Mannheim, 21. Juni 2015. (red) Am Dienstag steht die Wahl des Beigeordneten für das Dezernat I der Stadt Mannheim an. Bislang hat Christian Specht (CDU) das Amt inne, bewirbt sich wieder und hat vier Konkurrenten. Herr Specht ist auch „Erster Bürgermeister“, also Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Diese Wahl wird vermutlich geschoben, denn „traditionell“ stellte bislang die CDU im Parteienproporz den Ersten Bürgermeister – sollte Peter Rosenberger (CDU) die Wahl zum Oberbürgermeister gewinnen, müsste Lothar Quast (SPD), Chef des Dezernat IV, Erster Bürgermeister werden. Würde also Peter Rosenberger gewinnen, würde der Parteifreund Christian Specht verlieren – dabei galt der vielen als der Wunschkandidat. Das wird spannend.
Von Hardy Prothmann
Die Oberbürgermeisterwahl 2015 hat weitreichende Folgen – unter Umständen, weil sich die Parteien untereinander einig werden müssen, wie sie den „Proporz“ regeln. Der Proporz ist eine Kurzbezeichnung für „Proportionalität“ und meint die „Verhältnismäßigkeit“ bei der Ämtervergabe an „Parteigänger“ anhand der „politischen Verhältnisse“.
Bisher sah das so aus, dass die CDU „traditionell“ den „Ersten Bürgermeister“, also den Stellvertreter des Oberbürgermeisters stellte – denn die SPD regiert gefühlt seit immer Mannheim, tatsächlich seit 1972 ununterbrochen, zumindest was den Oberbürgermeisterposten angeht.
Gewinnt Rosenberger – verliert Specht
Christian Specht ist „Beigeordneter“ für das Dezernat I der Stadt Mannheim. Er ist der „Finanzbürgermeister“ und der für „Sicherheit und Ordnung“. Ein Beigeordneter trägt nach Hauptsatzung der Stadt Mannheim die Amtsbezeichnung Bürgermeister. Davon gibt es fünf.
Laut „Proporz“ kommen zwei von der SPD (13 Sitze im Gemeinderat), zwei von der CDU (12 Sitze) und weil die Grünen (8 Sitze) drittstärkste Fraktion sind, gibt es mit Frau Felicitas Kubala eine fünfte Bürgermeisterin.
Am 31. August läuft die achtjährige Amtszeit für Herrn Specht aus. Der Gemeinderat muss laut Gemeindeordnung in Stadtkreisen über 10.000 Einwohner einen neuen „Beigeordneten“ wählen, den man auch „Dezernent“ nennt und „Bürgermeister“ nennen kann.
Der amtierende Beigeordnete Christian Specht ist auch als Erster Bürgermeister gewählt – und damit Stellvertreter des Amtsinhabers Dr. Peter Kurz. Die Wahl eines Beigeordneten sowie der Stellung „Erster Bürgermeister“ erfolgt nicht durch das Volk, sondern durch den Gemeinderat. Für das Amt als Beigeordneter gibt es vier Gegenkandidaten: Christian Hettinger, Cornelia Knörzer, Jörg Feldmann und Rainer Jung.
Wahl nach Proporz – die Parteien machen das unter sich aus
Die Öffentlichkeit hat keinen direkten Einfluss auf die Wahl der Bewerber – sehr bedauerlich ist, dass die Öffentlichkeit auch nichts über die vier neuen Bewerber und deren Qualifikationen weiß. Das hat man „intern“ beraten – dabei ist sowohl das Amt des Beigeordneten als auch das des Ersten Bürgermeisters von enormer Bedeutung. „Bürgerbeteiligung“ kann man also bei dieser „Bürgermeisterwahl“ komplett vergessen.
Als Favorit gilt Christian Specht. Überfraktionell wird der Mann für seine korrekte Amtsführung geschätzt – aber das ist noch nicht alles. Alle politischen Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass ein Oberbürgermeisterkandidat Christian Specht die besten Aussichten auf einen Wahlerfolg gegen den Amtsinhaber hätte haben können.
Allein, Christian Specht wollte nicht. Noch mehr – seine „Loyalität“ gegenüber dem Amtsinhaber ist ebenfalls Gesprächsthema. Kurzum: Christian Specht ist der zweitmächtigste Mann der Mannheimer Verwaltung und er wollte nicht der mächtigste sein. Das ist mitunter eine sehr kluge Haltung, weil der in der zweiten Reihe nicht so viel abbekommt, wie der davor. Vielleicht denkt Christian Specht auch: „Mir doch egal, wer unter mir Oberbürgermeister ist.“
Indirekte direkte Folgen
Scherz beiseite: Christian Specht macht – soweit man das ohne „Interna“ beurteilen kann – einen guten Job und hat sich für eine weitere Amtszeit qualifiziert. Er ist CDU-Mitglied, aber als politischer Beamter auf Zeit sehr souverän in der Amtsführung seiner Aufgaben gegenüber allen Fraktionen. Seriös, fleißig, zuverlässig und dienstbeflissen – er erntet viel Lob und laut Umfragen ist sein Ansehen in der Stadt hoch.
Christian Specht wäre also aus CDU-Sicht der beste Gegenkandidat gewesen – aber er wollte nicht. Denn die politische Agitation ist seine Sache nicht. Klar macht er die Fototermine, klar repräsentiert er – aber mehr die Stadt und weniger die CDU.
Die aktuelle Wahl könnte ihn aber seine Funktion als Erster Bürgermeister kosten – denn sollte Peter Rosenberger gewinnen, müsste laut „Tradition“ ein SPD-Beigeordneter zum Zug kommen. Das wäre nach aller Voraussicht Lothar Quast, der „Baubürgermeister“ und Beigeordneter für das Dezernat IV.
Für Christian Specht wäre das auch ein finanzieller Verlust. Denn als Beigeordneter verdient er ein Grundgehalt von rund 9.450, durch die „Angemessenheit“ an die Aufgabe einer großen Stadt rund 9.900 und als Erster Bürgermeister rund 10.500 Euro – plus Zuschläge zu den Besoldungsgruppen B7-B9. Umgekehrt dürfte sich der Beigeordnete Quast über eine bessere Besoldung freuen, wenn er Erster Bürgermeister wird.
Specht galt als herausragender OB-Kandidat – gewinnt Rosenberger, verliert er, ohne angetreten zu sein.
Der mutmaßlich „bessere“ Herausforderer Christian Specht wird also davon abhängig sein, wie die Oberbürgermeisterwahl läuft. Gewinnt Amtsinhaber Dr. Kurz (SPD), wird der CDU-Stellvertreter finanziell und von der Bedeutung her profitieren. Gewinnt der Herausforderer Peter Rosenberger kostet das den CDU-Kameraden Christian Specht viel Geld und die Stellung als Oberbürgermeister-Stellvertreter.
Die Anfrage, ob also Christian Specht vermutlich eher für die Wahl von Dr. Peter Kurz ist (mehr Geld und Einfluss für Herrn Specht) oder dagegen (weniger Geld und weniger Einfluss für Herrn Specht) haben wir Herrn Specht erspart. Er würde souverän diplomatisch und ohne Akzentuierung antworten. Dafür ist er bekannt und deswegen ist auch sein Ansehen in der Bevölkerung hoch.
Spannend wird also sein, ob Herr Specht weiter diese Rolle ausfüllen wird oder Herr Quast (SPD) übernimmt – der ist zumindest rhetorisch spannender, weil er sich gerne mal spontan auf Debatten einlässt. Sicher ist, dass auch Herr Quast qualifiziert ist, ein Erster Bürgermeister zu sein.
Unser Prognose ist, dass die Wahl des Ersten Bürgermeisters von der Tagesordnung genommen wird. Wenn nicht, dann müsste der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD) sehr sicher sein, die Oberbürgermeisterwahl am 05. Juli zu gewinnen. Denn sonst wären der OB und dessen Stellvertreter CDU – das wäre ganz neu für Mannheim und ein echter Paukenschlag.
Wird es am Ende „satirisch“ und ein abgeschlagener Kandidat entscheidet indirekt die Wahl?
Die CDU kann sich aktuell die Hände reiben – denn wenn der OB oder die SPD eine Aussetzung der Wahl von Herrn Specht zum Ersten Bürgermeister beantragen sollte, hieße das gleichzeitig, dass man einen Wahlsieg von Dr. Peter Kurz in Zweifel zieht und sich den „Proporz“ sichern will. Das wäre natürlich vorab „schädlich“ für den Amtsinhaber in Sachen Wiederwahl. So geht politisches Schach.
Wenn Christian Specht am Dienstag zum Ersten Bürgermeister ohne Debatte gewählt werden sollte, heißt das, dass die SPD selbstverständlich davon ausgeht, dass Dr. Peter Kurz im Amt bestätigt wird. Nach wie vor ist er der Favorit – aber die Unsicherheit nach dem Ergebnis vom 14. Juni wächst.
Umgekehrt: Sollte die CDU sicher sein, dass der Kandidat Peter Rosenberger gewinnt, müsste man sich „traditionell“ dafür entschließen, die Wahl des Ersten Bürgermeisters zu vertagen, damit der Proporz gewahrt bleibt – alles andere wäre eine offene Kampfansage. Und damit würde die CDU-Fraktion Christian Specht beschädigen, weil man Herr Rosenberger als König sieht und bereit ist, Christian Specht zum Bauernopfer zu machen.
Wie gesagt – es bleibt spannend und wird nach unseren Informationen vielleicht noch spannender, weil sich möglicherweise überraschende Entwicklungen abzeichnen. Denn der „Königsmacher“ Christopher Probst hat seine Kandidatur nach einem starken Ergebnis für die Mannheimer Liste (15,9 Prozent) beendet und damit Chancen für die CDU eröffnet. Die CDU will diese Prozente für sich vereinnahmen.
Und dann ist da noch der vollkommen abgeschlagene Konkurrent Christian Sommer (Die Partei), der zwar nur 3,3 Prozent im ersten Wahlgang erreichen konnte – aber möglicherweise wird der zweite Durchgang am 05. Juli knapp und es kommt auf jeden Prozentpunkt an. Und Sommer wildert im linken Lager. Jede Stimme, die er erhält, ist potenziell eine gegen den Amtsinhaber. Wenn es knapp wird, könnte das den Ausschlag geben.