Stuttgart/Mannheim, 22. Februar 2017. (red/cr) Abschiebungen nach Afghanistan sind aktuell sehr umstritten. Heute soll eine solche Sammelabschiebung stattfinden. Doch dagegen formiert sich Protest. Unter anderem werfen der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und Pro Asyl dem BAMF in einem Einzelfall „klare Verfahrensfehler“ vor und fordert einen Abschiebestopp für den Betroffenen.
Von Christin Rudolph
Am heutigen Mittwoch soll eine Sammelabschiebung unter anderem nach Afghanistan stattfinden – unter Beteiligung des Landes Baden-Württemberg. Der grüne Landesvorstand im Südwesten argumentiert, man müsse sich an geltendes Recht und die Einschätzung der Bundesregierung zur Sicherheitslage in Afghanistan halten.
Doch an der grünen Basis formiert sich zunehmend Widerstand.
In einer Pressemitteilung appellierten gestern der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und Pro Asyl an die grün-geführte Landesregierung, „ihre Spielräume zu nutzen“, um die Abschiebung eines bestimmten Mannes nach Afghanistan zu verhindern.
Letzter Abschiebeversuch gescheitert
Demnach soll heute ein Mann, der seit knapp 14 Jahren in Deutschland lebe und bei dem eine schwere depressive Störung diagnostiziert wurde, abgeschoben werden.
Er sei bereits im Januar nach Afghanistan zurückgeschickt worden, nach der Ankunft in Kabul aber zusammengebrochen und daher von den afghanischen Behörden nach Deutschland zurückgeschickt worden. Dort habe eine unabhängige ärztliche Untersuchung ergeben, dass im Falle eines erneuten Abschiebungsversuchs eine Suizidgefährdung zu befürchten sei.
Der Folgeantrag des Mannes sei allerdings abgelehnt worden, bevor dieser wirksam gestellt worden sei. Außerdem habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, die Anwältin des Mannes bezüglich des Anhörungstermins getäuscht. So sei der Mann ohne sie angehört und sein Antrag abgelehnt worden.
Schwere Vorwürfe gegen BAMF
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sieht hier einen „klaren Verfahrensfehler“. Seán McGinley, der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg, wird so zitiert:
Wir haben es hier eindeutig mit einem fatalen Verfahrensfehler auf Seiten des BAMF zu tun.
Und weiter:
Sollten solche Fopperei des BAMF gegenüber Anwälten Schule machen – ‚angetäuschte‘ Terminsverlegungen – dann kann man dem Amt kein Wort mehr glauben. Unter diesen Umständen ist es nicht nachvollziehbar dass das Verwaltungsgericht Stuttgart den gestellten Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hat – so wurde der Weg zu einer schnellen Abschiebung frei gemacht, ohne dass diese eindeutige Missachtung des geltenden Rechts durch das BAMF überhaupt auf den Prüfstand kommt.
Den neusten Vorstoß des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann hingegen, der zusammen mit anderen Landesregierungen mit grüner Beteiligung Außenminister Sigmar Gabriel zu einer Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan aufgefordert hat, begrüßt der Flüchtlingsrat. Außerdem betonte er in der Mitteilung die Möglichkeit, in „Fällen wie diesen“ im Einzelfall einzugreifen und die Abschiebung auszusetzen.
Appell an die Grünen
Der Appell richtet sich vor allem an eine bestimmte Partei:
Gerade die Grünen als größte Regierungspartei in Baden-Württemberg, seien hier in der Verantwortung zu beweisen, dass Sie zumindest auf die Einhaltung korrekter Verfahrensabläufe im Asylverfahren bestehen.
In ihrer Mitteilung sprechen sich Pro Asyl und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg grundsätzlich gegen Abschiebungen nach Afghanistan, wegen der aktuellen Lage dort. Abgesehen davon decken sie jedoch einen scheinbaren Widerspruch auf: Die „politisch Verantwortlichen“ betonten immer, mit den Abschiebungen nach Afghanistan werde geltendes Recht durchgesetzt. Dem gingen aber ein fairen Verfahrens und eine sorgfältige Einzelfallprüfung voraus.
Protestaktionen in mehreren Städten
Diesen Worten solle man nun Taten folgen lassen, indem die Abschiebung des erkrankten Mannes gestoppt werde. Der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, Herr McGinley, wird dazu folgendermaßen zitiert:
Stoppen Sie diese Abschiebung! Wenn das kein Fall ist, der eine Ausnahme rechtfertigt – wie soll eine solcher Fall denn überhaupt aussehen?
In der selben Pressemitteilung wurde darauf hingewiesen, dass der Flüchtlingsrat in mehreren Städten, darunter Mannheim, zu Protestaktionen gegen die geplante Abschiebung nach Afghanistan und die am gleichen Tag stattfindende Abschiebung nach Serbien und Mazedonien aufgerufen hat.
Die Kundgebung in Mannheim soll um 17:00 Uhr am Paradeplatz stattfinden.