Mannheim, 22. Januar 2018. (red/as) Prozessauftakt im Landgericht Mannheim: Drei rumänischen Angeklagte, Simion R., Andrei C. und Vasile-Marian B., wird vorgeworfen, zwischen September 2016 und Juni 2017 über 40 Mal Einbrüche in Mannheim und Umgebung begangen zu haben. Im Fokus standen Schulen, Kindergärten und Gartenhäuser.
Von Annika Schaffner
Die Anklage richtet sich vor allem gegen den 39-jährigen Simion R., der in allen Fällen der Verantwortliche gewesen sein soll. Der 21-jährige Andrei C., der vor dem Gericht als Jugendlicher behandelt wird, soll bei zwölf Einbrüchen geholfen haben. Vasile-Marian B. (geboren 1996) soll an vier Fällen beteiligt gewesen sein, die sich innerhalb einer Woche ereignet haben.
Acht der Einbrüche waren erfolglos – insgesamt wurden Bargeld und elektronische Gegenstände im Wert von rund 60.000 Euro entwendet. Fataler ist der Sachschaden von insgesamt 140.000 Euro, der durch das gewaltsame Vorgehen der Bande entstanden ist. Fenster wurden aufgehebelt, Schränke und Tresoren aufgeflext, Scheiben eingeschlagen – in einem Fall sogar mit einem Vorschlaghammer.
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Im Prozessauftakt am 22. Januar haben die drei Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift, die eine Dolmetscherin ins Rumänische übersetzte, durch ihre Anwälte ihre Schuld eingeräumt. Alle drei gaben zu, an den Einbrüchen beteiligt gewesen zu sein. Andrei C. und Vasile-Marian B. beschuldigten dabei Simion R., der alles organisiert haben soll.
Der Haupttäter Simion R.
Simion R. ist nach eigener Darstellung in Rumänien bei seinen Großeltern aufgewachsen, nachdem sein Vater verstorben war. Er habe dort einen Schulabschluss als Autolackierer absolviert, weil er in seiner Heimat keine Arbeit gefunden hatte, habe er versucht im Ausland zu arbeiten. 1996 kam er für eine Arbeitsstelle nach Ungarn, wo die Firma ihre Arbeiter jedoch nach kurzer Zeit ausgenutzt und nichts mehr bezahlt haben soll, weshalb Simion R. Werkzeuge gestohlen habe und dafür in Ungarn verurteilt wurde. Nach einem Jahr Haft habe sich seine Familie (Freundin und Sohn) von ihm getrennt.
Auch in Spanien hatte der Angeklagte aus seiner Sicht kein Glück: Aufgrund einer schwierigen Trennung mit seiner dortigen Freundin sei er in eine Alkoholsucht geraten und habe seinen Job verloren. Dieser Kreislauf wiederholte sich, bis er 2016 in Mannheim landetet, wo er nach eigenen Angaben bis zu 30 Flaschen Bier oder zwei Flaschen Whiskey am Tag konsumiert haben will. Da er keinen Job bekam, aber Geld für den Alkohol benötigte, habe er die Einbrüche begangen. Während den Taten sei er so betrunken gewesen, dass ihm jegliche Erinnerung fehle, er habe “den Überblick verloren”. Simion R. bereut seine Taten, hat in der Untersuchungshaft aufgehört zu trinken und eine Arbeit als Maler angefangen. Während die Verteidigerin seine Aussage vorträgt, geht sein Blick mit gesenktem Kopf ins Leere, er wirkt, als habe er schon aufgegeben.
Der Fahrer Andrei C.
Der damals 20-Jährige Andrei C. sei bei den Einbrüchen jeweils “nur” als Fahrer des Fluchtfahzeugs beteiligt gewesen. Im Auftrag von Simion R. habe er die Angeklagten zum Einbruchort gefahren und dort gewartet bis Simion R. und Vasile-Marian B. zurückkehrten. Er habe zwar gewusst, was dort passierte, habe aber weder mitbekommen, was und wie viel jeweils gestohlen wurde, noch was dann mit der Beute geschehen ist. Pro “Einsatz” habe er 100 bis 300 Euro Bargeld bekommen, was er hat akzeptiert habe, da sein “Risiko geringer war”.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Dr. Joachim Bock, warum der junge Mann sich in solche Taten verwickelt hat verwickeln lassen, antwortete Andrei C., er habe sein Einkommen aufbessern wollen. Er habe in Rumänien ein Haus für 30.000 Euro gekauft, dass er bei den Banken abbezahlen müsse. Außerdem müsse er die Leasingrate seines Autos abdecken können.
