Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 22. Oktober 2016. (red/pro/ck) 30 Opfer, darunter drei Tote, sechs Menschen kämpfen noch um ihr Leben. Diese Bilanz des Störfalls bei der BASF am 17. Oktober ist erschütternd. Es hätte noch viel mehr Opfer geben können, wäre die Wetterlage eine andere gewesen. Stadt Ludwigshafen und die Berufsfeuerwehr haben am Freitag ihre Messungen vorgestellt und die Maßnahmen erläutert. Danach bestand glücklicherweise keine Gefahr für die Bevölkerung und die Vorsichtsmaßnahmen waren angesichts der unklaren Lage im Wortsinn notwendig.
Von Carsten Kränzle
Fünf Tage nach der gewaltigen Explosion im BASF-Werk Ludwigshafen sitzt die Betroffenheit mit am Tisch. Die gigantische Explosion auf dem Werksgelände der BASF forderte 30 Opfer, darunter drei Tote und sechs Menschen, die immer noch um ihr Leben kämpfen.
Pressekonferenz der Stadt Ludwigshafen in der Hauptfeuerwache am Kaiserwörthdamm. Die Mienen sind ernst:
Der Vertrauensvorschuss ist aber durch die vielen Ereignisse, die dieses Jahr schon vorgefallen sind, zumindest in Teilen durchaus erschüttert,

Bienert
sagt Dieter Feid (SPD), Beigeordneter der Stadt Ludwigshafen. Der Bürgermeister fordert rückhaltlose Aufklärung durch die BASF und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen.
Mit am Tisch sitzen Klaus Dillinger (CDU, Umweltdezernent), Peter Friedrich als Leiter der Feuerwehr Ludwigshafen sowie Dr. med. Thomas Bienert, Ärztlicher Leiter des Gesundheitsamtes Rheinpfalz-Kreis. Ein Vertreter der BASF ist nicht anwesend.
Schwallartige Geruchsbelästigungen – viele Messeinsätze
Die amtlichen Vertreter tun das, was die Bevölkerung erwartet – Aufklärung über mögliche Gefahren zu geben.
Am Unglückstag melden viele Bürger und auch Mitglieder der Berufsfeuerwehr Ludwigshafen Reizungen der Atemwege. “Schwallartige Geruchsbelästigungen” seien aufgetreten. 15 Messeinsätze wurden deshalb gefahren.
Die Gefahrenlage für die Bevölkerung war nicht einschätzbar,
sagt Feuerwehrchef Friedrich. Daher traf die Berufsfeuerwehr in Absprache mit der Stadt Ludwigshafen umfassende Maßnahmen: Sirenen-Alarm, die Meldung an Bürger über die Katastrophen-Apps Katwarn und Nina sowie Meldungen an die Medien wurden binnen kurzer Zeit veranlasst. Hinweise, Fenster und Türen geschlossen zu halten und den Aufenthalt im Freien zu vermeiden, seien vorsorglich erfolgt.

Tage nach dem Störfall ist die Feuerwehr immer im Landeshafen Nord präsent – es wird die Luft gemessen, Bodenproben werden genommen.
Das moderne EDV-gestützte System Sams läuft kurz nach der Explosion auf Hochtouren: Diese Technik wertet erste Messungen der Feuerwehr aus, die Ergebnisse werden online an umliegenden Feuerwehren aus Worms, Speyer und Kaiserslautern versendet.
Keine Gefährdung der Bevölkerung

Messwagen der Berufsfeuerwehr Ludwigshafen.
Vier ABC-Erkundungsfahrzeuge, ausgestattet mit Technik der Bundeswehr, kontrollieren die nördlichen Stadtgebiete Oppau, Edigheim und Pfingstweide. Ab Dienstag muss Friesenheim ebenfalls bemessen werden. Sensible Einrichtungen wie das Klinikum werden messtechnisch durch die ABC-Erkunder kontrolliert.
Den Meldungen von Bürgern über Reizungen der Atemwege und der Augen und Geruchsbelästigung wird ebenso nachgegangen. An sämtlichen Orten, von wo Bürger Beschwerden meldeten, zeigten sich bei der zeitverzögerten Kontrolle keine bedenklichen Erhöhungen der Luftmesswerte.
Lediglich in der Pfingstweide konnten nach gemeldeten Beschwerden „leicht erhöhte“ Messwerte festgestellt werden.
Der problematischste, krebserregende Stoff Benzol überstieg an keine Stelle im Stadtgebiet die Akzeptanzgrenze von 200 µg/m3,
sagt Dr. Bienert. Im Hafen und Am Hansenbusch wurden 50 µg/m3 gemessen. Zudem wurden noch Ethylbenzol und Toluol nachgewiesen.
Glück im Unglück
Entscheidend ist, dass Feuerwehr und Stadt vorsorglich richtig gehandelt haben – die Lage war unklar und in erheblichem Maß bedrohlich.
Die umfangreichen Warnungen waren aus Sicht der Redaktion absolut notwendig, auch wenn sich im Nachhinein herausstellte, dass die Luftbelastung in weiten Teilen der Stadt nicht gesundheitsschädlich war.
Das verdankt man vor allem der “günstigen” Wetterlage – giftige Stoffe zogen so wie in einem Kamin in die Atmosphäre ab, statt sich in Bodennähe auszubreiten. Eine Inversionswetterlage hätte die Situation drastisch verschlimmern können.
Aufklärung durch BASF gefordert
Unklar ist nach wie vor, wie sich das Unglück ereignen konnte und wieso die zwei Mitglieder der Berufsfeuerwehr sowie ein Matrose eines anliegenden Schiffes sterben mussten. Von den acht schwerverletzten Personen kämpfen immer noch sechs auf der Intensivstation um ihr Leben.
Die Betroffenheit über die hohe Zahl der Opfer und eine durchaus erhebliche Gefahr für die Bevölkerung ist bei den städtischen Vertretern nicht zu übersehen.
Und der Ärger über das weltgrößte Chemieunternehmen BASF – von hier erwartet man eine lückenlose Aufklärung, um das verloren gegangene Vertrauen wiederzuerlangen.
Kommende Woche, am 27. Oktober will sich der BASF-Vorstand zum Störfall äußern – dann sind zehn Tage vergangen. Ausreichend Zeit, mehr als nur dünne Angaben zu machen.
Weitere Informationen gibt es im unter www.ludwigshafen.de und auf dem Twitterkanal der Stadt Ludwigshafen. Das Info-Telefon der Feuerwehr unter der Nummer 0621/ 5708-6000 bleibt weiterhin geschaltet.