Schriesheim/Rhein-Neckar, 22. Oktober 2012. (red/aw) Die heute erstmals von Veterinäramt und Verbraucherschutz veröffentlichten Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle zeigen, dass zwei Gaststättenbetriebe im Rhein-Neckar-Kreis gravierende Mängel bei der Betriebshygiene und Herstellungs- oder Behandlungsverfahren aufwiesen. So gravierend, dass das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis ihre Namen nun im Internet für jedermann zugänglich veröffentlicht. Ist das noch sinnvoller Verbraucherschutz oder schon übertriebene Anprangerung?
Von Alexandra Weichbrodt
Anm. d. Red.: Nach einer Verwaltungsgerichtsentscheidung dürfen die Namen nun doch nicht genannt werden. Wir haben den Beitrag anonymisiert.
Bereits vor einer Woche berichteten wir nach Informationen des Polizeipräsidiums Mannheim von Gaststättenkontrollen in Seckenheim, Ladenburg und Heddesheim. Detailliert und dennoch anonym waren die Ausführungen zu den Verstößen in Bezug auf illegale Beschäftigung und Überprüfung der gastätten-, gewerbe- und lebensmittelrechtlicher Bestimmungen der untersuchten Lokalitäten. Heute erfolgte erstmals über das Landratsamt eine behördliche Information, allerdings ohne Anonymisierung: Der Name des Betreibers, die Anschrift und die Betriebsbezeichnung werden samt behördlich festgestellter Mängel benannt.
Recht auf Information
Möglich macht dies, eine am 1. September in Kraft getretene, Gesetzesänderung des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) (BGBl. I S. 476), welches die Behörden dazu verpflichtet die Öffentlichkeit über Betriebe, die bestimmte Rechtsverstöße begehen, zu informieren.
In §40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches ist genau definiert, welche Tatsachenbestände dazu gegeben sein müssen:
Überschreitungen festgelegter Grenzwerte/Höchstgehalte/Höchstmengen im Anwendungsbereich des LFGB (Lebensmittel und Futtermittel) sowie alle sonstigen Verstöße gegen Hygienevorschriften oder Vorschriften, die dem Gesundheits- oder Täuschungsschutz dienen, wenn sie in nicht unerheblichem Ausmaß oder wiederholt erfolgen und bei denen ein Bußgeld von mindestens 350 € zu erwarten ist.
Besteht ein “hinreichender Verdacht“, darf nach Einhaltung des verwaltungsbürokratischen Protokolls der Name sowie der Betreiber der Gaststätte veröffentlicht werden. Ein Verdacht “muss auf Grund von Tatsachen nach pflichtgemäßer Überzeugung der Behörde hinreichend begründet sein”, schreibt das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auf Ihrer Informationsseite zu dem Thema.
Pressesprecher Bruno Müller vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis bestätigt das:
Der Gaststättenbetreiber erhält nach der Kontrolle eine schriftliche Mitteilung der festgestellten Mängel. Darauf kann er reagieren und Widerspruch einlegen.
Dieser wird daraufhin erneut geprüft und dann erst werde, im Falle einer Ablehnung des Widerspruchs, der Name der betroffenen Lokalität veröffentlicht. Bei weiteren Nachkontrollen könne der Betreiber der Gaststätte dann jedoch selbstständig daran mitwirken seinen Betrieb wieder von der “Liste zu kriegen”, so Bruno Müller.
Die schwarze Liste der Lebensmittelüberwachung
Dieses neue Gesetz betrifft nicht nur Gaststättenbetreiber, sondern auch Lebensmittelhersteller. Die Lebensmittelüberwachung informiert zukünftig auch aktiv über Lebensmittel, bei denen gesetzlich festgelegte Grenzwerte, beispielsweise erhöhte Pestizidgehalte in Obst und Gemüse, überschritten sind. Genannt werden dabei unter anderem Produktname, Hersteller bzw. Inverkehrbringer, gefundener Stoff, Analysenergebnis, erlaubte Höchstmenge und untersuchte Charge. Unter www.lebensmittelwarnung.de kann sich der Verbraucher über aktuelle Hinweise zum Verzehr bedenklicher Lebensmittel informieren und somit gegebenenfalls schützen.
