Mannheim/Rhein-Neckar, 22. Dezember 2014. (red/ld) Mit einem Frauenanteil von 43 Prozent der Arbeitnehmenden ist der Arbeitsmarkt fast gleichberechtigt. 53,3 Prozent der Hochschulberechtigten sind ebenfalls weiblich. Davon geht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus. Um eine solche Gleichberechtigung auch in Führungspositionen von Unternehmen zu etablieren, sollen ab 2016 knapp ein Drittel der Aufsichtsräte weiblich sein. Je nach Industriesparte eine schwierige Aufgabe und – auch demokratische „Herausforderung“. In unserer Region sind neun Unternehmen betroffen.
Von Lydia Dartsch
Dass wir heute im Kabinett den Gesetzentwurf verabschiedet haben, ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung.
sagte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig am 11. Dezember diesen Jahres. Auch ihr Kollege aus dem Justizministerium Heiko Maas wird in der Pressemitteilung des Familienministeriums überschwänglich zitiert: „Heute ist ein guter Tag, nicht nur für die Frauen, sondern auch für die deutsche Wirtschaft.“
Zwischen Ende Januar und Anfang Februar soll der Bundestag über den Entwurf abstimmen, heißt es auf Nachfrage aus dem Bundesministerium. Wenn das geschehen ist, müssen ab 2016 alle voll mitbestimmungspflichtige und börsennotierte Unternehmen ihre Aufsichtsratsposten bei einer Neubesetzung zu 30 Prozent mit Frauen besetzen. 108 Unternehmen sind deutschlandweit von dieser Regelung betroffen.
Unternehmen haben Nachholbedarf bei Frauenquote
Nach unseren Informationen müssen in unserem Berichtsgebiet neun Unternehmen die Frauenquote für Aufsichtsräte umsetzen: Die BASF SE in Ludwigshafen, die Bilfinger SE in Mannheim, die Heidelberg Cement AG, die Heidelberger Druckmaschinen AG, die Hornbach Holding AG in Neustadt an der Weinstraße, die KSB AG in Frankenthal, die MVV Energie AG in Mannheim, die SAP SE in Walldorf und die Südzucker AG in Mannheim. In deren Aufsichtsräten sind Frauen derzeit von 8,3 Prozent (Bilfinger SE und KSB AG) bis 22,2 Prozent (SAP SE) vertreten. Sollte die Frauenquote Gesetz werden, müssen also alle in unserem Berichtsgebiet betroffenen Unternehmen mehr Frauen in diese Positionen bringen. Ansonsten bleiben die Stühle leer, sieht es der Gesetzesentwurf vor.
Für die betroffenen Unternehmen in der Region stellt die Quote eine schwierige Aufgabe dar. Auf unsere Anfrage teilten uns die MVV Energie AG, die SAP SE, die Südzucker AG und die Hornbach Holding AG mit, dass man den weiblichen Nachwuchs in Führungspositionen fördere. Aber lediglich die MVV Energie AG und die Hornbach Holding AG zeigten sich zuversichtlich darüber, die Vorgabe im Jahr 2016 auch erfüllen zu können.
„Die Frauenquote zu erreichen, ist unser Ziel bei der nächsten Aufsichtsratswahl im März 2016“, sagt Roland Kress, Pressesprecher der MVV Energie AG. Bereits in der letzten Runde im Jahr 2011 habe sich der Aufsichtsrat mit dem Frauenanteil im Aufsichtsrat befasst, sagt er. Auch Dirk Schuhmann, Pressesprecher der Stadt Mannheim, deren Oberbürgermeister den Vorsitz im Aufsichtsrat stellt sagt: „Wenn das Gesetz verabschiedet wird, wird die Quote bei der nächsten Aufsichtsratswahl umgesetzt.“
Nachwuchsförderung statt Geschlechterquote
Die Heidelberger Druckmaschinen AG und die Hornbach Holding AG äußern sich bis zum Gesetzesbeschluss vorsichtig: Man diskutiere die Regelungen derzeit unternehmensintern, heißt es aus Heidelberg. Der Sprecher der Hornbach Holding AG teilt schriftlich mit, man sei zuversichtlich, in Zukunft weitere verantwortungsvolle Positionen mit Frauen zu besetzen, und: „Wir bitten um Verständnis, dass wir zu einzelnen Umsetzungsschritten erst nach Verabschiedung des Gesetzes Stellung nehmen können.“
Dagegen kündigen die BASF SE, die SAP SE, die Südzucker AG und die Heidelberg Cement AG schon jetzt an, dass es bei der Umsetzung der Quote personelle und rechtliche Probleme geben werde:
Wir halten eine Quote für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Aktionäre des Unternehmens, über ihre Vertretung im Aufsichtsrat zu bestimmen.
