Mannheim/Rhein-Neckar, 22. Mai 2014. (red/ms) Der angeklagte Emil S. hat gestanden, die litauische Studentin Gabriele Z. (20) getötet zu haben. Über die Details äußerte er sich nicht. Zu den anderen Tatvorwürfen ebensowenig. In seiner Erklärung heißt es, er bereue zutiefst, was er getan habe. Er sei bereit, „jede Strafe zu akzeptieren“. Und er entschuldigt sich bei der Mutter der Verstorbenen – ohne dafür schuldmindernde Umstände erwarten zu können.
Von Minh Schredle
Am vorangegangenen Verhandlungstag schilderte Gabrieles Mutter unter Tränen, wie es für sie war, ihre geliebte Tochter zu verlieren. Eine bewegende Szene. Sie und der Bruder der getöteten Studentin werden noch bis zum Wochenende in Deutschland bleiben und dann nach Litauen zurückkehren.
Hans Beust ist als Nebenkläger der Vertreter von Gabrieles Vater, welcher selbst nicht zur Verhandlung erscheinen konnte. Bevor der erste Zeuge am heutigen Verhandlungstag gehört werden konnte, kündigte er an, eine Erklärung verbunden mit einer Frage zu haben. Er richtet sich direkt an den Angeklagten:
Herr S., ich hatte gestern den Eindruck, dass sie sichtlich beeindruckt von den Worten von Frau Z. waren. Mir ist klar, dass sie sich eigentlich nicht zur Tat äußern wollen. Aber ich möchte sie darauf hinweisen, dass heute die letzte Gelegenheit wäre, gegenüber den Familienangehörigen Worte des Bedauerns auszudrücken, bevor diese wieder nach Litauen zurückkehren. Das wäre vielleicht wenigstens ein geringer Trost.
Das führt zu bislang spannendsten Szene der gesamten Verhandlung. Denn klar ist: Wenn der Angeklagte sein Bedauern ausdrück, ist ein Geständnis unumgänglich. Herrn Beust scheint es nicht darum zu gehen, die Wahrheit aus ihm herauszuholen – denn die Faktenlage ist ohnehin eindeutig. Er scheint vielmehr etwas Anstand wahren zu wollen.
Der Angeklagte schaut verunsichert auf. Sein Rechtsanwalt, Maximilian Endler, bittet, die Verhandlung für eine Viertelstunde zu unterbrechen. Er müsse sich zusammen mit dem Angeklagten und Rechtsanwältin Inga Berg beraten. Es dauert deutlich länger als eine Viertelstunde, bis es weiter geht.
Der Angeklagte wird eine Erklärung abgeben. Er wird allerings nicht selbst sprechen. Rechtsanwalt Endler verliest für ihn:
Frau Z.,
Für einen Moment herrscht absolute Stille im Gerichtssaal. Dann fährt er fort:
Ihre Tochter ist durch meine Hände gestorben. Was ist getan habe und wofür ich verantwortlich bin, bereue ich aus tiefstem Herzen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und es ungeschehen machen. Ich erwarte, angemessen bestraft zu werden und bin bereit, alles zu akzeptieren. Ich würde mein eigenes Leben geben. Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, die den Schmerz etwas lindern könnten. Ich bereue es und es tut mir sehr leid.
Einen Raunen geht durch den Saal, unter den rund 30 Zuschauern bricht Gemurmel aus. Richter Ulrlich Meinerzhagen fragt beim Angeklagten noch einmal nach, ob er dem verlesenen Text, der ihm übersetzt wird, zustimmt. Emil S. nickt. Nebenklagervertreter Beust sagt:
Ich möchte mich beim Angeklagten und seiner Verteidigung bedanken.
In Mordfällen wirken sich Geständnisse nicht schuldmindernd aus. Rechtsanwalt Endler erklärt, dass er seinen Mandanten darauf hingewiesen habe – dieser habe dennoch seine Reue ausdrücken wollen. Zu den anderen Tatvorwürfen werde er sich laut Verteidigung nicht äußern.
Gabrieles Mutter hält während des Geständnisses ihre Hände vor ihr Gesicht. Ihre Tochter bringt das Geständnis nicht zurück. Doch für einen kurzen Moment ist ihr Blick, mit dem sie den Angeklagten ansieht nicht ganz so hart und durchdringend, wie sonst. Ohne Geständnis wäre Emil S. auch verurteilt worden, weil er schuldig ist. Mit dem Schuldeingeständnis übernimmt er jetzt wenigstens die Verantwortung und mildert ein wenig die Last – die Frage „Warum?“ wird aber niemals beantwortet werden.