Karlsruhe/Rhein-Neckar, 22. Juli 2016. (red/ms) Laut verschiedenen Medienberichten der vergangenen Tage soll der NPD-Bundesparteitag 2016 im hessischen Büdingen stattfinden, wo die rechtsradikale Partei bei den letzten Kommunalwahlen 10,2 Prozent der Stimmen erhielt. Auf Rückfrage erfährt unsere Redaktion seitens der NPD, dass dies zwar so geplant war – inzwischen habe sich jedoch “die Lage verändert”. 2016 wird wahrscheinlich überhaupt kein Bundesparteitag stattfinden.
Drei Mal in Folge hat der NPD-Bundesparteitag in Weinheim stattgefunden. Auch für 2016 lag bereits eine Anfrage der rechtsradikalen Partei vor. Im Dezember änderte daraufhin der Gemeinderat die Satzungen für die Stadthalle und das Rolf-Engelbrecht-Haus so ab, dass dort keine parteipolitischen Veranstaltungen auf überregionaler Ebene mehr zulässig sind.
Seit Mitte Juli war nun in verschiedenen Medienberichten zu lesen, dass die NPD stattdessen im hessischen Büdingen ihren Parteitag abhalten werde. Die Stadt mit etwa 21.000 Einwohnern im Nordosten von Frankfurt geriet bereits im März bundesweit in die Schlagzeilen, als die NPD dort bei den hessischen Kommunalwahlen 10,2 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt.
Schwerer Imageschaden
Diverse Medien, unter anderem der Deutschlandfunk, erklären den Ort seitdem zur “neuen braunen Hochburg im Westen”. Wie zutreffend das ist, sei dahin gestellt – unsere Redaktion ist dort regional nicht gut genug verwurzelt, um die Lage seriös einschätzen zu können.
Zur Einordnung ist allerdings wichtig, ebenfalls anzumerken, dass bei den zurückliegenden Wahlen klar der Trend zu beobachten war, wie Wähler Denkzettel verpassen wollten. Die rechtspopulistische AfD trat in Büdingen nicht an – gut möglich also, dass viele Protestwähler stattdessen die NPD wählten, um ihre Unzufriedenheit mit der Asylpolitik deutlich zu machen.
2011 erhielten die Rechtsradikalen in Büdingen nur 2,2 Prozent der Stimmen und auch in anderen Orten, in denen die AfD nicht antrat, erzielte die NPD in Hessen überdurchschnittliche Ergebnisse. Was das nun über die Fremdenfeindlichkeit der Gesamtbevölkerung aussagt, ist eine andere Frage. Nach Einschätzung des Autoren haben nicht einzelne Ortschaften ein braunes Problem – sondern ganz Deutschland. Rassisten, Antisemiten und Extremisten gibt es in allen Schichten der Gesellschaft überall im Land, wie sich leider immer wieder regelmäßig zeigt.
Beschränkte Einflussmöglichkeiten
Im “braunen Büdingen” sollte nun also auch noch der NPD-Bundesparteitag 2016 stattfinden, was sich als nicht gerade förderlich für das ohnehin schon angeschlagene Image der Stadt herausstellte – denn in Medienberichten wird der Ort nun noch konsequenter als Hessens Nazi-Hochburg dargestellt.
Doch hätte eine Stadt, auch wenn sie es noch so sehr wollte, überhaupt nur sehr begrenzte Möglichkeiten eine legale Partei – und darum handelt es sich bei der NPD (noch) – aus dem Ort fernzuhalten. Privaten Anbietern kann die Vermietung nicht untersagt werden. Und: Wenn in öffentlichen Einrichtungen Parteiveranstaltungen zulässig sind, dann müssen sie für alle Parteien zulässig sein.
Gegenüber der Hessenschau soll Büdingens Bürgermeister Erich Spamer (Freie Wähler) erklärt haben, er und die Stadt hätten “keine Handhabe” gegen die Anfrage der NPD – die Stadthalle stehe für alle Parteien für politische Veranstaltungen zur Verfügung. Herr Spamer war diesen Freitag für unsere Redaktion telefonisch nicht zu erreichen. Gerne hätten wir seine Stellungnahme zu einer aktuellen Entwicklung wiedergegeben.
Verlegung auf Frühjahr und unbekannten Standort
Auf Anfrage erfährt unsere Redaktion seitens der NPD nämlich, dass inzwischen gar kein Bundesparteitag mehr in Büdingen geplant ist – zumindest nicht 2016. Bundesschatzmeister Andreas Storr sagt dazu:
Es hat eine Reihe von Entwicklungen gegeben. Wir werden unseren Parteitag auf das Frühjahr 2017 verlegen. Wo er dann stattfinden wird, steht noch nicht fest.
Weinheim halte er für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen – offenbar ist die Standortwahl also noch flexibel. Auf die Frage, warum man sich entschieden hat, nun doch nicht in Büdingen zu tagen, wird auf Interna verwiesen. Die Stadtverwaltung Büdingen wollte sich auf Rückfrage der Redaktion nicht dazu äußern, ob die Anfrage der NPD bereits storniert worden ist – man mache zu dem Fall “keine Angaben”.
Entwicklungen im Verbotsverfahren
Eine “Reihe von Entwicklungen” hat es jedenfalls auch im Verfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegeben. Sollte die rechtsradikale Partei verboten werden, würde sich die Frage nach dem nächsten Bundesparteitag ohnehin erübrigen. Ob es dazu kommt, ist allerdings offen.
Aktuell haben sich die Chancen für ein Verbot zumindest rechnerisch verringert. Das hängt mit einer komplizierten Rechtslage zusammen: Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch. Mindestens zwei Drittel der acht Richter eines Senats müssten dafür stimmen. Eine einfache Mehrheit reicht nicht aus – es braucht also mindestens sechs Stimmen für das Verbot.
Nun hat Richter Prof. Dr. Herbert Landau mit seinem 68. Geburtstag im vergangenen April die Altersgrenze für sein Amt erreicht. In einer Übergangsphase hat er seine Aufgaben weiter ausgeführt. Inzwischen hat der Bundesrat allerdings eine Nachfolgerin bestimmt: Prof. Dr. Christine Langenfeld.
Am vergangenen Mittwoch wurde Herrn Landau die Entlassungsurkunde überreicht und Frau Langenfeld zur Richterin am Bundesverfassungsgericht ernannt.
Das hat Folgen für das NPD-Verfahren – denn nach dem Ausscheiden von Herrn Landau kann Frau Langenfeld sich nicht mehr das laufende Verfahren einbringen. Gleichzeitig bleibt die Hürde von mindestens sechs Stimmen für ein rechtskräftiges Verbot unverändert – nur dass jetzt insgesamt nur noch sieben Stimmen abgegeben werden können.
Sollte theoretisch noch ein Richter ausscheiden, müssten alle sechs verbleibenden Richter für das Verbot stimmen, damit dieses rechtskräftig wird. Sollte dann noch ein weiterer Richter ausscheiden, wäre ein Parteiverbot, zumindest in diesem Verfahren, nicht mehr möglich. Dabei handelt es sich aber um rein hypothetische Gedankenspiele.