Mannheim/Deutschland, 22. Februar 2025. (red/pro/Beitragsbild Wahlrecht.de) Es gibt bislang kaum gescheite Ausblicke zur Bundestagswahl 2025, denn die traditionellen Medienhäuser trauen sich nicht wirklich an das Thema ran und wenn, mit sehr viel Zurückhaltung. Es zeichnet sich dabei seit Wochen ab, dass diese vorgezogene Wahl nach dem Bruch der Ampel keine dringend notwendige Verbesserungen und eine stabile Regierung bringen wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. Mit dieser Wahl geht das Hauen und Stechen in Politik und Gesellschaft erst richtig los. Zur Wahl steht das Schicksal der Union.
Von Hardy Prothmann
Die Ergebnisse der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 liegen dann vor, wenn ausgezählt ist, das ist eine Binse. Trotzdem lassen sich am Vorwahlabend auf Basis der letzten Umfragen einige Wahrscheinlichkeiten voraussagen, die vor wenigen Wochen eher nicht durchgedacht worden sind.
Das hat mehrere Gründe: 1. Schneiden die Unionsparteien sehr wahrscheinlich doch schlechter ab und erreichen eher keine 3 vorne. Zweitens hält sich die AfD nicht nur stabil bei über 20 Prozent und könnte noch zulegen. 3. Hat Die Linke einen Endspurt hingelegt, den so kaum jemand für möglich gehalten hätte und es ist vermutlich nicht mehr die Frage, ob sie die 5-Prozent-Hürde überspringt, sondern wie deutlich. 4. Zittern FDP und BSW bei 4,5 Prozent um den Einzug, denn 3. Direktmandate sind in weiter Ferne.
Der 21. Deutsche Bundestag hat damit mindestens fünf, möglicherweise sieben Parteien/Fraktionen, die die neu auf die Zahl 630 beschränkten Sitze unter sich aufteilen müssen.
Ich persönlich gehe davon aus, dass es fünf Parteien werden, also FDP und BSW es nicht schaffen, ich stelle weiter unten diese Konstellation trotzdem dar.
Die Legislatur entscheidet über das Schicksal der Union
Welche Regierung, das ist die wichtigste Frage, ist möglich? Die entscheidendste Frage ist: Wird diese Wahl das Schicksal der Unionsparteien besiegeln?
Wie gesagt, letztlich kommt es entscheidend auf das tatsächliche Wahlergebnis an, aber: Die Unionsparteien CDU/CSU werden zwar stärkste Kraft im Bundestag, doch das könnte historisch gesehen, das letzte Mal sein.
Denn sie wird koalieren müssen. Die Option schwarz-grün gilt dabei als ausgeschlossen (parteipolitisch wie vom Ergebnis her), ebenso schwarz-rot-rot oder schwarz-grün-gelb. Denkbar wären schwarz-rot, sollte das für eine Mehrheit reichen oder zwei Varianten: schwarz-rot-gelb oder schwarz-rot-grün.
Angesichts der aufgewühlten Lage zwischen allen Lagern, außer rot-grün, die sich noch vermeintlich ruhig zueinander verhalten, ist keine der wahrscheinlichen Koalitionen in irgendeiner Weise eine solide Basis für die Unionsparteien. Diese werden eine von linken Dogmen getragene Regierungspolitik machen müssen – aus Rücksicht auf den Koalitionspartner. Das ist nur ausschließbar, wenn man sich auf einen kleinsten Nenner einigen würde, mit dem man über die Legislatur kommt. Doch dafür sind die aktuellen Handlungsfelder, ob Migration, Rezension, Krieg in der Ukraine, Situation der EU für sich allein und allesamt zu mächtig, um sich mal eben vier Jahre ausruhen zu können.
Politik ist immer auch Psychologie
Die Psychologie spielt dabei eine ganz enorme Rolle.
