Rhein-Neckar/Berlin, 22. September 2018. (red/pro) Für dieses Wochenende hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) eine „gemeinsame, tragfähige Lösung“ der Causa Maaßen angekündigt. Das klingt nach einer Wiederholung von „Wir schaffen das“, zeitlich genau fast drei Jahre her. Und ebenso liegen noch drei Jahre vor der aktuellen großen Koalition. Es gibt keine belastbaren Hinweise, dass die Bevölkerung weitere „tragfähige“ Erklärungen hinnehmen wird.
Kommentar: Hardy Prothmann
Geschichte wiederholt sich. Nie gleich. Aber vergleichbar. Dabei kommt es immer auf die jeweiligen Details an.
Die alten Griechen haben für die aktuelle Situation ein Wort: Dilemma. Einfach übersetzt handelt es sich um eine „Zwickmühle“, frei übersetzt: Selbst, wenn man ein gutes Ziel verfolgt – einen Tod muss man sterben.
Angestachelter Zorn
Tatsächlich handelt es sich um ein Polylemma – es müssen also viele Tode gestorben werden. Die Frage ist, wenn es alles trifft?
Dr. Hans-Georg Maaßen hat es schon getroffen. Der Jurist und Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz ist de facto seines Amtes enthoben. Ein Verbleib im Amt ist ausgeschlossen, weil dies die Demission der Kanzlerin, des Innenministers Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles unmittelbar zur Folge hätte. Doch der Versuch der Weglobung auf einen besser dotierten Posten als Staatssekretär hat über alle Lager hinweg den Zorn nun noch angestachelt.
Die Causa Maaßen ist mittlerweile politisch zu sehen wie die Endlagerung von Atommüll. Übersetzt: Egal, wie man das Problem lösen will, es bleibt ein Problem. Man hat Kräfte freigesetzt, derer man nicht mehr Herr wird.
Staatsgefährdende Medien
Ein absolut erhebliches Problem spielt dabei nicht nur „die Politik“ – absolut staatsgefährdend ist die Rolle „der Medien“. Ich bin als verantwortlicher Redakteur des RNB ein Teil dieser Branche und betrachte diese seit sehr vielen Jahren sehr kritisch. Denn die Entwicklung muss erhebliche Sorgen machen.
In der Debatte über angebliche Hetzjagden haben sehr viele, sehr große Medien jegliche Kontenance verloren und zum Hallali auf Herrn Maaßen angesetzt. Auf Basis eines 19-sekündigen Videos einer anonymen Quelle namens „Antifa Zeckenbiss“, die mutmaßlich linksextrem sein könnte und ein Video aus mutmaßlich rechtsextremen Kreisen veröffentlichte.
Herr Maaßen hat dieses Video mit unglücklicher Wortwahl in Zweifel gezogen. Doch in den Medien spielt jeglicher Zweifel zwischen Ursache und Wirkung keine Rolle mehr. Auch, weil Regierungssprecher Steffen Seibert und seine Chefin Merkel keinerlei Differenzierung vorgenommen haben.
Kritikerentsorgung
Ich kenne Herrn Seibert aus früheren Jahren. Ich habe ihn damals im persönlichen Gespräch als eitel, schmiegsam und karrierebewusst kennengelernt. Anlass des Gesprächs war ein Porträt über Nikolaus Brender, den damals neuen Chefredakteur des ZDF, der später gnadenlos durch Roland Koch (CDU) „beseitigt“ wurde. Anders lässt sich das nicht einordnen.
Herr Seibert bildete sich viel darauf ein, ZDF-Journalist zu sein und wurde später Pressesprecher und zunehmend Presseschweiger. Was dazu führt, dass Spekulationen ihren Lauf nehmen können.
Es gibt in vielfältiger Hinsicht eine zu enge „Verzahnung“ von Medien und Politik, die vollständig abgehoben von der Lebenswelt der Menschen ist.
Daraus resultieren Schmuseverbindungen zwischen Medien und Politik und absolute Gräben. Eine Differenzierung, eine vernünftige Abwägung findet immer seltener statt. Ganz im Gegenteil gibt es eine extreme Entwicklung.
