Mannheim/Berlin, 22. Dezember 2015. (red) Die Lokalzeitung Mannheimer Morgen wurde aktuell vom Deutschen Presserat gerügt, weil eine Veröffentlichung am 14. August die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrechts eines Mordopfers verletzt hatte. Am 19. Dezember hat die Zeitung die Rüge veröffentlicht – eine Schwärzung des Artikels ist bis heute nicht erfolgt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wie verderbt kann man sein? Die Lokalzeitung Mannheimer Morgen missbraucht das Opfer eines Sexualmords als Teil eines „Rätselspaßes“ im Sommerloch. Es folgen Beschwerden gegen diese „geschmacklose“ Veröffentlichung. Schließlich rügt der Deutschen Presserat mit Veröffentlichung vom 02. Dezember die Zeitung unmissverständlich und deutlich. Danach lässt sich die Zeitung über zwei Wochen Zeit, um die Rüge als verschämte kleine Meldung rechts unten in der Mitte des Lokalteils abzudrucken. Doch bis heute hält die Zeitung die Ausgabe vom 14. August 2015 mit der gerügten Veröffentlichung ungeschwärzt als PDF zum Abruf bereit. Immer noch ist dort ein riesiges Foto der missbrauchten und getöteten Studentin zu sehen. Damit verletzt die Zeitung weiterhin die Menschenwürde und den Persönlichkeitsschutz des Mordopfers.
Ansehen der Presse beschädigt
Der Deutsche Presserat, das Organ der Selbstkontrolle der deutschen Presse, hat die Lokalzeitung in besonderer Form nicht nur wegen der Verstöße gegen Ziffer 1 (Wahrung der Menschenwürde) und Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) des Pressekodex gerügt, sondern formuliert zudem, dass diese Veröffentlichung das „Ansehen der Presse beschädigt“ habe.
Die Zeitung „informiert“ die Leserschaft über dieses vernichtende Urteil mit keinem Wort. Ganz im Gegenteil versucht man den Eindruck eines hohen Maßes an „Selbstkritik“ zu erzeugen, schließlich gebe es „keine rechtsverbindliche Verpflichtung zum Abdruck von Rügen“. Das ist korrekt – eine ethische Verpflichtung gibt es aber umso mehr. Alle Mitglieder des Deutschen Presserats verpflichten sich, Rügen zu veröffentlichen. So formuliert, könnte man meinen, die Veröffentlichung im Mannheimer Morgen sei „ungewöhnlich“, was natürlich nicht der Fall ist.
Mangelnde Sensibilität und fehlende Kontrollmechanismen
Missbilligungen beispielsweise müssen nicht „verpflichtend“ veröffentlicht werden – und dementsprechend hat die Lokalzeitung in der jüngeren Vergangenheit mehrere Missbilligungen von Veröffentlichungen, darunter rassistische Diskriminierung (Anm. d. Red.: Ebenfalls im Zusammehang mit der missbrauchten und getöteten Studentin) und Schleichwerbung nicht abgedruckt und damit der eigenen Leserschaft externe Kritik an der eigenen mangelhaften Berichterstattung vorenthalten.
Aktuell stellt der Presserat zudem eine „mangelnde Sensibilität und fehlende Kontrollmechanismen“ in der Redaktion der Lokalzeitung fest – auch darüber teilt die Redaktion ihren Lesern nichts mit. Geht so transparente, selbstkritische Information?
Wie recht das Kontrollorgan mit „fehlenden Kontrollmechanismen“ liegt, wird dadurch belegt, dass die Zeitung die missbräuchliche Veröffentlichung weiterhin seit Monaten zugänglich macht. Die gegenüber den Lesern formulierte „Entschuldigung der Redaktion“ ist und bleibt damit wenig glaubwürdig – aus Achtung gegenüber dem Mordopfer hätte meines Erachtens die Redaktion umgehend eine Schwärzung veranlassen müssen. Die massive Rüge hat offensichtlich nicht dazu geführt, dass die Sensibilität und die Kontrollmechanismen der Zeitung gestärkt worden sind.
Anm. d. Red.: Wir sind ebenfalls Mitglied im Deutschen Presserat und informieren unsere Leserschaft selbst über abgelehnte Beschwerden transparent und voll umfänglich.