Mannheim, 21. November 2012. (red/tt) Das Ein-Personen-Stück „Hikikomori“ handelt von einem Mann, der sich vollständig in sein Zimmer zurück zieht und fast nur noch per Internet mit der Außenwelt kommuniziert. Ein Gastspiel des Freiburger Schultheaters im FORUM Mannheim hatte die soziale Isolation durch Internetnutzung zum Thema.
Von Timo Tamm
„Ich stinke nach mir“, provoziert der Protagonist des Stücks die Schüler im Mannheimer Jugendkulturzentrum FORUM. Diese reagieren immer wieder mit irritierten Kommentaren und Gelächter. Der Saal ist voll besetzt. Die Schüler erleben eine besonders krasse Form der Isolation durch Internetnutzung. „Da viele Jugendliche vor den Zwängen und Anforderungen des Alltags ins Internet entfliehen“, soll laut Regisseurin Ingeborg Waldherr das Theaterstück zum Nachdenken anregen:
Der Titel des Stücks ist Hikikomori, das eine extreme Form der Selbstisolation bezeichnet, die vorwiegend in Japan auftritt.
Der Protagonist heißt einfach nur H.. Vor acht Jahren hat er sich in eine virtuelle Realität zurückgezogen. Um den Erwartungen seiner Mutter und der Umwelt zu entfliehen. Er glaubt, diese virtuelle Welt kontrollieren zu können. Die Bühne ist zu Anfang sein Zimmer. Auf einem Holzbrett tippend, ruft H. einfache Satzfetzen ins Publikum. Er kommuniziert seine Ängste in einer Art Chat. Seine Gesprächspartnerin ist nur als Stimme aus dem Off anwesend. Auch die Mutter spricht nur aus dem Off. Die multimedialen Projektionen auf die Tunnelwand machen aus der Bühne nacheinander ein Gefängnis, den Cyberspace oder einen Chatroom.
Tunnel, Gefängnis oder Mutterleib
„Der Schauspieler war beeindruckend, der hat ganz schön geschwitzt“, lobt eine Schülerin den Schauspieler Manuel Silvan Schunter. Sie diskutiert mit ihren Mitschülerinnen und ihrer Lehrerin das Stück. „Die Bühne war auch faszinierend.“ Der Bühnenaufbau besteht aus einer hölzernen, leicht nach vorne geneigte bespielbaren Schräge. Darüber ist ein rundes Gerüst, über das tunnelartig eine weiße Leinwand gespannt ist. Laut Regisseurin Ingeborg Waldherr lässt sich diese Bühne durch passende Bilder und Geräusche gut verwandeln.
Kritischer Umgang
Timo Kläger, Beauftragter für Suchtprophylaxe der Stadt Mannheim, hat das Gastspiel des Freiburger Schultheaterstücks Hikikomori von Holger Schober ins FORUM geholt:
Internetsucht ist eine nichtstoffliche Sucht und daher schwierig zu fassen. Wichtig ist auf jeden Fall ein kritischer Umgang mit dem eigenen Mediennutzungsverhalten. Für manche sind mehr als fünf Stunden Internet zu viel und sie isolieren sich sozial. Für andere gilt das nicht.
Kläger und seine Mitarbeiter haben an Schulen das Stück im Unterricht vorbereitet und wollen das Thema weiter in der öffentlichen Diskussion halten.
Hinweise zu Beratungs- und Bahndlungsmöglichkeiten bietet die Caritas Mannheim an.
Wie bereits auf diesem Blog gemeldet, gibt es ab 28. November im Heidelberger Gesundheitsamt eine Ambulanz des Integrierten Diagnose-, Beratungs- und Behandlungsverbunds für Computerspielsucht und übermäßige Mediennutzung für den Rhein-Neckar-Kreis/Heidelberg.