Mannheim, 21. Juli 2015. (red/ms) Die SPD hat Dr. Boris Weirauch als Landtagskandidaten für den Mannheimer Süden aufgestellt. Einen Gegenkandidaten – oder eine Gegenkandidatin – gab es nicht. Und obwohl Dr. Weirauch bei der Nominierung von der SPD-Politprominenz aus Mannheim beworben wurde, erhielt er nur knapp 80 Prozent der Delegiertenstimmen. Wie geschlossen wird die SPD im Wahlkampf auftreten? Hat sie Chancen, den Mannheimer Süden zu gewinnen? Wolfgang Raufelder (Die Grünen) gilt bislang als Favorit. Entscheidend könnte auch sein, wen die CDU aufstellt. Fest steht: Die Wahl im Süden wird spannend.
Von Minh Schredle
Freitag, 17. Juni, 19:00 Uhr: Auch in den Abendstunden ist es noch schwül und stickig in der Evangelischen Versöhungsgemeinde, Mannheim Rheinau. Die SPD nominiert ihren Landtagskandidaten für den Mannheimer Süden. Die Formalitäten werden binnen weniger Minuten abgehandelt – bis auf eine: Die Nominierung von Dr. Boris Weirauch.
Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Die Wahl von Herrn Weirauch war somit “alternativlos”. Dennoch wurde beinahe zwei Stunden lang für Dr. Weirauch und ein “geschlossenes Auftreten” der Partei geworben – mit eher mäßigem Erfolg.
Dr. Weirauch selbst sprach davon, er wolle sich dafür einsetzen, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und den Städten und Gemeinden mehr Möglichkeiten zu Mitbestimmung zu eröffnen:
Der Bund bestimmt, die Länder regeln und die Kommunen bezahlen – das kann so nicht weitergehen.
Aus seiner Tätigkeit als Stadtrat sei er mittlerweile vertraut damit, welche Herausforderungen und Probleme zu strikte Vorgaben mit wenig Handlungsspielraum für die Kommunen und Städte darstellen könnte.
Außerdem wolle er sich dafür einsetzen, die Wirtschaft weiter zu stärken, damit Baden-Württemberg international konkurrenzfähig bleibe. Es dürfe dabei aber “kein Wettbewerb auf Kosten der Lebensqualität” stattfinden – für diese Worte erhielt er großen Applaus aus dem Publikum.
Speisekarte von der SPD?
Eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte erachte er als notwendig, sagte Dr. Weirauch. Demonstraten müssten sich gegen staatliche Gewalt zur Wehr setzen können. Gleichzeitig sei es aber auch bedenklich, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte seit Jahren kontinuierlich zunehme.
“Grün-rot” – das komme ihm immer noch schwer über die Lippen. Vom Bild des Kochs und Gehilfen habe man sich inzwischen zwar entfernt. Aber:
Wir kochen gerne zusammen. Und wir kochen gerne bunt. Aber ab 2016 muss die Speisekarte wieder von der SPD kommen.
Das sind die abschließenden Worte von Herrn Dr. Weirauch. Die Anwesenden applaudieren. Doch diesmal ist der Applaus eher zurückhaltend – vielleicht liegt es an der Hitze. Aber Begeisterung geht anders.
Viel Werbung, wenig Inhalte
Gut 60 Gäste sind anwesend, aber nicht alle sind stimmberechtigt. Dafür haben die Ortsvereine Delegierte ausgewählt. Die Entscheidung wurde schließlich von 38 Personen getroffen. Zuvor warben verschiedene – mehr oder weniger bekannte – Genossinnen und Genossen, geschlossen für Herrn Dr. Weirauch zu stimmen. Darunter eher unbekannte Parteimitglieder, aber auch Politprominenz, wie der Bundestagsabgeordnete Stefan Rebman oder der Europaparlamentarier Peter Simon. Inhaltlich in die Tiefe ging es bei kaum jemandem.
Laut Peter Simon bringe “Boris Einiges mit für den Landtag”, da er sowohl die Wirtschaft als auch die Kommunen durch Beruf und Ehrenamt sehr gut kenne. Für die Wähler sei er damit “sicherlich die allererste Wahl”.
Baubürgermeister Lothar Quast sprach von einer “idealen Besetzung”, Herr Dr. Weirauch sei im Gemeinderat stets durch sein großes Engagement aufgefallen und habe insbesondere bei Verkehrsthemen immer wieder hervorragende Vorschläge eingebracht. Auch der Bundestagsabgeordnete Stefan Rebman sprach von einem “herausragenden Kandidaten”.
Von den 38 Delegierten stimmten schließlich 30 für Dr. Weirauch.
Katzmarek gegen Cademartori
Für Spannung und Anspannung sorgte ein Wortbeitrag von Isabel Cademartori: Die Vorsitzende des Ortsvereins Mannheim-Innenstadt/Jungbusch kritisierte das Verfahren, in dem Dr. Weirauch als Landtagskandidat “festgelegt” worden sei:
Nach der plötzlichen Ankündigung von Helen (Heberer, die aktuelle SPD-Landtagsabgeordnete für den Mannheimer Süden), nicht mehr antreten zu wollen, hat sie ihren Nachfolger quasi selbst bestimmt.