Ich betrachte zuerst die Unionsparteien: Alles unter einem Ergebnis von 30 Prozent bedeutet zwar die Stellung als stärkste Kraft, aber ohne ohne Schwung und weit abgeschlagen von früheren Ergebnissen in Richtung 40 Prozent und darüber. Gegenüber 2021 (24,1 Prozent) eine Erholung, aber sicher kein Erstarken mit neuem Elan. Ein Ergebnis ohne 3 vorne wäre psychologisch trotz „Sieg“ eine Niederlage.
Die SPD ist nach dem Erfolg 2021 mit 25,7 Prozent ist alles, was morgen folgt, eine derbe Niederlage, egal, ob 14,15 oder 16 Prozent. Das zu erwartende Ergebnis ist der Tiefpunkt nach dem Desaster von 2017 mit 2ß,5 Prozent. Die SPD ist keine sogenannte Volkspartei mehr. Unter Kanzler Scholz hat sie sich endgültig demontiert und mit diesem zieht sie als Kanzlerkandidat in die Wahl, um haushoch zu verlieren. Das wird in der Partei böses Blut bringen.
Die Grünen kommen vermutlich vergleichsweise ungeschoren aus dem Desaster der aktuellen Ampel-Regierung heraus. Sie verlieren, aber auf hohem Niveau. 14,8 Prozent 2021 waren mit Abstand das beste Ergebnis seit 1980, die Wählerschaft ist ideologisch noch gefestigt und realistisch sind rund 12 Prozent im Mittel.
Die FDP hingegen hat aus der Vergangenheit nichts gelernt – man belohnt den Königsmörder nicht. Die Partei hat die Ampel platzen lassen, ging als „gekündigt“ vom Platz und wird aller Voraussicht nach nicht im 21. Bundestag vertreten sein.
Die Linke legt einen Schlussspurt vor, der auf den ersten Blick atemberaubend ist, aber nicht wirklich. 2009 ist sie mit 11,9 dann auf 4,9 Prozent 2021 abgestürzt. Das Potenzial über 5 Prozent und um 8 Prozent hat die Partei nach wie vor, insbesondere durch die Schwäche der SPD. Das BSW ist keine wirkliche Konkurrenz für die Linke, eher für die SPD, aber auch die AfD.
Mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten ist das BSW ein Phänomen, aber auch nicht so wirklich. Der Osten ist bei weitem volatiler, was die Wählerbindung angeht, hier gab es sogar einen linken Ministerpräsidenten, undenkbar für den Westen, hier ist das Kernland der AfD und Platz für das BSW, das der AfD zugesetzt hat. Das BSW kann jeden Prozentpunkt bei dieser Bundestagwahl als Erfolg verbuchen, auch, wenn es nicht für den Einzug in den Bundestag reicht.
Ich weiß – jetzt wird es spannend. Der absolute Wahlsieger dieser Bundestagswahl, das wissen alle, aber die meisten trauen sich nicht, das so zu formulieren, wird die AfD sein. Erst 2013 gegründet, ist die AfD die erfolgreichste Neugründung einer Partei nach 1949. Sie schlägt vor allem die Grünen um Längen. Jedes Ergebnis, sogar unter 20 Prozent ist völlig bemerkenswert, sollte es die Partei schaffen, ihr Ergebnis von 10,3 Prozent 2021 sogar mehr als zu verdoppeln, dann ist das eine Sensation.
Um das deutlich zu machen: Weder Grünen, noch Die Linke noch FDP sind solche Wahlerfolge in so kurzer Zeit auch nur annähernd gelungen. Besonders schmerzhaft wird die BTW25 für die SPD sein, die durch die AfD, ihr großes Feindbild, völlig degradiert sein wird.