Ein Beispiel dafür ist die Personalie Martin Schulz. Der wurde erst medial bundesweit noch oben geschrieben und dann durch den Spiegel in den Keller abserviert. Das wiederum wurde in Teilen der Medienbranche als „großartige Leistung“ gehuldigt – was für eine Farce. Martin Schulz wurde medial zur Schimäre aufgebaut. Martin Schulz war ein bewusst inszeniertes Trugbild, das man dann „enttarnte“. Das hatte den Charakter einer Schmierenkomödie, doch wer traut sich schon in der Medienlandschaft, klare Worte zu finden?
Harte Entscheidungen sind erforderlich
Bei der aktuellen Lage gibt es keine „gemeinsamen, tragfähigen Lösungen“.
Die SPD hat kompromisslos die Ablösung von Herrn Maaßen gefordert. Als conditio sine qua non. Damit bleibt nur die Versetzung in den Ruhestand. Das zahlt der Steuerzahler, aber das ist halt so.
Demgegenüber steht das Vertrauen, dass Innenminister Horst Seehofer seinem Mitarbeiter ausgesprochen hat. Er muss also den Verlust hinnehmen oder gehen. Irgendwas dazwischen geht nicht.
Bundeskanzlerin Merkel kann Herrn Maaßen nicht entlassen, wohl aber Horst Seehofer aus dem Kabinett.
Wenn die Bundeskanzlerin ihre Richtlinienkompetenz ernst nimmt und als entscheidungsstark gelten will, entlässt sie den Innenminister. Die Wahl in Bayern ist eh für die CSU verloren. Dort wird es ein historisches Desaster geben. Herr Maaßen wird pensioniert und damit ist die Personalie erledigt, aber längst nicht ausgestanden.
Man darf die Öffentlichkeit nie unterschätzen
Denn gleichzeitig muss die SPD verstehen, dass es keinerlei Störmanöver mehr geben kann, wenn harte Entscheidungen getroffen werden. Wenn sich Frau Nahles ihre Welt dann so machen will wie Pippi Langstrumpf, „wie es mir gefällt“, würde sie die SPD ins absolute Verderben reißen. Symptomatisch ist ihre Aussage, man habe die Bevölkerung „unterschätzt“.
Hinter allem steht die Frage nach der Zuwanderung, die in erheblichen Teilen vollständig ungenügend bearbeitet worden ist und in erheblichem Maß der Motor für den Erfolg der AfD darstellt. Wer sich dieser Problemlage nicht stellt, hat genau nichts verstanden.
Es braucht ein ordentliches Zuwanderungsgesetz statt Nebelgranaten aus dem Hause Seehofer und Nichtstun aus dem Bundeskanzleramt. Es braucht ein konsequentes Vorgehen gegen Extremisten, ob von rechts, von links oder religiös motiviert. Und ebenso gegen eine erheblich wachsende Kriminalität.
Es braucht nachvollziehbare und klare rechtsstaatliche Positionen, die nicht im Ungefähren liegen, sondern klar machen, was Linie ist. Insbesondere für alle Staatsdiener, die zu Recht Führung erwarten können müssen. Wenn Sicherheitsbehörden durch Diffamierung dem Hohn preisgegeben werden, lässt sich keine klare Grundlinie entwickeln.
Horst Seehofer hat dies versucht, aber nicht konsequent. Das ist ein entscheidender Fehler.
Möglicherweise wäre die Demission von Horst Seehofer eine solche Linie. Ebenso der Rücktritt von Andrea Nahles. Und dazu eine klare Ansage von Angela Merkel, wer ihr, möglicherweise noch in dieser Legislatur, folgen soll.
Der Staat sind nie einzelne Personen
Demokratische Politik – und das ist ein Appell an die Medien – darf nie von einzelnen Personen bestimmt werden, sondern nur von Gemeinschaften. Hört auf, Politik an Profilen festzumachen, sondern arbeitet an der Basis. Alles andere ist billig und nichts wert.