Dem, zur Veröffentlichung benötigtem, hinreichenden Verdacht geht nicht selten ein Hinweis aus der Bevölkerung voraus. Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure e.V. empfiehlt dem Verbraucher eine Beschwerde zeitnah zunächst an den Verkäufer oder Gastwirt zu richten. Zeigt sich dieser nicht einsichtig, sollte die Lebensmittelüberwachung informiert werden. Ansprechpartner ist in der Regel das Veterinär- oder Landratsamt des jeweiligen Wohnkreises. Die Verbraucherbeschwerde ist persönlich, schriftlich oder telefonisch möglich. Anonymität wird gewährleistet.
Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis informiert auf ihrer eigenen Homepage unter dem Menüpunkt “Bürgerservice – Verbraucherschutz / Lebensmittelüberwachung” per pdf-Datei über die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen.
Bürger-Service vs. öffentliche Anklage
Bürgerservice? Ja, das kann man darunter verstehen. Es ist ja auch eine prinzipiell gute Sache, sich vor einem Restaurantbesuch über die hygienischen Zustände zu informieren. Findet man nichts, ist entweder alles in Ordnung oder aber das Veterinäramt war noch nicht da. Oder es gibt Mängel – aber nicht so gravierend, dass Betrieb und Betreiber an den Pranger gestellt werden. Denn wie die Information der Polizei der vergangenen Woche zeigt: Nicht alle Verstöße sind veröffentlichungswürdig. Sind sie deswegen aber für einen Gast weniger?
So wurden in Ladenburg “bei den Kontrollen eine Reihe von Hygienemängeln” festgestellt. Ausreichend für ein Bußgeld von 350 Euro waren diese nicht, daher keine öffentliche Nennung. Dennoch fragt man sich doch: Wo war das wohl? Bei meinem Lieblingsrestaurant in der Altstadt vielleicht? Nur, weil es nicht außerordentlich gravierende Mängel sind, sind es ja trotzdem Mängel. Und welche Mängel waren das?
“Machen Sie uns bitte nicht runter!”
Für die ersten zwei Gaststättenbetreiber, die das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis nun veröffentlicht hat, fangen die Probleme wohl jetzt erst richtig an. Es handelt sich dabei um das “XXX” in Heiligkreuzsteinach und das Restaurant “XXX” in Schriesheim. Nicht nur, dass diese beiden nun die behördlichen Auflagen unter Beobachtung der Öffentlichkeit erfüllen müssen, sie müssen vor allem mit der öffentlichen Schmach umgehen.
Betreiber und Inhaber des Restaurants XXX ist sichtlich erschüttert von der Veröffentlichung seiner Kontrollergebnisse und rechtfertigt den hygienischen Zustand seiner Küche auf unsere Nachfrage vor Ort so:
Ich war überlastet. Es war Urlaubszeit und ich war alleine.
Verschmutzungen seien aber kein Zeichen für Inkompetenz oder minderwertige Lebensmittel. Seinen Gästen käme immer nur das Beste auf den Teller. Die Behörden hätten schon seinen Vater auf dem Kieker gehabt, erzählt er. Das Haus wirkt alt, die Fenster sind schmutzig, die guten Zeiten liegen augenscheinlich schon lange zurück.
Aber die Hygienemängel habe er alle gleich behoben, beteutert der Inhaber. Dass sein Restaurant nun trotzdem öffentlich kritisiert wird, macht ihm Sorgen:
In Schriesheim muss man als Gastronom ohnehin kämpfen, es ist anspruchsvoll.
Zugegeben, wer geht schon gerne in ein Lokal, dem das Veterinäramt “ekelerregende Herstellungs- oder Behandlungsverfahren” bescheinigt? Da vergeht einem der Appetit. Und kommt man denn wieder, wenn der Name von der “Schwarzen Liste” runter ist? Der Besuch nicht weiter gesundheitsgefährdend ist? Dafür braucht es Vertrauen – und ist das erstmal zerstört… Hat der Wirt also nach einer Veröffentlichung einer solch, wenn auch zurecht, vernichtenden Beurteilung überhaupt noch eine Chance auf gute Geschäfte? Das kann man durchaus bezweifeln.
Die Gesetzesänderung wird also zunächst einmal für Abschreckung sorgen. Hoffentlich. Die Wirte sollten sich der Gefahr einer öffentlichen Anprangerung und einem in Folge dessen vermutlich heftig einbrechendem Geschäft bewusst sein. Genug Motivation vielleicht, um es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Denn leere Listen trotz umfassender Kontrollen würden die Bürger wohl am meisten beruhigen.