Laut Frau Cademartori wäre “ein ergebnisoffenes Verfahren” besser gewesen. Außerdem kritisierte sie, dass nun beide Landtagskandidaten der Mannheimer SPD männlich sind und dass es unter den Mannheimer SPDlern “keine Frau in einer Spitzenposition” gebe. Damit verspiele man “mit dem Gerede von der Frauenquote” die Glaubwürdigkeit der Partei.
Baubürgermeister Lothar Quast entgegnete wenig später, dass die Bürgermeister sich “schon so ein bisschen als Spitzenpersonal betrachten” und dass man “mit der Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb sehr gut aufgestellt” sei. Laut Herrn Quast gehe es darum, den besten Kandidaten zu nominieren, den man aufstellen kann. Das Verfahren sei dabei eher zweitrangig.
SPD-Vorsitzender Wolfgang Katzmarek verteidigte das Nominierungsverfahren – es hätte “eigentlich nicht besser gemacht werden können”. Jeder habe sich ebenfalls aufstellen lassen können, wenn er gewollt habe. Um die Frauenfrage wolle man sich nicht drücken. Man dürfe aber auch die Verteilung im Mannheimer Gemeinderat nicht außer acht lassen:
Hier haben wir bei der Linken, den Grünen und der SPD sehr viele Frauen. Und auf der rechten Seite gar keine.
Tatsächlich sind von 13 SPD-Stadträten sieben weiblich und damit überdurchschnittlich vertreten. Trotzdem ist die Argumentation etwas schwach, um Defizite an anderer Stelle zu entschuldigen. Im Landtag hat die SPD aktuell 35 Abgeordnete. Darunter sind nur sieben Frauen. Das entspricht exakt 20 Prozent und ist somit weit unterdurchschnittlich. Im Landtag sind 28 der 138 Abgeordenten Frauen – das sind 20,3 Prozent.
Wie ernst meint die SPD es mit der Frauenquote?
Der Mannheimer Bundsetagsabgeordnete ist männlich, der Mannheimer Europaparlamentsabgeordnete ist männlich. Und jetzt werden zwei Männer als Landtagskandidaten nominiert – also eine Frau weniger als noch 2011. Vor diesem Hintergrund ist die Frage durchaus berechtigt, wie ernst man die eigene Forderung nach Gleichberechtigung nimmt.
Zutreffend ist: Es gab keine Gegenkandidatin für Dr. Weirauch. Dass allerdings nur 30 von 38 Delegierten für Herrn Dr. Weirauch stimmten – obwohl zuvor ausdrücklich dazu aufgerufen wurde, Geschlossenheit zu demonstrieren – ist zumindest ein Indiz dafür, dass er als Kandidat parteiintern nicht völlig unumstritten ist. Umso verwunderlicher, dass den SPD-Mitgliedern keine Alternative geboten wurde. Kleinere Kreisverbände haben das ja auch geschafft.
Die Wahl im Süden wird spannend
Cem Yalcinkaya, der Vorsitzende der Jusos Innenstadt/Jungbusch, appelierte im Anschluss an die Nominierung erneut, den beiden Kandidaten volle Unterstützung zukommen zu lassen und geschlossen aufzutreten:
Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam.
Momentan stehen die Chancen für Dr. Weirauch, das Direktmandat für den Mannheimer Süden zu gewinnen, eher gering – dafür bräuchte einen herausragenden Wahlkampf, so viel ist klar. Dr. Weirauchs Vorgängerin Helen Heberer ist im Mannheimer Süden vermutlich deutlich bekannter als er – und sie erreichte 2011 beim Kampf um das Direktmandat mit 27,9 Prozent der Stimmen nur den dritten Platz hinter CDU-Kandidat Claudius Kranz (28,4 Prozent) und Wolfgang Raufelder (Die Grünen, 29,6 Prozent).
Der Wahlsieg von Wolfgang Raufelder kam überraschend und dürfte stark mit der Fukushima-Katastrophe kurz vor der Wahl zu tun gehabt haben. Inzwischen gehört Herr Raufelder allerdings zu den bekanntesten Gesichtern der Mannheimer Politik und ist momentan zweifellos der Favorit für das Direktmandat. Allerdings ist sein Sieg alles andere als sicher.
Welche Chancen hat ein CDU-Kandidat?
Entscheidend wird sein, wen die CDU nominiert. Traditionell wählt der Mannheimer Süden bei Landtagswahlen eher “schwarz” und hat vor dem überraschenden Wahlsieg von Herrn Raufelder das Direktmandat über Jahrzehnte hinweg verteidigt.
Hinzukommt, dass der CDU-Kandidat Peter Rosenberger insbesondere in den einwohnerstarken Stadtteilen des Mannheimer Südens seine besten Ergebnisse erzielen konnte und im zweiten Wahlgang deutlich mehr Stimmen hinzugewinnen konnte als der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD). Wenn Herr Raufelder und Dr. Weirauch jetzt noch mit ihrem Wahlprogramm eine ähnliche Zielgruppe ansprechen und sich gegenseitig Wähler nehmen, könnte die CDU profitieren.
Im Mannheimer Norden dürfte das Direktmandat eindeutiger ausfallen: Stefan Fulst-Blei wird am kommenden Donnerstag offiziell als SPD-Kandidat nominiert und die Wahl im März gewinnen. Alles andere wäre sehr überraschend. Über den Süden Prognosen zu treffen, ist dagegen schwieriger – denn dafür sind noch zu viele Faktoren ungewiss.