
Lohnt sich der Bau des Block 9 noch?
Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Dezember 2012. (red/ld) Lohnt sich der Neubau von Block 9 des Großkraftwerks Mannheim (GKM) noch? Zu viel Strom aus erneuerbaren Energien drängt derzeit auf den Energiemarkt und drückt die Strompreise. 29 Kohlekraftwerke in Nordrheinwestfalen könnten sich ab 2014 nicht mehr lohnen, berichtete der Spiegel. Technisch könnten sie aber noch bis 2051 laufen. Eine Totgeburt könnte der Block 9 sein, befürchten Umweltschützer. 2015 soll er ans Netz gehen, zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Mit dem zusätzlichen Neubau des Fernwärmespeichers will das GKM weiterhin wirtschaftlich Strom produzieren und die Fernwärmeversorgung in der Region aufrecht erhalten.
Der Bericht sorgt für Verunsicherung, vor allem angesichts des riesigen Kraftwerkturms am Rheinufer in Neckarau. Seit 2007 baut das GKM dort einen neuen Kraftwerkblock, der 2015 die bestehenden Blöcke 3 und 4 ersetzen soll. 1,2 Milliarden Euro kostet das Projekt und nun könnte es an der Energiewende scheitern. Denn immer größere Strommengen aus erneuerbaren Energien werden an der Strombörse in Leipzig gehandelt.

“Privathaushalte könnten schon ganz auf erneuerbare Energien umstellen”, sagt Wolfgang Raufelder, energiepolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Landtag.
Es gab dieses Jahr schon Tage, an denen keine anderen Energieformen am Netz waren.
sagt Wolfgang Raufelder, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Nach §8, Absatz 1, des Erneuerbaren Energiegesetzes (EEG) sind Netzbetreiber dazu verpflichtet, vorrangig Strom aus Photovoltaik und Winandanlagen abzunehmen und zu verteilen. Für Strom aus konventionellen Kraftwerken brechen damit die Abnehmer ein. Dazu kommen steigende Rohstoffpreise für Kohle sowie Kosten für Emissionsrechte von Kohlendioxid oder die Suche nach Endlagern für ausgebrannte Nuklearbrennstäbe. Dagegen stehen kostenloser Wind für die Windräder und Sonne Photovoltaikanlagen ohne Emissionen oder Abfallprodukte. Der Bau dieser Anlagen kann in fünf bis acht Jahren abgeschrieben sein, wie Raufelder schätzt:
Die produzieren dann nur noch Strom.
Das tun sie aber nur tagsüber, wenn die Sonne scheint oder wenn der Wind bläst. Doch auch nachts wird Strom benötigt, für Produktionsprozesse, Licht oder Heizung. Wenn Flaute ist, soll die Wohnung ja nicht kalt bleiben. Stromspeicher für Wind- und Sonnenenergie wie EE-Gas-Anlagen seien noch nicht ausgereift und noch nicht breit verfügbar, erklärt Tobias Staufenberg vom BUND. Noch muss der grüne Strom verbraucht werden, wenn er entsteht.
Die so entstehenden Stromlücken müssen konventionelle Stromerzeuger überbrücken. Dort sieht die MVV die Chance für den Block 9 und seinen Fernwärmespeicher:
Die Strommengen aus der Kohleverbrennung, die wir verkaufen, gehen zurück.
sagt Roland Kress, Pressesprecher der MVV-Energie AG. Seine Berechtigung und Wirtschaftlichkeit behalte das GKM dennoch. So senken sich mit den Stromverkäufen auch die Ausgaben für die Kohle und die Produktion. Das heiße Wasser aus dem neuen Fernwärmespeicher könne außerdem zur Stromerzeugung genutzt werden, wenn die Nachfrage gerade groß ist. In dieser Zeit würde dann der Block 9 wieder hochgefahren werden. Durch die Kombination aus Kohlekraftwerk und Fernwärmeerzeugung könne das GKM einen Wirkungsgrad von 64 Prozent erreichen. Wenn es nur Strom erzeugt, sogar 70 Prozent. Im Vergleich zu Gaskraftwerken, die 90 Prozent erzielen, ist das aber nicht gerade viel.
Ein Gaskraftwerk lässt sich zudem viel schneller hochfahren als Kohlekraftwerke, sagt Raufelder. Das mache sie als Brückentechnologie besonders geeignet: Ein Kohlekraftwerk brauche zwei bis drei Tage, bis es volle Leistung hat, Gaskraftwerke nur wenige Stunden:
Ein Gaskraftwerk kann schnell mal einspringen, wenn es zu Engpässen bei den Erneuerbaren kommt.
Denn noch reicht der Strom aus Wind und Sonne nicht aus, um den ganzen Bedarf zu decken:
Für die Privathaushalte reicht es schon. Die Industrie braucht noch Kohle- und Gaskraftwerke.

Windkraftanlage an der Nordsee
In der Metropolregion sei man aber noch zurückhaltend, sagt Raufelder. Der Bund müsse die Energiewende vorantreiben und dafür sorgen, dass die Strukturen in den einzelnen Bundesländern zueinander passen. Auch die Stromkonzerne müssten umdenken: Weg von Großanlagen, hin zu kleinteiligen, dezentralen Strukturen:
Es zeigt sich, dass kleine dezentrale Strukturen viel effizienter arbeiten.
sagt Raufelder. Diese Strukturen zu schaffen und auf erneuerbare Energien umzusteigen, ist ein wahrer Kraftakt. 550 Milliarden wird sie bis zu Mitte dieses Jahrhunderts kosten, schätzt die Bundesregierung. Stemmen soll den Aufwand der Stromverbraucher, vor allem Privathaushalte und kleinere Unternehmen. Mit der EEG-Umlage bezahlen die Verbraucher die neue Technik und bekommen gleichzeitig von den fallenden Preisen an Strombörse in Leipzig nichts ab.
Verbraucher kommen nicht an günstigen Strom
Großunternehmen und Branchen, die viel Strom brauchen, können sich aber von der Umlage befreien lassen, so wie es die Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft, die Heidelberg Cement oder die Firma Isodraht in Mannheim und viele andere Firmen in Baden-Württemberg getan haben.
Die Verbraucher kommen so gar nicht an den günstigen Strom.
sagt Staufenberg. Das liegt aber auch an der geringen Bereitschaft der Verbraucher, den Stromanbieter zu wechseln, zu reinen Ökostromanbietern. Die seien heute schon günstiger als Anbieter, die auf konventionelle Stromerzeugung setzen. Den Weiterbau des Block 9 hält Staufenberg für Unsinn:
Ich würde bezweifeln, dass das damals bedacht worden ist. Aber es ist schon viel Geld reingesteckt worden.