Mannheim, 21. Mai 2014. (red) Die „Sicherheit“ ist eines der Top-Themen im aktuellen Wahlkampf. Der CDU-Vorsitzende Claudius Kranz hat schwerste Vorwürfe gegenüber der Polizei erhoben. Kann es sein, dass sich die Polizei weigert, Anzeigen zu Raubüberfällen in der Neckarstadt aufzunehmen? Dieser Vorwurf wurde am 17. April öffentlich, als der Mannheimer Morgen darüber berichtete. Die Polizei hat sofort interne Ermittlungen aufgenommen und auch zum angeblichen Raubüberfall ermittelt. Beide Ermittlungen liegen der Staatsanwaltschaft vor – doch die gibt keine Auskünfte zu diesem politisch hochbrisanten Thema.
Von Hardy Prothmann
Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann sagt nichts. Also fast nichts. Er bestätigt nur, dass ihm zwei Ermittlungen der Polizei vorliegen. Vom 2. Mai und vom 16. Mai. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist der Fall noch nicht abgeschlossen.
Am 17. April zitiert der Mannheimer Morgen den CDU-Vorsitzenden Claudius Kranz:
Einer meiner Kollegen, auch Jurist wie ich, wurde in der Neckarstadt ausgeraubt“, berichtet Claudius Kranz, Zweiter auf der CDU-Liste. „Der Beamte auf der Wache antwortete ihm: Wo kämen wir hin, wenn wir jeden Überfall in der Neckarstadt aufnehmen würden.“ Als Jurist habe er sich zu helfen gewusst, aber als einfacher Bürger?
Unmittelbar danach haben wir uns bei der Polizei erkundigt, ob der Fall bekannt ist. Die Polizeipressestelle hatte von dem angeblichen Raubüberfall auch erst aus der Zeitung erfahren und umgehend wegen des Offizialsdelikts Ermittlungen eingeleitet. Offizialdelikte sind Verbrechen, zu denen die Polizei ermitteln muss, unabhängig davon, ob eine Anzeige vorliegt, beispielsweise Raub. Außerdem leitete die Polizei interne Ermittlungen ein, um den schweren Vorwurf zu prüfen, der übersetzt „Strafvereitelung im Amt“ lautet.
Dubiose Sache
Seitdem haben wir dutzende Male Kontakt zur Polizei aufgenommen, die immer wieder auf die „laufenden Ermittlungen“ hingewiesen hat. Gestern sagte uns die Polizeisprecherin Roswitha Götzmann auf Anfrage, dass die Ermittlungsergebnisse bei der Staatsanwaltschaft liegen und sie keinerlei Auskunft erteilen könne, da die Staatsanwaltschaft dies so verfügt habe.
Nach unseren Recherchen ist die Sache äußert dubios. Die angeblich überfallene Person ist Alexander Fleck, Mitglied der CDU und Gemeinderatskandidat, der in derselben Kanzlei „Dr. Bergdolt & Kollegen“ arbeitet wie Claudius Kranz. Fleck ist Fachanwalt für Strafrecht. Er sollte sich also mit Strafanzeigen und Raubüberfällen auskennen.
Angeblich habe sich, laut dem Kranz-Zitat im MM, der Anwalt zu helfen gewusst. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass der Anwalt dem Beamten die Leviten gelesen und anschließend Anzeige erstattet hat. Außerdem wäre eine sofortige Dienstaufsichtsbeschwerde angebracht gewesen sowie eine Information der Öffentlichkeit über die Presse. Nichts davon hat stattgefunden. Es gab keine Strafanzeige, keine Dienstaufsichtsbeschwerde, keine Information der Öffentlichkeit.
Schwerer Vorwurf gegen die Polizei zum Wahlkampfauftakt
Bis Anwalt und CDU-Spitzenkandidat Claudius Kranz die angeblichen Vorfälle, also Raubüberfall plus Strafvereitelung, Mitte April öffentlich gemacht hat. Wie kann das sein, dass ein Fachanwalt für Strafrecht nicht Manns genug ist, sein eigenes Recht durchzusetzen? Bis heute ist keine Strafanzeige bei der Polizei zu diesem Raubüberfall gestellt worden. Selbst wenn man von einem „Schock“ bei dem Anwalt ausgeht – der Überfall soll Ende 2013 passiert sein – hätte sich das angebliche Opfer doch mittlerweile dazu durchringen können, Anzeige zu erstatten. Spätestens jetzt – nachdem der angebliche Fall öffentlich geworden ist.
