Mannheim, 22. Februar 2016. (red/as). Im Rahmen des Literaturfestivals „lesen.hören 10“ in der Alten Feuerwache hatte der verstorbene Schirmherr Roger Willemsen die deutsche Schauspielerin Katja Riemann dazu bewegen können, über ihr humanitäres Engagement auf der ganzen Welt zu erzählen. Auch ohne Roger Willemsen – und vielleicht gerade für ihn – hat Katja Riemann am Samstag einen sehr emotionalen Abend auf die Beine gestellt.

Katja Riemann ist nicht nur Schauspielerin, sondern kämpft auch für Menschenrechte auf der ganzen Welt. Foto: Mirjam Kniekriem
Von Annika Schaffner
Katja Riemann hat in ihrem Leben als Schauspielerin schon viele Premieren erlebt. Zuletzt bei Komödien wie „Fack ju Göhte“ oder „Er ist wieder da“. Deutschland kennt sie als fröhliche, sympathische und blond-gelockte Frau.
Doch der Abend in Mannheim in der Alten Feuerwache war für Katja Riemann eine andere Art von Premiere. Und eine ganz besondere. Zum ersten Mal erzählte sie von ihrer anderen Seite, ihrer „Ernsthaftigkeit“, wie es Insa Wilke, die Organisatorin des Literaturfestivals, ausdrückte. Frau Riemann erzählte von ihrem humanitären Engagement, ihren Kampf für Menschenrechte in Ländern wie Senegal, Nepal, Moldawien oder Rumänien.
Engagement!
Es war Roger Willemsen, der Katja Riemann dazu brachte, auch über ihre humanitären Leistungen zu sprechen. „Zu viele Menschen wissen gar nichts von deinen Reisen“, meinte Willemsen. Eigentlich hatten die beiden den Abend in Mannheim zusammen geplant. Doch es kam anders: Roger Willemsen, Schirmherr des Literaturfestivals in der Alten Feuerwache, verstarb Anfang Februar.
Katja Riemann lässt sich den Abend nicht nehmen, organisiert ihn alleine, „Für Roger.“ – so steht es auf ihrem Programmzettel. Es sei ein
Herzensabend,
so Insa Wilke, Riemanns Bemühungen für diesen Abend beeindrucken sehr.
Man spürt das Herz, die Mühe von Katja Riemann: Angefangen mit sorgfältig ausgewählten Musikstücken, gespielt von Stephan Udri an der Trompete und am Flügelhorn, sowie von Konrad Hinsken am Piano, beide von der Mannheimer Musikhochschule. Die Stücke zwischen den Lese- oder Erzählpassagen sind nötig, damit das Publikum Zeit hat, über die teils sehr traurigen Geschichten nachzudenken.
Denn Katja Riemann greift schonungslos Themen auf, die sehr hart zu hören und schwer zu verstehen sind. Dabei sind sie sehr wichtig. Man muss darüber sprechen, egal, wie anstrengend das ist. Das ist die deutliche Botschaft des Abends.
Reisen, um für Menschenrechte zu kämpfen
Die Schauspielerin erzählte von ihren Erlebnissen als unicef-Repräsentantin, vor allem bei der Organisation „Tostan“. Ein Erlebnis ihrer zahlreichen Reisen hat sie besonders berührt: in einem kleinem Dorf im Senegal wurden sie und ihre Begleiter mit einem Theater mitten auf dem Feld empfangen. „Das ist mein Beruf!“, rief Katja Riemann begeistert aus.
Die Aufklärung über Menschenrechte stehe immer im Fokus ihrer Bemühungen, dann „was soll man damit machen, wenn man kein Wissen über sie hat?“, so Katja Riemann. Im Senegal war es beispielsweise wichtig, die Frauen über ihre Rechte aufzuklären. Riemann spricht immer liebenswert über die Menschen, vor allem die „starken“ Frauen:
„Ich hab die alle kennen gelernt, das war wunderbar!“
Die Organisation „Tostan“ zum Beispiel bewirkte, dass bis heute in 4.500 Dörfern die Kinder nicht mehr beschnitten werden. Bis dahin war es ein langer Weg. Zu diesem Thema las Katja Riemann ein Text aus „Geboren im großen Regen“ von Fadumo Korn, einer somalischen Frau, die wegen der Beschneidung an Rheumatismus erkrankte, zur Therapie nach Deutschland kam und sich nun für somalische Flüchtlinge einsetzt.
Unfassbare Grausamkeit
Fadumo Korn erzählt in ihrem Buch von ihren Kindheitserlebnissen und wie sich ihr Leben mit sieben Jahren am Tag der Beschneidung grundlegend änderte. Sehr detailliert beschreibt sie den Vorgang der Beschneidung. An diesem Punkt hätte man im Publikum eine Stecknadel fallen hören können, so still war es. Manche mussten sogar den vollen, ganz dunklen und stickigen Saal verlassen. Auch noch zwei Tage später kommt beim Gedanken an diesen Moment die Gänsehaut.
„Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden. Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten,“ liest Katja Riemann mit ernster und bestimmter Stimme aus der Erklärung der Menschenrechte vor. Eine kurze Pause. Stille. Und dann:
Dezeit leben 30 Millionen Menschen als Sklaven.
Sie erzählt von ihrer Reise nach Nepal. Wie dort Haussklaven bei reichen Männern oder Politikern leben. Sie erzählt von ihrer Reise nach Moldawien. Wie dort junge arme Mädchen von reichen Russen entführt und zur Prostitution verkauft werden. „Trafficking“ wird dieser Menschenhandel bezeichnet.

Foto: Mirjam Kniekriem
Ein Abend für Roger Willemsen
Zum Schluss las Katja Riemann einen Text von Roger Willemsen. Es war eine lange Passage aus dem Buch „Afghanische Reise“. Er erzählt über die missglückten Versuche, mehr Rechte für afghanische Frauen zu erkämpfen. In einem Kino sollte nach vielen Jahren wieder ein Film für Frauen und Kinder laufen, es wurden viele Bemühungen in die Werbung dafür gesteckt. Doch am Ende kamen nur Männer. Trotz der erfolgslosen Geschichte konnte Willemsen durch seinen Schreibstil, verstärkt durch Katja Riemanns Leseart, die Zuhörer wenigstens bei manchen Stellen zum Schmunzeln bringen.
Lieber Roger, komm zurück,
steht am Ende des Programmzettels. Und einen Moment lang gedenkt das Publikum andächtig.
Katja Riemann konnte mit ihrer angenehm rauen Stimme und ihrer sympathischen Art das Publikum bei allen Passagen in den Bann ziehen. Immer wieder spürt man die Fassungslosigkeit unter den Zuschauern und das Mitleid für die viel zu zahlreichen Opfer. Ein bewegender Abend – vielleicht hat Frau Riemann ja den ein oder anderen motivieren können, sich selbst gegen die Misshandlung von Menschen zu engagieren.