Mannheim, 22. Juni 2015. (red) Die Stadt Mannheim beschäftigt ab dem ersten Juli „einen Beauftragten“ für die Chancengleichheit von Menschen vielfältiger sexueller und geschlechtlicher Identitäten. Die neu geschaffene Stelle wird zur Hälfte durch Grace Proch und Sören Landmann besetzt. Wozu braucht es eine solche Stelle?
Von Christin Rudolph
Die Vielfalts- und Antidiskriminierungspolitik umfasst unter anderem die Weiterentwicklung des Mannheimer Aktionsplans für Toleranz und Demokratie. Nun wird der städtische Fachbereich Internationales, Integration und Protokoll um eine Chancengleichheitsstelle hinsichtlich nicht-heterosexueller orientierter Menschen ergänzt.
„Anders“ zu sein, ist bis heute noch oft ein Tabu
Gerade in der aktuellen Diskussion über die Homo-Ehe zeigen breite Bevölkerungsteile Toleranz und Respekt – doch Fälle wie das Coming-Out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger im „harten“ Männersport Fußball bleiben weiterhin Tabu und damit Einzelfälle. Das Medieninteresse konnte bis heute keine nachhaltige Veränderungsprozess anstoßen. Über alltägliche und nicht immer offensichtliche Ausgrenzung wird kaum berichtet.
Auch in Schulen sind beispielsweise homosexuelle Jugendliche bis heute von Lehrern und Mitschülern umgeben, die Homosexualität als „nicht normal“ ansehen. Die Folge ist ein unfreies Leben – man muss sich und seine Neigungen gegenüber andern verleugnen. Beispiel katholische Kirche: Homosexualität wird zwar häufig „geduldet“, wer sich aber offen zu einer anderen sexuellen Orientierung als der Heterosexualität bekennt, erfährt Ausgrenzung und verliert oft auch den Job. Und auch konservative Migrantenmilieus gehen nicht eben „verständnisvoll“ mit sexuellen Orientierungen um, die nicht dem traditionellen Bild entsprechen.
Gegen Diskriminierung – für Aufklärung
Mannheim will als multikulturelle Metropole ein Vorbild für ein Zusammenleben sein , in dem auch die Belange von Minderheiten respektiert werden.
Dirk Grunert, Fraktionssprecher der Grünen, sagt: „Beispielsweise in Einrichtungen für alte Menschen ist man nicht darauf eingestellt. Wir haben jetzt die erste Generation von geouteten nicht-heterosexuellen in den Pflegeeinrichtungen; auch darauf müssen wir uns einstellen.“
Zunächst soll die Bedarfslage ermittelt werden. „Örtliche Initiativen wie die Schwule-lesbische-Initiative in Mannheim (SchLiMm) brauchen einen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung“, so Herr Grunert. Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärungsaktionen wie die Organisation des Christopher Street Days (CSD) können dabei die gleichberechtigte Teilhabe von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ) fördern. Aber auch in Diskriminierungsfällen innerhalb der Stadtverwaltung wird nun Beratung angeboten. Außerdem sollen sowohl städtische als auch externe Fachstellen bei der Etablierung von Antidiskriminierungsstrukturen unterstützt werden.
Langer Weg bis zur Umsetzung
Schon 2011 beantragten Grüne und SPD, unterstützt von Die Linke, eine solche Koordinationsstelle. Doch erst in der zurückliegenden Haushaltsplanung wurden die Mittel dafür bewilligt. Ein Kooperationspartner dabei ist besagte SchLiMm (Definiert sich selbst als „ein Zusammenschluss von schwul-lesbischen Gruppen, Vereinen, Bündnissen, Organisationen und Parteien“). Vorbilder für solche Beauftragte gibt es bereits in Hannover, Köln und München. Mit diesen Stellen will man in Mannheim ein Netzwerk aufbauen. In München beispielsweise besteht seit 2002 eine erfolgreiche Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen mit zwei Fachangestellten.
Grace Proch studierte Religionswissenschaft, Philosophie und Psychologie in Heidelberg und London. Derzeit lehrt sie in Heidelberg. Ehrenamtlich engagiert sich in zahlreichen Projekten zum Thema LSBTTIQ.
Sören Landmann, gebürtiger Heidelberger, studierte in Trier Psychologie. Seit langem engagiert er sich haupt- und ehrenamtlich in verschiedenen Funktionen der Antidiskriminierungs- und Menschenrechtsarbeit mit den Themenschwerpunkten sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. So ist er unter anderem Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Aktionsbündnis gegen Homophobie“.