Wieso verhält sich ein CDU-Politiker so? Fleck ist Ortsvereinsvorsitzender der CDU Feudenheim. Die CDU spitzt im Wahlkampf die Sicherheitslage in Mannheim zu und baut Bedrohungsszenarien auf, sekundiert von der Lokalzeitung. Erzählt man so einen unglaublichen Fall einfach mal so nebenbei und äußert sich dann nicht mehr? Geht man so verantwortlich mit der Öffentlichkeit um? Nimmt man es in Kauf, dass das Ansehen der Polizei erheblichen Schaden nimmt – aus reinem Wahlkampfkalkül? Ist die CDU tatsächlich bereit, die Behörde, die maßgeblich für Sicherheit sorgen soll, als arbeitsfaulen Verein darzustellen, dem die Sicherheit in Mannheim nichts wert ist? Geht so verantwortliche Politik?
Staatsanwaltschaft lässt Öffentlichkeit im Unklaren
Und auch die Staatsanwaltschaft muss sich vorwerfen lassen, die Öffentlichkeit im Unklaren zu lassen – aus welchen Gründen auch immer. Oberstaatsanwalt Grossmann sagt lapidar, er lasse sich von der Presse nicht unter Druck setzen, die hier „schnell, schnell“ was haben wolle. „Schnell, schnell?“ Wir recherchieren seit Wochen am Thema. Dass die Staatsanwaltschaft die Fälle möglicher Raubüberfall und mögliche Strafvereitelung im Amt nicht priorisiert, ist ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit.
Was ist an den Fällen so kompliziert, dass man nicht vor der Wahl die Sache ausermitteln kann? Es steht eine Behauptung im Raum. Das Opfer hat keine Anzeige erstattet und soweit uns bekannt ist, auch nur sehr vage Angaben zu dem angeblichen Überfall gemacht. Die Beamten, die zum fraglichen Zeitpunkt Dienst hatten, konnten über den Dienstplan ermittelt und vernommen werden. Vielleicht stehen hier Aussage gegen Aussage.
Vielleicht tut Anwalt Fleck den Teufel und zeigt den angeblichen Überfall deshalb nicht an, weil dann möglicherweise nach §145d Strafgesetzbuch der Tatbestand des „Vortäuschens einer Straftat“ vorliegen könnte. Das wird mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet und ist sicherlich nicht förderlich für seine Zulassung als Rechtsanwalt. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt zur Zeit nicht in dieser Richtung und bis heute auch nicht in Sachen „Vortäuschen falscher Tatsachen“ gegen Herrn Kranz.
Strafanzeige gegen Claudius Kranz
Das ändert sich nun, da wir Strafanzeige gegen Herrn Kranz bei der Staatsanwaltschaft Mannheim eingereicht haben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit stellen wir Strafanzeige gegen Herrn Rechtsanwalt Claudius Kranz, Zum Dornbusch 12, 68219 Mannheim wegen öffentlichen Vortäuschens falscher Tatsachen und Vortäuschens einer Straftat.
Begründung
Herr Kranz hat ausweislich eines Berichts im Mannheimer Morgen vom 17. April 2014 folgendes behauptet:
„Einer meiner Kollegen, auch Jurist wie ich, wurde in der Neckarstadt ausgeraubt“, berichtet Claudius Kranz, Zweiter auf der CDU-Liste. „Der Beamte auf der Wache antwortete ihm: Wo kämen wir hin, wenn wir jeden Überfall in der Neckarstadt aufnehmen würden.“ Als Jurist habe er sich zu helfen gewusst, aber als einfacher Bürger?“
Herr Kranz behauptet einen Raubüberfall, den es nach unserer Kenntnis nicht gegeben hat – implizit wirft er den zu diesem Zeitpunkt diensthabenden Polizeibeamten Strafvereitelung im Amt vor. Herr Kranz ist Jurist und lokaler Spitzenpolitiker der CDU in Mannheim. Im Zuge des Wahlkampfs versucht er sich, so der Eindruck, über das Behaupten falscher Tatsachen sowie eine massive Anschuldigung gegenüber Beamten, eine politischen Vorteil zu verschaffen, in dem er die Öffentlichkeit wissentlich belügt und damit betrügt. Weiter behauptet Herr Kranz, „als Jurist“ habe sich sein Kollege zu helfen gewusst – auch dies muss man in der Art verstehen, dass der Kollege eine Strafanzeige wegen eines Raubüberfalls durchgesetzt hat, was nach unserer Kenntnis nicht der Fall ist.
In diesem Zusammenhang ist eine Vorteilnahme zu Lasten anderer zu begründen: Die CDU steht in Konkurrenz mit anderen Parteien und versucht möglichst viele Gemeinderatsmandate zu erhalten. Auch über das Mittel die Bürger/innen öffentlich zu täuschen.
Herr Kranz kann nicht behaupten, von der Zeitung falsch zitiert worden zu sein, da es nach unseren Informationen keinen Versuch gegeben hat, ein falsches Zitat richtig stellen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
An Herrn Alexander Fleck haben wir folgende Anfrage geschickt: