Rhein-Neckar/Berlin, 22. März 2018. (red/pro) Aktualisiert. “Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht”, behauptete der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang März. Er kommentierte damit den Anteil für Ernährung für Menschen, die von Sozialhilfe leben. Redaktionsleiter Hardy Prothmann dokumentiert seit dem 19. März zwei Wochen lang seinen täglichen Speiseplan nach dem Regelsatz. Die spannende Frage ist, ob und wie man sich von den 145,04 Euro pro Monat, die anteilig für Ernährung im Hartz IV-Regelsatz enthalten sind, ernähren kann. Tag 4 bietet bietet einen gesunden Start und am Abend erstmalig etwas aus dem Tiefkühlregal.
Von Hardy Prothmann
(Anm. d. Red.: Artikel wurde am Abend ergänzt.)
Frühstück
Das Frühstück bestand heute einer frischen halben Ananas mit Speisequark (20 Prozent Fett). Dazu Kaffee. Die Kosten: 65 Cent für die halbe Ananas, die wir im Angebot für 1,29 Euro gekauft haben. 26 Cent für 125 Gramm Quark sowie 20 Cent für den Kaffee. Also 1,11 Euro gesamt. Das Frühstück hatte rund 310 Kalorien. Aufwand: 2 Minuten.
Mittagessen
Heute gibt es Gemüsesuppe – aus eigener Herstellung. Wir haben die Reste der vorherigen Tage gesammelt: Karottenreste, Zwiebelschalen, den Broccolistumpf, “Abfall” von den Frühlingszwiebeln. In die Suppe kommen auch die nicht mehr so ansehnlichen Teile eines Porrees, den wir für die Suppe verwenden. (Anm. d. Red.: Grundsätzlich kann man allen Gemüseschnitt aufbewahren, um diesen für einen Suppensud zu verwenden.)
Den riesigen Porree haben wir für 59 Cent im Angebot gekauft. In die Suppe kommen später die Porreestücke sowie zwei Karotten (16 Cent). Dazu gibt es 100 Gramm Reis (Parboiled, 9 Cent), den wir noch im Kühlschrank hatten.
Das fertige Mittagessen, 250 Milliliter Gemüsesuppe, 150 Gramm (halber) Porree, 50 Gramm Karotten und 100 Gramm Reis kosten uns 54 Cent. Dazu Gewürze 5 Cent. Gesamt: 59 Cent.
Gemüse hat wenig Kalorien, so 25-30 pro hundert Gramm. Dafür ist Reis eine Kalorienbombe mit 350 Kalorien pro hundert Gramm. Diese große Portion Suppe hat also rund 410 Kalorien.
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Der Aufwand ist gering. Klein machen, was noch nicht klein ist und ab auf den Herd. Dort köchelt der Gemüseschnitt vor sich hin. Sudzeit zwei bis drei Stunden. Aufwand bis hier: 4 Minuten.
Bis hier werden wir heute also 1,70 Euro ausgegeben haben. Dazu kommt
unser selbst gesprudeltes Wasser, 1,5 Liter für 21 Cent. Also 1,91 Euro.
Korrektur: Wir haben noch zwei Tomaten hinzugefügt, damit kommen 30 Cent obendrauf. Außerdem noch selbst geschnittenen, tiefgefrorenen Knollensellerie für 10 Cent. Bis hier haben wir also 2,31 Euro ausgegeben.
Tipp: Gemüseabfälle sind keine. Man kann sie sehr gut verwerten, um daraus Suppen herzustellen. Sehr eingedickt kann man das auch einfrieren und spart sich so den Kochaufwand beim nächsten Mal. Oder man kocht sehr dick ein und füllt diese Basis in Eiswürfelform und ab ins Eisfach. Damit hat man “Brühwürfel” für andere Gerichte, die Gemüsegeschmack erhalten sollen – ohne jegliche Konservierungsstoffe mit den vielen “E”. Reinwerfen kann man so gut wie alles – dadurch entstehen natürlich auch unterschiedliche Geschmäcker.
Die Suppe haben wir mit Petersilie und Schnittlauch (beides selbst im Blumenkasten gezogen und eingefroren) verfeinert. Viel gesünder geht es nicht – und diese Suppe war köstlich, sättigt ohne Völlegefühl, gibt Energie und wenn man auf die Kohlenhydrate (Reis) verzichtet, hat man rund 120 Kalorien zu sich genommen. Die Karotten geben Biss.
Preislich haben wir eine halbe Portion Suppengemüse eingespart – also rund 60 Cent durch Abfallverwertung nicht ausgegeben. Bis zur Fertigstellung der Suppe war der weitere Aufwand: 5 Minuten.
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Abendessen
Heute gibt es erstmals zwei Lebensmittel aus der Tiefkühltruhe: Rahmspinat und Fischstäbchen. Der Rahmspinat kostet für 450 Gramm 49 Cent, die Fischstäbchen haben dasselbe Gewicht und kosten 1,59 Euro. Von beidem benötigen wir für eine Mahlzeit die Hälfte, also 1,04 Euro. 30 Cent für 300 Gramm Kartoffeln kommen hinzu (hier rechnen wir einen Standardpreis von 1 Euro das Kilo, tatsächlich haben wir nur 40 Cent/Kilo bezahlt, siehe unten, wir haben also tatsächlich nur 7 Cent ausgegeben, 23 weniger als hier angegeben). Gesamtpreis für dieses “arme Leute Essen”: 1,34 (1,11) Euro.
Der zeitliche Arbeitsaufwand beträgt 5 Minuten – die Wartezeit rund 20 Minuten bis die Kartoffeln weich gekocht sind. Kalorien sind es etwa 550.
Woher kommen die Lebensmittel und wie bereite ich sie zu?
Das Sauerteigbrot habe ich selbst gebacken (die Beschreibung finden Sie in Teil 1, ebenso den Hinweis zum Sprudelwasser).
Alle anderen Lebensmittel haben wir in verschiedenen Supermärkten gekauft. Die Fischstäbchen waren die günstigsten im Tiefkühlregal. Die Kartoffeln haben wir als zehn Kilosack gekauft (1,99 Euro) und sind ein Grundnahrungsmittel. Die lagern kühl und dunkel im Keller. Den Rahmspinat hätten wir auch selbst machen können, aber da kommt man kaum günstiger weg.
Der Spinat wurde erhitzt, die Kartoffeln gekocht und die Fischstäbchen kamen in den Backofen.
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Zubereitungszeiten: Frühstück 2 Minuten, Mittagessen 6 Minuten, Abendessen 5 Minuten. In Summe 13 Minuten.
Habe ich mich ausgewogen ernährt?
Wir führen hier keine Debatte über Fleisch oder kein Fleisch, Bio oder nicht. Bei der Frage zur ausgewogenen Ernährung haben wir den Grundumsatz und den Kalorienbedarf im Blick. Bei einem erwachsenen Mann sind das rund 2.000 Kalorien Grundumsatz und bis zu 2.900 bei normaler körperlicher Betätigung.
Zusammengerechnet komme ich heute auf rund 1.220 Kalorien und bin satt geworden. Die Kalorienzahl liegt deutlich unter den mindestens nötigen 2.000 Kalorien – dieser Tag ist also auch gut für meine Figur. Wenn ich doch noch “Lust” hätte, könnte ich mir noch ein Brot machen.
Es gab Obst, Milchprodukte (Joghurt), Fisch, Gemüse, Kartoffeln. Die Ernährung enthält Kohlenhydrate, verschiedene Eiweiße, verschiedene Fette, Ballaststoffe, Vitamine, also alles, was zu einer gesunden Ernährung gehört. Das Abendessen war “frisch” zubereitet.
Bin ich mit dem durchschnittlichen Regelsatz ausgekommen?
Ja, wie schon in den ersten beiden Tagen. Die Kosten betrugen 3,65 Euro. Somit bleiben 1,19 Euro Guthaben. Zusammen mit den 2,04 Euro der Vortage sind aktuell 3,23 Euro eingespart. Ein paar Produkte waren teuer – wir hätten also noch mehr sparen können. Wichtig: Lebensmittel, die “vorbereitet” oder bereits fertig zubereitet sind, sind meistens auch teurer. Klar, die Hersteller preisen ihre Dienstleistung der Zubereitung ein. Als Faustregel gilt also: Selber machen ist günstiger und frischer, bei gewissen Lebensmitteln lohnt sich der Aufwand aber nicht und andere kann man nicht selbst herstellen (die meisten Käse beispielsweise).
Durch den Einkauf der abgepackten Mengen (Fleisch) ist man zum “Überkochen” gezwungen, man kocht also mehr als der Tagesbedarf es braucht. Deshalb werden Portionen eingefroren oder wie aktuell nur zur Hälfte verwendet der Rest der Tiefkühlkost weiter eingefroren. Das kostet natürlich Strom, doch dazu in späteren Artikeln mehr. Aktuell geht es rein um die Ernährungspreise.
Hinweis: Unsere Redaktionsküche ist nichts Besonderes. Die Ausstattung: Kühlschrank hoch mit Gefrierteil. 2 Induktionsherdplatten. Backofen. Küchenmaschine. Wasserkocher. Dazu typisches Kochbesteck, diverse Messer, Handrührgerät, Zauberstab, Schneidbretter, diverse Vorratsdosen, Schüsseln. Kleiner, mittlerer, großer Topf. Kleine und große Pfanne. Wassersprudler. Küchenwaage. Nicht eingerechnet sind Energiekosten – die sind aber auch nicht im Regelsatz enthalten. Wir berechnen Kosten für vorhandene Lebensmittel wie Öl, Essig und Gewürze und sonstige Zutaten.
Teilnehmer: Wir haben auf unseren Aufruf verschiedene Rückmeldungen erhalten. Parallel zu dieser Dokumentation schreiben die Teilnehmer auf, was diese in 15 Tagen ausgeben. Teilnehmer sind: Männlicher angestellter Single. Weibliche Studentin Single. Alleinerziehende Mutter, angestellt, ein Kind. Angestellter Vater, angestellte Mutter, zwei Kinder. Klar ist: Je weniger Menschen zu ernähren sind, umso höher sind die Kosten und der Aufwand – die sich sonst auf mehrere Personen verteilen. Allein die Zeit spielt eine Rolle: Es macht wenig Unterschied, ob man für eine Person oder für vier Personen Mahlzeiten zubereitet. Größere Mengen erzeugen meist auch im Verhältnis kleinere Kosten.