Rhein-Neckar, 22. Februar 2016. (red/pro) Flüchtlinge in einem Bus werden durch einen aggressiven Mob in Clausnitz belagert. Das ist widerwärtig. Grölendes Pack, das den Brand einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bautzen bejubelt und die Feuerwehr behindert, macht fassungslos. Und wenn der Mob dann noch grölt „Wir sind das Volk“, dann muss Schluss sein. Politik und Gesellschaft müssen ein Zeichen setzen – eins, das sogar hirnverbrannte Widerlinge verstehen.
Von Hardy Prothmann
Nein. Menschen, die gegen andere Menschen voller Aggression auftreten und „Wir sind das Volk“ grölen, sind nicht das Volk. Sie sind nicht repräsentativ für Deutschland. Aber sie bereiten Deutschland eine große Schande. Sie sind kein Volk, sondern Mob und Pöbel. Sie sind Schänder.
Hirnverbrannte Widerlinge
Was sich aktuell in Clausnitz und Bautzen zugetragen hat, muss politische Konsequenzen haben. Warum gibt es bis heute keine gesetzliche Regelung, die Aufzüge vor Flüchtlingsunterkünften verbietet und unter Strafe stellt? Das würde die Versammlungsfreiheit nicht behindern. Versammeln kann man sich auch anderswo.
Wer als Mob derart Menschen bedrängt, ist ein Gewalttäter. Da müssen nicht erst Brandsätze fliegen. Hier lodern schon die Flammen lauter hirnverbrannter Widerlinge.
Man kann der Meinung sein, dass die Zahl der Flüchtlinge zu groß ist und Deutschland es eben nicht schafft, diese ordentlich zu integrieren. Aber „Haut ab“-Rufe ist keine Meinung, sondern eine Drohung. Und die Bedrohungsfreiheit steht nicht im Grundgesetz.
Der Rechtsstaat muss sich durchsetzen – auch im Bewusstsein
Gegen fremdenfeindliche Mobs hilft nur ein starker Staat und eine starke Gesellschaft. Was nicht hilft, ist das reflexartige dagegenmobben von der anderen Seite. Schon gar nicht, wenn noch nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Insbesondere die Angriffe gegen die Polizei schüren eine Rechtsstaatsfeindlichkeit – rechts und links und leider auch zunehmend in der Mitte. Hier sind insbesondere die Medien in der Verantwortung, nicht auf die Schlagzeile zu geilen, sondern exakt zu berichten.
-Anzeige- |
Die Polizei hat offenbar Zwang angewendet, um die Flüchtlinge aus dem Bus zu evakuieren. War das richtig oder falsch? Das müssen die Ermittlungen ergeben. Sollte es zutreffend sein, dass Flüchtlinge den Mob noch zusätzlich provoziert haben, dann hatten sie dazu kein Recht, haben sich selbst noch mehr in Gefahr gebracht und die Lage verschärft. Und dann sind auch Ermittlungen gegen diese Personen gerechtfertigt. Eine Polizei, die dafür sorgt zwei Gruppen zu trennen, um zu deeskalieren, verhält sich verantwortungsvoll und richtig. Wer das kursierende Video als „Polizeigewalt gegen Flüchtlinge“ uminterpretieren will, verhält sich verantwortungslos. Möglicherweise ist zur Deeskalation auch Zwang notwendig – die Polizei hat das Gewaltmonopol. Wie gesagt – ob dieses richtig eingesetzt worden ist, weiß man aktuell noch nicht.
Man kann keinem Mob verbieten, „Wir sind das Volk“ zu grölen. Man kann aber weniger hysterisch darauf reagieren und wissen, dass ein solcher Mob eben nicht das deutsche Volk ist, sondern nur eine Anhäufung von Menschen, die sich auf widerwärtigste Art verhalten.
Volk darf man nicht den Rechten überlassen
Die, die ein Problem mit dem Begriff „Volk“ und „Deutsches Volk“ haben, müssen darüber nachdenken, ob sie den Ruf dem rechten Mob überlassen oder lieber selbst besetzen wollen. Als aufrechte Demokraten, die stolz auf unsere freiheitliche Rechtsordnung in Deutschland sind und diese gegen alle Feinde verteidigen. Ob Kriminelle, Terroristen, Rechtsradikale oder Linksradikale – eben alle, die diese Ordnung aus unterschiedlichsten Gründen nicht nur beschädigen, sondern abschaffen wollen.
Die Demokraten von Clausnitz und Bautzen sind in der Plicht, ein friedliches und vernünftiges Zeichen gegen diese Hirnverbrannten zu setzen, die unter ihnen leben. Dabei dürfen Sie gerne rufen:
Wir sind das Volk und ihr seid eine Schande.
Vielleicht ist vor Ort alles schon so sehr vergiftet, dass man Hilfe von außen braucht. Ich wünschte mir, dass die Kanzlerin Dr. Angela Merkel endlich mal ein Zeichen setzt und mit ihrem kompletten Kabinett in Clausnitz anreist und allen klar macht, dass sie solche Zustände nirgendwo in Deutschland duldet und mit allen Mitteln – davon hat sie einige – dagegen angehen wird. Sie kann dort eine klare Ansage machen, beispielsweise, dass man gegen fremdenfeindliche Mobs mit allen Mitteln vorgehen wird. Und danach kann sie meinetwegen auch ein Selfie mit Flüchtlingen machen.
Anm. d. Red.: Unsere Kolumne Montagsgedanken greift außerhalb des Terminkalenders Themen auf – ob Kultur oder Politik, Wirtschaft oder Bildung, Gesellschaft oder Regionales oder Verkehr. Teils kommen die Texte aus der Redaktion – aber auch sehr gerne von Ihnen. Wenn Sie einen Vorschlag für Montagsgedanken haben, schreiben Sie bitte an redaktion (at) rheinneckarblog.de, Betreff: Montagsgedanken und umreißen uns kurz, wozu Sie einen Text in der Reihe veröffentlichen möchten.
Gefällt Ihnen meinungsstarker Journalismus?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für informativen, hintergründigen Journalismus. Hier geht es zum Förderkreis.