Andrei C. hat bis zu seinem 18. Lebensjahr in Rumänien gelebt, ist dann nach England ausgereist. Dort hat er nur zwei Monate verbracht und wurde bei einem Ladendiebstahl erwischt (“Ich habe dann eine Dummheit begangen.”). Nach mehrmaligen Nachfragen des Gerichts gab er zu, seine Strafe in England, Sozialstunden, noch nicht abgearbeitet zu haben, er sei zuvor zurück nach Rumänien. Seit 2016 lebt Andrei C. in Deutschland, wo er eine Arbeitsstelle als Gerüstbauer hat. Einen Schulabschluss hat der Angeklagte nicht.
Der Aufpasser Vasile-Maran B.
Bei der gleichen Firma hat auch Vasile-Maran B. als Gerüstbauer gearbeitet. Er hat in Rumänien die Schule abgeschlossen, ist 2010 nach Mannheim gekommen und arbeite seitdem. Er gibt zu, bei den vier Einbrüchen mit dabei gewesen zu sein und ein Tablet entwendet zu haben. Jedoch könne er sich nicht mehr an die Orte erinnern oder an die Gegenstände, die Simion R. noch gestohlen haben soll. Er habe zwar die Gebäude betreten, aber Simion R. sei immer derjenige gewesen, der Türen oder Fenster aufgehebelt hat. Der Angeklagte habe vor allem Schmiere stehen müssen und deshalb von den Einbrüchen selbst nichts mitbekommen, außerdem sei er zur Tatzeit betrunken gewesen. Für seinen Einsatz habe er rund 150 Euro von Simion R. erhalten.
Vasile-Marian B. ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Seine Frau und weitere Angehörige haben der Verhandlung aufmerksam zugehört. Für den Angeklagten spricht auch, dass er mittlerweile ein wenig Deutsch gelernt hat und seine Arbeitsstelle sofort wieder bekommen würde.
Viele offene Fragen
Der Hauptangeklagte Simion R. bestätigt die Aussagen seiner Mittäter. Er will den Prozess beschleunigen, da er zu seiner Familie in Rumänien zurück möchte, hier “hat er niemanden”. Seine Verteidigerin Frau Mannebach-Junge gab deshalb gegenüber dem Gericht zu bedenken, dass ihr Mandant alles zugäbe, obwohl er vielleicht für einzelne Taten gar nicht verantwortlich war. Aus diesem Grund müsste jeder einzelne Einbruch aufgeklärt werden.
Dies könnte sich jedoch schwierig gestalten, denn schon an diesem ersten Prozesstag mussten Dr. Joachim Bock und die Staatsanwaltschaft den Angeklagten ihre Antworten förmlich “aus der Nase ziehen”. Keiner der drei kann oder sill sich an einzelne Taten oder Orte erinnern. Die Aussagen sind sehr vage, oft auch widersprüchlich. Die Sprachbarriere macht die Kommunikation nicht einfacher, sondern zieht den Prozess in die Länge.
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Ungeklärt ist auch, ob nicht noch weitere Personen die Bande unterstützt haben. Und woher kommt die Adressliste mit möglichen Einbruchsorten, die bei Andrei C. im Auto gefunden wurde? Andrei C. behauptet, diese selbst geschrieben zu haben, die Adressen stammten von Simion R., aber woher dieser sie hat, weiß niemand. Außerdem zweifelt das Gericht daran, dass Simion R. und Vasile-Maran B. während der Taten so betrunken waren, dass sie sich kaum daran erinnern können. Wie haben die Angeklagten in diesem Zustand Türen aufgehebelt oder Schränke aufgeflext?
Am nächsten geplanten Prozesstag, dem 29. Januar, möchte Richter Joachim Bock die Angeklagten noch einmal zu ihren Vorstrafen und zu Lücken im Lebenslauf befragen. Zudem will das Gericht darüber nachdenken, wie der umfangreiche Prozess verkürzt werden könnte.
Hintergrund: Die Einbruchszahlen sind in den vergangenen Jahren enorm angestiegen – die Aufklärungsquote liegt deutlich unter 30 Prozent im Gegensatz zur Aufklärung bei Kapitaldelikten wie Mord, die meist gegen 100 Prozent geht. Klar ist, dass es häufig Banden sind, die einbrechen. Jeder Einbruch muss diesen nachgewiesen werden. Durch erhebliche Anstrengung hat die Polizei es mit der Ermittlungsgruppe Einbruch erreicht, die Aufklärungsquote zu steigern – wenn man einer Gruppe möglichst viele Einbrüche nachweisen kann.
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