Mannheim, 21. Oktober 2013. (red/ld) Gefühle gehören zum türkischen Film, wie Salz in die Suppe: Am besten viel davon. Entgegen diesem Klischee zeigt der Gewinnerfilm des 22. Türkischen Filmfestivals Mannheim eine patriarchale Gesellschaft, in der Gefühle kein Thema sein dürfen. Und er erzählt die Geschichte zweier Menschen, die aus dieser Gesellschaft ausbrechen. Die Jury aus Ahmet Boyacioglu, Gülsel Özkan, Kathrin Lämmle und Michael Spiegel lobte neben der Geschichte, die Regisseurin Pelin Esmer erzählt, die „einfühlsame“ Kameraführung.
Von Lydia Dartsch
Gut zwei Stunden lang habe man diskutiert, sagte Herr Boyacioglu. Dabei seien zwei Filme schnell in die engere Auswahl gekommen. Am Ende sei die Entscheidung für „Gözetleme Kulesi/Wachturm“ einstimmig gefallen. Den Preis nahm Ismet Eraydin, Regisseur von „Tepenin Usaklari/Die Jungs vom Hügel“ in Vertretung für Frau Esmer entgegen.
„Watchtower“ (trailer) 2012 from Sinefilm on Vimeo.
Beim Publikum kam dagegen „Uzun Hikaye/Lange Geschichte“ von Regisseur Osman Sinav am besten an und gewann den Publikumspreis, den Ahmet Boyacioglu in Vertretung für den Osman Sinav entgegen nahm: Dieser Preis werde ihn sehr freuen, sagte Herr Boyacioglu. Einer Besucherin bescherte ihre Teilnahme an der Wertung eine dreitägige Reise nach Beyoglu Istanbul.
Insgesamt waren die Veranstalter zufrieden. Es seien mehr Besucher zum Türkischen Filmfestival gekommen, als im vergangenen Jahr, sagte Festivalleiter Kanber Altintas. Auch der zusätzliche Spielort im Karlstorkino in Heidelberg sei gut angenommen worden. Ihm sei vor allem der kulturelle Austausch wichtig. Der sei in diesem Jahr gelungen, sagte er uns:
Dieser kulturelle Austausch findet immer statt beim Festival. Die Besucher sind daran sehr interessiert. Das sehen wir daran, dass sie nach den Filmen noch so lange bei den Filmgesprächen bleiben – über eine Stunde nach dem Film. Das ist toll.
Der Landtagsabgeordnete Wolfgang Raufelder (Grüne) lobte die Kulturarbeit, die durch das türkische Filmfestival geleistet werde und bedankte sich dafür. Er könne sich keinen besseren Weg vorstellen, um mehr von anderen Kulturen zu erfahren, als über die Filme und den anschließenden Dialog mit den Kulturschaffenden.
Viele der türkischen Filme haben die Liebe zum Thema, sagte Mustafa Baklan, der seit 2010 mit der Unternehmensgruppe Baktat der Hauptsponsor des Festivals ist. Er drücke seine Liebe zur Kultur und zur Metropolregion durch dieses Sponsoring aus. Es sei schade, dass das Interesse und die Zuschauerzahlen so gering seien. Er rief Gäste und Sponsoren auf, sich stärker am Festival zu beteiligen, Filme vorzuschlagen und die Vorstellungen mit Freunden und der Familie zu besuchen:
Die Kritiken waren nicht ganz unberechtigt. Wir haben ein paar Fehler gemacht.
Im Anschluss an die Preisverleihung hatten die rund 150 Zuschauer die Wahl: Kino oder Konzert? Sie konnten sich entweder den Gewinnerfilm ansehen, der direkt im Anschluss gezeigt wurde, oder in den Musikpark im Mannheimer Hafen gehen, wo die türkischstämmige Jazzsängerin Karsu ein Konzert zum Abschluss des Festivals gab und die Closingparty gefeiert wurde.
Für das nächste Jahr kündigte Festivaldirektor Altintas schon jetzt ein „spannendes Programm“ an. Schließlich feiere die türkische Filmkunst dann ihr hundertstes Jubiläum. Auch das Karlstorkino in Heidelberg werde wieder als Spielort genutzt.