Weinheim/Rhein-Neckar, 20. April 2015. (red/pro) Jugend und Politik? Geht gar nicht. Eher schon Politikverdrossenheit. Stimmt nicht? Richtig. Es gibt sie, die jungen, politisch Interesssierten. Und zwar nicht nur Egoisten, sondern auch solche, die sich für andere einsetzen. Wir haben die Weinheimer Jugendgemeinderätin Frieda Antonia Fiedler gebeten, aufzuschreiben, warum sie „sich den Stress gibt“.
Gastbeitrag: Frieda Antonia Fiedler
Freitagabend 21 Uhr. Mein Telefon klingelt: „Hast du mal ’ne Minute Zeit?“, fragt Thomas.
„Klaro, gerne auch 2 Minuten“, antworte ich.
„Grade waren mal wieder vier Polizisten bei der Schweinebucht und haben locker 50 Jugendliche nach Hause geschickt. Keiner durfte dableiben, wir gehen jetzt alle heim oder ins Central. Das ist doch scheiße! Wir haben doch gar nix gemacht! Keine Musik, nur Bier haben wir getrunken! Du musst da was machen – du bist doch im Jugendgemeinderat.“
Ich habe ihm versprochen, mich darum zu kümmern.
Jugendliche in der Stadt vertreten
In Weinheim haben wir einen Gemeinderat, einen Kinder- und Jugendbeirat und einen Stadtjugendring. Wieso brauchen wir eigentlich einen Jugendgemeinderat? Es gibt ja schließlich auch keinen eigenen Gemeinderat für die Feuerwehr oder die Gastronomen.
Das habe ich mich ebenfalls gefragt, bevor ich in den Jugendgemeinderat gewählt worden bin. Dieses Gremium gibt es seit 2013, wir sind 14 Jugendliche, die sich ausschließlich mit Fragen rund um die Jugend in Weinheim beschäftigen.
Unser „Job“, wenn man das so nennen will, ist es nicht, die Beschlussvorlagen aus jugendlicher Sicht zu beleuchten oder darüber abzustimmen, ob es in Weinheim einen Biergarten im Schlosspark geben sollte. Das ist zwar auch wichtig, manchmal sogar für die Jugend, aber ich halte diese Fragen nicht für die Arbeit, auf die wir unseren Fokus legen sollten.
In erster Linie sind wir notwendig, weil wir die Jugendlichen in der Stadt vertreten. Wir sind die offizielle Vertretung aller Schüler, Auszubildenden oder Studierenden zwischen 14 und 21 Jahren.
Und wir sind keine Erwachsenen, sondern Jugendliche, schauen also durch eine andere Brille auf die Situation junger Leute. Damit bringen wir andere Perspektiven in den öffentlichen Willensbildungsprozess und genau darum geht es.
Junges Leben in Weinheim und viele offene Fragen
Das bringt für uns die Pflicht mit sich, sich umzuhören, zu fragen: „Was beschäftigt Euch?“ oder „Wo können wir Weinheim jugendgerechter gestalten?“ Eine der Fragen, mit der sich Jugendliche wahrscheinlich schon immer beschäftigen ist: Wo können wir hin? Wo lassen uns die anderen („Erwachsenen“) ungestört feiern, Bier trinken, diskutieren, oder einfach mal in Ruhe abhängen?
Wenn ich diese Frage für die Jugendlichen in Weinheim beantworten will, dann würde die so lauten: Diskutieren könnt ihr im Central, genauer gesagt in unserem JGR-Raum, da seid ihr jederzeit herzlich willkommen. Bier trinken kann man dann gleich ein Stockwerk höher oder am Marktplatz. Dafür müsst ihr etwas Geld mitbringen. Wer sein mitgebrachtes Bier in Ruhe trinken will, ja der kann in den Schlosspark, unter die REWE-Brücke oder an den See. Aber Moment mal. Ungestört seid ihr da nicht. Beim REWE haben sie die Sitzgelegenheiten entfernt, im Schlosspark nervt Euch dann regelmäßig der Security-Dienst und am See… Ja, da nervt Euch dann in halbstündigen Intervallen die Polizei.
Wo sollen sie jetzt hin? Wo soll die Jugend in Weinheim ihren Platz haben? Fast überall sind wir unerwünscht oder Anwohner rufen die Polizei.
Mit dieser Problematik beschäftigt sich außer uns auch der Stadtjugendring. Er brachte in Weinheim- Hohensachsen eine tolle Lösung für 5-10 Jugendliche – eine eigenen Bauwagen mit Heizung und Couch. Wir können aber nicht für alle halbtags-obdachlosen Jugendlichen in Weinheim einen Bauwagen hinstellen. Da muss eine Lösung her, die passt.
Deshalb sind wir das Gremium, das für den Dialog zwischen Jugend und Stadt(-verwaltung) zuständig ist. Wir kennen haben Ansprechpartner in fast allen Bereichen und wissen eins: Verwaltung ist teils ein zähes Geschäft. Wir sind nicht selten Vermittler zwischen aufgebrachten oder frustrierten Jugendlichen und der Verwaltung. Und Probleme lösen, heißt auch mit Geduld dicke Bretter bohren – das heißt, man muss sich kontinuierlich mit etwas befassen. Ohne ein „institutionalisiertes Gremium“ geht das kaum.
Dicke Bretter bohren
Der Anruf von Thomas macht mich sehr zufrieden. Da ist ein Jugendlicher, der ein konkretes Problem hat – er spricht nicht nur für sich, er spricht für 50 Jugendliche, die sein Problem teilen.
Auch das ist ein dickes Brett, das gebohrt werden musste: Dass die Jugendlichen uns im Jugendgemeinderat direkt ansprechen und Lösungen einfordern. Jugendliche haben angefangen uns zu akzeptieren, uns wahrzunehmen und uns für sich in Anspruch zu nehmen! Und das ist gut so.
Wenn mich dann noch jemand fragt: „ Und wie machst du das alles zeitlich? Wie viel Stunden pro Woche opferst du für den Jugendgemeinderat?“
Die Antwort ist ganz einfach: Ich opfere überhaupt keine Zeit für den Jugendgemeinderat und ich zähle verdammt nochmal auch keine Stunden. Ich mache das, weil ich mich gerne engagiere und damit ist das kein Opfer.
Mein Amt im Jugendgemeinderat macht mir richtig Spaß, weil ich das Gefühl habe, etwas zu bewegen und der Jugend eine Stimme zu verleihen! Das gilt ganz sicher auch für die anderen Mitglieder im Jugendgemeinderat.
Der wird aktuell zum zweiten Mal gewählt und in Anspruch genommen – und wenn wir dann das ein oder andere dicke Brett gebohrt haben dann trinken wir mit Euch gerne auch ein Bier oder einen Club Mate, vielleicht sogar in unserem eigenen Jugendcafé! 😉
Anm. d. Red.: Unsere Kolumne Montagsgedanken greift außerhalb des Terminkalenders Themen auf – ob Kultur oder Politik, Wirtschaft oder Bildung, Gesellschaft oder Regionales oder Verkehr. Teils kommen die Texte aus der Redaktion – aber auch sehr gerne von Ihnen. Wenn Sie einen Vorschlag für Montagsgedanken haben, schreiben Sie bitte an redaktion (at) rheinneckarblog.de, Betreff: Montagsgedanken und umreißen uns kurz, wozu Sie einen Text in der Reihe veröffentlichen möchten. Natürlich fragen wir auch Persönlichkeiten an, ob sie nicht mal was für uns schreiben würden…