexualdelikte mit einer Steigerung von 16,1 Prozent, Körperverletzungen mit 18,6 Prozent, Raub mit 13,4 Prozent, Rohheitsdelikte mit 15,3 Prozent sowie Kfz-Aufbrüche mit 43,8 Prozent und Fahrraddiebstähle mit 22,3 Prozent Zuwachs sind keine besonders beruhigende Zahlen. Wenigstens die Zahl der Wohnungseinbrüche ist um 11 Prozent gesunken – allerdings auf nach wie vor hohem Niveau.
Insbesondere Innenstadt/Jungbusch ist mit einer Zunahme von 10,3 Prozent bei der Straßenkriminalität stark betroffen, aber auch Oststadt/Schwetzingerstadt sowie Neckarstadt-West und -Ost. Die Zahl der Tatverdächtigen ist auf 797 gestiegen, ein Plus von 11,3 Prozent. Davon haben 463 keine deutsche Staatsangehörigkeit, also 58 Prozent. Der Zuwachs beträgt hier 19,6 Prozent und betrachtet man die Gruppe der straffälligen Asylbewerber, so stieg die Zahl von 67 in 2015 auf aktuell 169 an – eine Steigerung von 152,2 Prozent:
Wir haben ein manifestes Problem mit Drogenhändlern aus Schwarzafrika,
sagt Polizeipräsident Köber und ergänzt:
Aber wir bekämpfen diese Gruppe auch mit hohem Aufwand. 2015 haben wir 25 mit Haftbefehl festgenommen, in diesem Jahr bereits 43. Es wird vor allem mit Marihuana Handel betrieben. Vor allem am Neckarufer, das verlagert sich ab durch unseren Ermittlungsdruck in die Quadrate. Wir verdrängen tapfer und wandern hier mit.
In den vergangenen zwei Wochen seien 337 Personen kontrolliert worden, davon 161 unter 21 Jahren. Dabei kam es zu 62 Festnahmen und Gewahrsamnahmen, fünf davon wegen Drogendelikten. Zusätzlich seien 6.000 Schüler der ortsansässigen Berufsschulen sowie die Anwohner über die Aktivitäten der Polizei informiert worden, flankiert von einer Aufklärungskampagne.
Die Szene in “Bewegung zu halten”, mache Sinn, denn das verhindere, dass sich Strukturen festigen, sorge für Nervosität und Unsicherheit:
Es gebt beim Handel mit Drogen um Angebot und Nachfrage. Wir werden uns intensiver als bisher auch den Nachfragern, also den Drogenkäufern widmen. Das wir für weitere Unsicherheit sorgen.
133.800 Überstunden haben die Beamten im Präsidiumsbereich dieses Jahr bereits geleistet. Das zeigt, wie motiviert die Polizei ist und eben keinen Dienst nach Vorschrift macht.
Wir haben viele Baustellen: Eine mittlerweile “europäische” Trinkerszene, aggressives Betteln, äußerst schwierige Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Drogen- wie die Straßenkriminalität,
sagt Oberbürgermeister Dr. Kurz. Dem setzte man verstärkte Kontrollen durch den KOD in der Neckarstadt, am Bahnhofsvorplatz und insgesamt verlängerte Überwachungszeiten bis 01:30 Uhr in der Nacht entgegen. Auch die Poser-Kontrollen zeigten, mit welcher Entschlossenheit man auch gegen Störer vorgehe:
Aber wir kommen an unsere Grenzen. Wir brauchen die Unterstützung vom Land, um Alkoholkonsumverbote rechtssicher durchsetzen zu können und wir brauchen Videoüberwachung.
“Menschen sind dünnhäutiger geworden”
Aus Sicht des Ordnungsamtsleiters Klaus Eberle seien die Menschen “dünnhäutiger” geworden. Das erkenne man auch an der steigenden Zahl von Anzeigen im Bereich “Störungen der öffentlichen Ordnung”, dabei gehe es nicht immer um Straftaten. Ein eher auf der Straße stattfindendes Leben und lautes Reden von Männern in Gruppen sei beispielsweise etwas, das als massive Störung wahrgenommen wird. Habe man in den vergangenen Jahren 8.-9.000 Anrufe bei der Stadt in diesem Bereich gezählt, seien es dieses Jahr bereits 15.000.
Der Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU) erklärt, dass die 32 Mitarbeiter des KOD verstärkt zu Fuß unterwegs sind und Menschen, Betroffene wie Störer direkt ansprechen – aber da seien auch die Kapazitätsgrenzen irgendwann mal erreicht.
Sofortmaßnahmen
Stadt und Polizei wollen mit weiteren Maßnahmen für Ordnung sorgen. Die Streifen des KOD werden am Neckarufer und in der Innenstadt verstärkt. Am Paradeplatz wird es einen gemeinsamen “Container” von Polizei und KOD als Anlaufstelle für die Bürger geben. Insbesondere die S-T- und U-Quadrate werden verstärkt bestreift und die Kontrollen der dortigen “Gastronomien” werden erhöht. In der Neckarstadt soll mit dem Kulturkiosk am Neumarkt eine Aufwertung passieren.
Am Neckarufer hat man die “Katakomben” dicht gemacht, mehr Licht gesetzt und will durch einen “Gastro-Container” das Neckarufer “beleben”. Ab November werden zwei Streetworker eingesetzt, um gezielt junge Flüchtlinge im Bereich Innenstadt und Neckarstadt-West anzusprechen und in ein Bundesprogramm zur “Tagesstrukturierung für junge Flüchtlinge” zu bringen. Zudem soll eine Plakatkampagne gegen aggressives Betteln gestartet werden – diese richtet sich an die Bevölkerung, eben kein Geld zu geben, um diesen “Erwerbszweig” auszutrocknen.
Die Stadtverwaltung fordert vom Gemeinderat die Unterstützung, um erneut eine Videoüberwachung einzuführen. Das wird überwiegend Zustimmung finden – nur die Grünen sind strikt dagegen. Die würden am liebsten auch den Marihuana-Konsum legalisieren.
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