Rhein-Neckar, 20. Januar 2017. (red/momo) „Die Medien sind doch alle gleichgeschaltet und schreiben, was die Regierung will“, ist ein Vorwurf, den besonders Rechtspopulisten gerne im Bezug auf die Flüchtlingspolitik verwenden. „Stimmt das?“, fragte die Universität Trier und kommt zum Ergebnis: „Stimmt nicht.“
Interview: Moritz Bayer
Herr Prof. Arnold, woher kam die Idee für die Studie?
Prof. Dr. Klaus Arnold: Die entstand im Dialog mit Frau Bossmann. Uns war klar, wie oft Rechtspopulisten mit derartigen Vorwürfen versuchen, Stimmungsmache zu betreiben und diese für sich selbst zu nutzen, dem wollten wir auf fundierte wissenschaftliche Art und Weise entgegenwirken.
Ihnen ist bei der Untersuchung aufgefallen, dass „Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten“ trotz ihres für das Thema zentralen Aspektes kaum direkt thematisiert wurden. Woran könnte das liegen?
Arnold: Ja, diese Personen werden tatsächlich selten für sich betrachtet. In unserem Fall aber muss man sagen, dass Kommentare in Medien generell weniger tief in die Materie eingreifen, sondern eben das Vorliegende wertend beurteilen.
Ok. Nun etwas genauer zu den verwendeten Frames. Was kann man sich grob darunter vorstellen und wie viele haben Sie davon wann benutzt?

Prof. Klaus Arnold betreute die Studie von Hanna Bossmann. Foto: Privat
Arnold: Ein Frame ist ein gebündelter Themenaspekt, zu welchem wir in unserem Beispiel eine Statistik aufgestellt haben, also quantitativ eine Inhaltsanalyse durchgeführt. So haben wir ein objektiv verwertbares Ergebnis für das Thema erhalten. Der für uns relevante Zeitraum war jeweils eine Woche bis einschließlich zwei Wochen nach zwei der wichtigsten Daten in der Pressewelt der letzten Jahre: Merkels Pressekonferenz vom 31. August 2015, als sie mit den bekannten Worten: „Wir schaffen das“, die Bestätigung der Aussetzung des Dublin-Abkommens gab, sowie die Silvesternacht 2015 auf 2016, als am Kölner Hauptbahnhof massenhaft Frauen bedrängt wurden.
Wir haben große Leitmedien, namentlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Welt und taz sowie den Online-Auftritt des Wochenmagazins Spiegel untersucht. Insgesamt 178 Pressekommentare mit acht verschiedenen Frames. Interessanterweise kam heraus, dass der am meisten verwendete Frame „unfähige deutsche Politik“ war, dicht gefolgt von „unfähige europäische Politik“. Erstgenannter tauchte in 39 Prozent aller Kommentare der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf.
Daraus folgern Sie, dass von „Mainstream-Medien“ keine Rede sein kann. Lässt sich dieser Rückschluss von der Auswahl der „Leitmedien“ denn auf die gesamte deutsche Medienlandschaft ziehen?
Arnold: Es wird für jeden Fall Ausnahmen geben, aber wir haben versucht, durch die getroffene Auswahl das gesamte Spektrum politisch links, mittig bis rechts orientierter Medien abzudecken. Von daher denke ich schon, dass man von einer repräsentativen Analyse sprechen kann.
Sie betonen die dringende Notwendigkeit, Zweifeln an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Medien entgegen zu wirken, da dies sonst die Pressefreiheit und somit die Demokratie schwächen könnte. Wen sehen Sie besonders in der Pflicht und haben Sie schon konkrete Nachfolgeprojekte?
Arnold: Das fällt, wie ich finde, den Sozialwissenschaften zu, wer sollte sich auch sonst darum kümmern? Es passt ins Aufgabengebiet und wird auch weiterhin gefordert sein, das Flüchtlingsthema und verwandte Themen wie die innere Sicherheit zu untersuchen. Konkret gibt es bei mir schon Pläne, diese oder auch andere Ereignisse mit einer solchen Rastermethode zu untersuchen, diesmal dann eventuell den gesamten Pressespiegel und nicht „nur“ die Kommentare.
Hintergrund: Die Masterstudentin Hanna Bossmann (Medienwissenschaft) untersuchte unter Aufsicht von Prof. Dr. Klaus Arnold (Universität Trier) 178 Pressekommentare. Das Ergebnis: Von „Mainstream“ oder gar „Gleichschaltung“ kann keine Rede sein. Im relevanten Zeitraum wurde durch Frames der Ausdruck „unfähige deutsche Politik“ am Häufigsten ermittelt, was von „regierungskonform“ kaum weiter weg sein könnte.