Aktuell gibt es eine Personalie, die ich für zukunftsträchtig halte, weil ich ihr zutraue, dass sie über die Person hinaus konsensfähig ist. Annegret Kramp-Karrenbauer, die Generalsekretärin der CDU.
Das hat nichts damit zu tun, dass ich mal ein Jahr wie sie auf dem Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium in Völklingen verbracht habe. Sie ist vier Jahre älter als ich und ich habe dort die 9. Klasse wiederholt – als einziger Junge unter 23 Mädchen.
Es braucht einfach neue Charaktere für eine neue Zeit und Frau Kramp-Karrenbauer hat eine erhebliche politische Expertise und als CDU-Generalsekretärin eine starke Stellung. Ich traue ihr auch Selbstvertrauen zu und einen offenen Blick für die Zukunft.
Das gilt nicht für Frau Merkel. Sie hat den klaren Absprung verpasst, die Geschäfte ordentlich zu übergeben. Sie hat allerdings immer noch die Chance, so zu tun als ob. Jeder Tag, den sie nicht darauf verschwendet, die Geschäfte zu übergeben, ist verloren.
„Merkel muss weg“-Forderungen sind stillos und unangemessen. Frau Merkel hatte ihre Zeit. Aktuell hat sie fertig.
Aus „wir schaffen das“ wurde die Frage: Schafft sie das?
Die Frage bleibt: „Schafft sie es?“ Damit ist nicht die Flüchtlingskrise gemeint. Die schafft sie definitiv nicht zu lösen. Es geht ausschließlich um das historische Erbe. Je länger die Causa Maaßen andauert und je länger die Republik gelähmt ist, desto größer ist auch ihr historischer Schaden.
Sollte sie auf Berater wie Herrn Seibert hören, sollte sie auch immer dessen Interessen im Blick haben. Ein Ex-Journalist, der nicht ansatzweise in der Lage ist, dubiose Quellen als solche zu erkennen, ist ein fataler Berater, der keine Konflikte löst, sondern schürt.
Meine Expertise ist: Frau Merkel wird es aktuell nicht schaffen, die Konflikte zu befrieden. Sie schafft es nicht mehr, weil sie den Absprung nicht geschafft hat oder nicht schaffen wollte.
Man soll gehen, „wenn es am Schönsten ist“.
Aktuell wird nichts mehr schön, sondern nur noch bitter.
Außer, es gäbe jemanden, der klare Kante zeigt. Für den Rechtsstaat. Für eine klar definierte Zukunft.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die aktuelle Lage ist ausgereizt
Als politischer Journalist im lokal-regionalen Umfeld kann ich klar Hoffnung schöpfen. Das Engagement vieler Menschen vor Ort ist herausragend und ich schätze viele politische Akteure sehr.
Ich mahne gleichzeitig seit vielen Jahren Probleme an, die sich aktuell auch in der Bundespolitik mehr und mehr manifestieren.
Dafür gab es manchmal Lob, meistens nicht. Das muss und kann man aushalten, solange man noch das Gefühl hat, dass es irgendwie Sinn macht.
Und das ist das entscheidende Dilemma und die entscheidende Dimension der Causa Maaßen. Niemandem ist aktuell der Sinn noch vermittelbar.
Damit bleibt nur die krasse Erkenntnis, dass die aktuelle Lage ausgereizt ist.
Ohne klare, eindeutige und unmissverständliche Haltungen lässt sich die Lage nicht mehr klären.
Die Causa Maaßen ist von nationaler Bedeutung. Selbst wenn er in den Ruhestand geschickt würde, wäre das keine Lösung der aktuellen Aufgaben, denn damit wäre nur Ruhe fürs Protokoll erreicht, nicht aber für die Stimmung im Land.
Ganz sicher steht der Bundesrepublik Deutschland kein 1933 bevor. Aber erhebliche Proteste und möglicherweise erheblicher Unfrieden und weitere, extreme Spannungen, die ein „wir“ und „schaffen“ komplett konterkarieren.
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