schreibt ein Sprecher der BASF SE. Der Pressesprecher der Südzucker AG, Dr. Dominik Risser, sagt, mit einer solchen Quote müsse das Unternehmen in das Mitbestimmungsrecht der Aktionäre und der Belegschaft eingreifen, die Aufsichtsräte demokratisch zu wählen: „Das Unternehmen müsste den Anteilseignern und der Belegschaft vorschreiben, wen es zu wählen hat. Darauf sollte ein Unternehmen aber keinen Einfluss haben“, sagt er.
Die Aufsichtsräte werden je zur Hälfte von seiten der Anteilseigner des Unternehmens und der Arbeitnehmerseite gewählt. Laut Auskunft von Südzucker betrifft dies auf Arbeitnehmerseite nur die tariflich gebundenen Mitarbeiter, die auch die Betriebsräte wählen. Laut Dr. Risser sind diese Mitarbeiter hauptsächlich in der Produktion beschäftigt und nur rund 20 Prozent von ihnen seien Frauen. Anteilseigner seien die Anbauer von Zuckerrüben, sagt er weiter. Die meisten dieser landwirtschaftlichen Betriebe seien Familienbetriebe und würden von Männern geführt. Dies mache eine Umsetzung der Quote schwierig.
Das grundlegende Problem ist demzufolge der Anteil von Frauen in den jeweiligen Industriesparten: Bei Heidelberg Cement ist man sich beispielsweise sicher, dass man die Quote bei den Aufsichtsräten der Anteilseigner erreichen könne. Auf Seiten der Arbeitnehmer werde es auch hier schwierig, sagt Pressesprecher Thomas Fichtl. Denn bislang sei der Frauenanteil in der Baubranche sehr gering. So seien Stellen in der Verwaltung zu 20 Prozent mit Frauen besetzt – im technischen Bereich dagegen nur zu rund 1 Prozent.
Eine Flexiquote, bei der der Anteil der Frauen in der Belegschaft im Aufsichtsrat wiedergegeben wird, habe man sich bereits vor einigen Jahren vorgenommen und dieses Ziel bei der Aufsichtsratswahl im Frühjahr erreicht. Auch die SAP hatte sich in den vergangenen Jahren Ziele gesetzt. Bereits im Mai 2011 habe die SAP bekanntgegeben, den Anteil von Frauen auf allen Führungsebenen bis 2017 auf weltweit 25 Prozent zu erhöhen, teilt uns ein Unternehmenssprecher mit: „Für ein Unternehmen, das vorrangig Mitarbeiter aus den sogenannten MINT-Fächern (Anmerkung der Redaktion: MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) rekrutiert, ist das ein ambitioniertes Ziel.“ Derzeit betrage der Anteil 21,1%. Drei Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2011.
Grundsätzlich halten die befragten Unternehmen wenig von einer Geschlechterquote. Sie wollen ihre Führungskräfte nach Qualifikation auswählen, teilen uns die Sprecher der SAP SE, die BASF SE und der Südzucker AG. Eine Quote sei dafür nicht zielführend. Stattdessen setzen die Unternehmen darauf, Frauen durch andere Maßnahmen in Führungspositionen zu bringen. So teilte ein Sprecher der SAP SE mit:
Bei der SAP liegt der Anteil an weiblichen Mitarbeitern insgesamt bei rund 30 Prozent. Dieser lässt sich aus unserer Sicht nur durch eine aktive Förderung, langfristige, nachhaltige Personalentwicklung und die Schaffung flexibler Arbeitsbedingungen weiter erhöhen.