Mannheim, 21. November 2016. (red/cr) Im vergangenen Oktober sorgte Stadtrat Julien Ferrat mit einem vulgären Rap-Video für viel Unmut. Seine Position: Künstlerische Kritik an der Situation in der Neckarstadt. Die Beurteilung durch die Stadtverwaltung: Das Video ist nicht nur sexistisch, vulgär und beleidigend, sondern ein Verstoß gegen seine Pflichten als Stadtrat. Was die Konsequenzen sein werden, entscheidet am Dienstag der Gemeinderat. Eine Rüge und bis zu 1.000 Euro Ordnungsgeld sind möglich.
Von Christin Rudolph
Am 16. Oktober veröffentlichte der Stadtrat Julien Ferrat (Familien-Partei) auf YouTube und auf Facebook das Rap-Video „Mannheimer Ghetto“. Wir hatten exklusiv berichtet.
Der Rap-Song beschreibt in vulgärer Sprache das Leben im „Mannheimer Ghetto“, der Neckarstadt, aus Sicht des jungen Stadtrats. Dabei erwähnt Herr Ferrat sein Stadtratsmandat, lässt sich vor dem Ratssaal filmen und zeigt seinen Ausweis als Stadtrat.
Nach der Veröffentlichung wurden von verschiedenen Seiten Konsequenzen für den „Rapper“ gefordert, unter anderem von Gemeinderatsfraktionen und der Migrationsbeirat.
Verstoß gegen öffentliche Ordnung
Wie diese Konsequenzen aussehen sollen, das ist am morgigen Dienstag Thema im Gemeinderat. In der Beschlussvorlage heißt es:
Die Äußerungen von Herrn Stadtrat Ferrat sind geeignet, das Empfinden eines beachtlichen Teils des Publikums zu verletzen, indem sie sittlich anstößig wirken und eine grobe Geschmacksverletzung enthalten, verstoßen sie gegen die öffentliche Ordnung. Daher sind die Äußerungen nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die verrohte Sprache und die sexuellen Herabwürdigungen lassen sich nicht dadurch rechtfertigen, dass dies als Dokumentation der Jugendsprache und Überzeichnung von Gangsta-Rap bezeichnet wird, da die das Schamgefühl verletzenden Äußerungen hierdurch nicht ihre Wirkung verlieren und auch eine sich distanzierende Auseinandersetzung mit diesen Texten in dem Video nicht erkennbar wird.
Als Ehrenamtsträger unterliegen die Mitglieder des Gemeinderats gemäß § 17 GemO BW den für die ehrenamtlich Tätigen geltenden Pflichten. Dazu zählt unter anderem die Treuepflicht:
Wer zu ehrenamtlicher Tätigkeit bestellt wird, muß die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewußt führen.
Auf diese Treuepflicht nimmt die Beschlussvorlage Bezug:
Gegen diese Treuepflicht hat Herr Stadtrat Ferrat verstoßen. Das Video ist sexistisch, vulgär und beleidigend.
Dieser Verstoß könne auch nicht durch die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit oder die Kunstfreiheit geschützt werden.
Außerdem laufe das Video auch der vom Gemeinderat der Stadt Mannheim beschlossenen „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ zuwider, die „Ausdruck einer gemeinsamen
Wertegrundlage für ein gelingendes Zusammenleben in einer von Vielfalt geprägten Stadt sein
soll“.
Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro
Eine gröbliche Verletzung der allgemeinen Treuepflicht kann der Gemeinderat gemäß Gemeindeordnung mit einem Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro ahnden.
Die Mannheimer Stadtverwaltung empfiehlt in der Beschlussvorlage, „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“ statt eines Ordnungsgeldes lediglich eine Rüge auszusprechen.
Man müsse berücksichtigen, dass es „nach Aussage von Herrn Stadtrat Ferrat seine Absicht war, auf diesem Weg eine politische Diskussion zu den Problemen des Stadtteils Neckarstadt anzustoßen“. Außerdem habe er das Video umgehend wieder gelöscht und sich im Kulturausschuss entschuldigt.
Erneute Provokation durch Nazi-Vergleich – gibt es dafür ein Ordnungsgeld?
Ob Herr Ferrat zur Einsicht gekommen ist bleibt jedoch zu bezweifeln. Am Tag vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung sendete er der Presse seine Stellungnahme und vergleicht die Verwaltung und den Gemeinderat unverhohlen mit den Nazis:
Ich nehme interessiert zur Kenntnis, dass nun der Mannheimer Gemeinderat darüber entscheidet, welche Kunst als entartet gilt und welche nicht. Ich bin darüber erstaunt, in wessen ideologische Tradition sich die Mehrheit des Gemeinderats kulturpolitisch begibt. Höchstrichterlich prüfen zu lassen, inwiefern die Gemeindeordnung die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit einschränken darf, wäre sicherlich interessant, würde aber an dieser Stelle zu weit führen. Ich nehme die Rüge daher gelassen zur Kenntnis.
Inhaltlich hat das Rapvideo einen wunden Punkt getroffen. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der Stadtverwaltung und Polizei zur Sicherheit in Mannheim am 21. Oktober wurden die Dinge bekannt gegeben, die im Rapvideo vom 16. Oktober moniert wurden. Die Neckarpromenade dient als überregional bekannter Drogenumschlagsplatz. Die Kriminalität in der Neckarstadt-West ist mit 10,2 Prozent erneut gestiegen.
Ob der Gemeinderat nach dieser neuerlichen Provokation der Beschlussvorlage folgt, nur eine Rüge und nicht doch zusätzlich ein Ordnungsgeld ausspricht, bleibt abzuwarten.