Die sich abzeichnende Erholung für die Unionsparteien bei gleichzeitiger Abwertung der SPD muss psychologisch eingeordnet werden. Mit einer Geschichte, mit einem Begriff. Regieren ist nicht nur Gesetze auf den Weg bringen und Tagesgeschäfte erledigen, sondern immer auch eine Story, ein Begriff. Betrachten wir die bisherigen Kanzler:
- Konrad Adenauer (1949–1963) – Architekt der Bundesrepublik
- Ludwig Erhard (1963–1966) – Wirtschaftswunder-Kanzler
- Kurt Georg Kiesinger (1966–1969) – Brückenbauer
- Willy Brandt (1969–1974) – Versöhner
- Helmut Schmidt (1974–1982) – Krisenmanager
- Helmut Kohl (1982–1998) – Europäer
- Gerhard Schröder (1998–2005) – Reformer
- Angela Merkel (2005–2021) – Kanzlerin der Krisen
- Olaf Scholz (2021-2025) – Zauderer
- Friedrich Merz (voraussichtlich 2025-?) Totengräber oder Reformer?
Und Friedrich Merz? Welche Rolle wird er einnehmen als Kanzler angesichts einer völligen Spaltung der Gesellschaft? Er kann nur scheitern, wenn er die Brandmauer als Dogma vor sich herträgt. Nach links verlieren er und die Union die letzten Reste des konservativen Profils in linker Lauge, nach rechts steht sich die Union selbst im Weg, die es in früheren Jahrzehnten immer erfolgreich geschafft hatte, rechts neben sich keine solche Dynamik sich entwickeln zu lassen, wie es der AfD ermöglicht worden ist.
Zusammen mit der AfD hätte die Union eine brachiale Mehrheit und könnte alles an konservativer Politik umsetzen, was viele Bürger im Land erwarten. Die Brandmauer-Rhetorik verhindert das bislang, aber die Abstimmung zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ durch die AfD hat gezeigt, dass die Brandmauer nicht zu halten ist. Die AfD kann in der neuen Legislatur mit ihrem Abstimmungsverhalten enormen Einfluss ausüben.
Die AfD kann warten
Die tatsächlich aussichtsreiche Lösung für die Union, um aus dem Dilemma herauszukommen, wäre eine Minderheitsregierung, die sich Mehrheiten, an Sachpolitik orientiert, sucht – und auch Stimmen der AfD als demokratische Abstimmung in Kauf nimmt. Es wäre auch die vernünftigste, denn dann würde das passieren, was immer wieder in den Raum gestellt wird: Die AfD sei noch nie in Verantwortung gewesen und wenn, würde sie sich entzaubern. Wenn dem so wäre, wäre sie halt entzaubert, wenn nicht, eingehegt in der Realpolitik und mit in der Verantwortung.
Wenn die These zutrifft, was naheliegend ist, dass die AfD vor allem von Fehlentscheidungen der „etablierten Parteien“ profitiert, wird nicht die BTW25 historisch sein, sondern spätestens die BTW29 – denn dann könnte die AfD stärkste Kraft im Deutschen Bundestag werden. Und dann, Union? Was dann? Juniorpartner für die Blauen oder Neuorientierung als linkskonservative Kraft? Oder starke konservative Kraft mit der Wahl zwischen FDP oder AfD?
Das Schicksal der SPD als Volkspartei ist besiegelt. Die Union steht vor der historischen Weichenstellung, ob sie diesem Vorbild folgt oder nicht. Die AfD kann warten – ihre Zeit kommt unausweichlich.
Ein Blick nach Italien genügt – dort weiß man heute kaum noch, wer die DC war, die Democrazia Cristiana, vergleichbar mit der Union bei uns. Die ist seit 1994 Geschichte.
Herr Merz kann als der Totengräber oder der Reformer werden, das entscheidet sich in der kommenden Legislatur.
Hinweis:
Egal, was Sie wählen, gehen Sie wählen. Auch die Parteien, die nicht über 5 Prozent kommen, profitieren von Ihrer Stimme, da Parteien, die weniger als 5?Prozent bei der Zweitstimme erreichen, Zuschüsse erhalten, sobald sie mehr als 0,5?Prozent erreichen. Diese Zuschüsse sind im Vergleich zu denen für die Parteien im Bundestag begrenzt, helfen aber auch kleineren Kräften bei der politischen Willensbildung.