Heidelberg, 20. März 2012. (red/cr) Im Strafverfahren wegen Mordes an Alexandra G. verurteilte die 6. Große Strafkammer den Angeklagten Uwe R. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der 42-Jährige hatte sich über ein Balkonfenster Zutritt zum Schlafzimmer des Opfers verschafft. Dort attackierte er die 39-jährige Mutter, während die Tochter im Nebenzimmer schlief. Gründe für eine verminderte Schuldfähigkeit konnte das Gericht nicht erkennen. Das Gericht sah das Mordmerkmal der Heimtücke als erwiesen an, niedrige Beweggründe werden jedoch nicht angenommen.
Von Christian Ruser
In der Vorhalle des Landgerichts Heidelberg haben sich gut dreißig Personen versammelt. Noch herrscht eine lockere Stimmung. Kaum ist zu erahnen, dass in Kürze das Urteil im Strafverfahren gegen Uwe R. wegen Mordes von der 6. Großen Strafkammer verkündet werden wird.
Die Türen werden geöffnet und die Beteiligten strömen in den Sitzungssaal. Oberstaatsanwältin Christine Vierneisel nimmt, wie die Nebenkläger und deren Anwalt links vom Publikum Platz. Auf der Anklagebank rechts der Zuschauer sitzen die Verteidiger Maximilian Endler aus Mannheim und Constantin Sperneac-Wolfer aus Baden-Baden.
Der Angeklagte Uwe R. wird von Vollzugsbeamten zur Anklagebank gebracht. Ein Mann mitleren Alters. Nichts am Aussehen oder Verhalten des 42-Jährigen gibt einen Hinweis darauf, dass er sein Opfer Alexandra G. mit zahlreichen Messerstichen brutal ermordet hat.
Prozessbeginn
Als Richter Edgar Gramlich den Saal betritt erheben sich alle.
Nach einer kurzen Begrüßung gibt er bekannt, dass man noch einmal in die Verhandlung zurückkehren müsse. Grund seien zivilrechtliche Ansprüche ( §430 STPO). Es wird ein Vergleich vorgeschlagen. Im Ergebnis erklärt sich Uwe R. bereit die Beerdingungskosten und voraussichtliche Folgekosten in Höhe von 11679,10 Euro zu übernehmen.
Da es keine weiteren Anträge zur Beweisaufnahme gibt, bittet Richter Gramlich die Oberstaatsanwältin und die Verteidiger um ihre Abschlussplädoyers. Beide Seiten beziehen sich auf ihre Ausführung beim letzten Verhandlungstermin und gehen nicht mehr detailliert auf die Tat ein. Auch der Angeklagte hat nichts mehr hinzuzufügen.
Richter und Schöffen ziehen sich zur Urteilsberatung zurück. Im Publikum beginnt ein Raunen und Murmeln. Welches Urteil erwartet Uwe R.? Wird seine Tat angemessen bestraft?
Das Urteil
Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, so lautet das Urteil. Richter Gramlich betont, dass es schwierig ist, bei einem so grausamen Verbrechen Distanz zu wahren. Mangelnde Distanz sorge aber für einen subjektiven Blickwinkel.
Er betont, dass sich das Gericht nur auf die Fakten eingelassen habe, die es objektiv bewerten konnte. Der Angeklagte hat sich zu seinem Zustand während der Tat nicht äußern wollen. Der Richter führt das Tatgeschehen und die daraus resultierenden Schlüsse des Gerichts noch einmal aus.
Die Tat
Uwe R. trennt sich von seiner Lebensgefährtin, um mit dem Opfer, mit dem er die gleiche Weiterbildungsmaßnahme besucht, eine Beziehung eingehen zu können. Doch bald zeigt sich seine krankhafte Eifersucht. Als Alexandra G. ihre Tochter, ein lebensfrohes und weltoffenes Kind, nach Heidelberg holt, fühlt er sich von der kleinen Familie zunehmend ausgeschlossen. Immer wieder unterstellte der Angeklagte dem Opfer, ihn zu betrügen.
Alexandra G. will die Trennung, doch Uwe R. stimmt sie noch einmal um. Seine Eifersucht wächst weiter. Als er glaubt, den Liebhaber von Frau G. gefunden zu haben, zerbricht die Beziehung endgültig. Am 15. April 2011 beendet Alexandra G. die Beziehung mit einem Brief. Grund hierfür ist für das Gericht das unaufhörliche Misstrauen des Angeklagten gegenüber dem Opfer.
Eifersucht, Drohungen, Beschädigungen
Als Alexandra G. eine neue Beziehung eingeht, fühlt sich der 42-Jährige in seinem Verdacht bestätigt. Zunächst beschränkt er sich auf Drohung gegenüber dem späteren Opfer, beschädigt ihr Fahrrad und Auto. Aus der Küche im Wohnheim in dem Alexandra G. mit ihrer Tochter lebt, entwendet er eine Kaffeemaschine.
Am 18. April 2011 taucht der Angeklagte bei Frau G. vor der Wohnungstür auf. Obwohl Uwe R. beteuert, er habe nur reden wollen, glaubt ihm das Gericht nicht. Als sich Uwe R. Zugang zur Wohnung von Alexandra G. verschaffen will, versperrt ihm der neue Lebensgefährte der Frau den Weg. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, bei denen Uwe R. unterliegt. Eine weitere Kränkung für das narzisstische Ego des Angeklagten.
In den folgenden Tagen versucht er Alexandra G. in der Fortbildungseinrichtung und bei Bekannten schlecht zu machen. Er wird zunehmend depressiver und trägt sich mit Selbstmordabsichten. Zur Behandlung besucht er eine psychiatrische Klinik.
Oberflächlich hat es den Anschein, dass er die Trennung von Alexandra G. überwindet. Er nimmt wieder Kontakt zu seiner vorherigen Lebenspartnerin auf.
Am Tattag, dem 30. April 2011 erklärte ihm der Fortbildungsträger SRH, dass er sich von Frau G. fernhalten müsse, da er sonst mit Konsequenzen zu rechnen habe. Ob sich hier bereits der Hass gegen das Opfer soweit aufgestaut hat, dass Uwe R. den Plan fasste, Alexandra G. zu töten?
Erbarmungslose Attacke nach akrobatischer „Leistung“
Am Tattag verlässt der Täter um 22:30 Uhr seine Wohnung. Er hat bereits getrunken. In seinem Rucksack führt er ein langes Küchenmesser mit. Uwe R. behauptet, er habe das Messer zur Selbstverteidigung gegen den neuen Lebensgefährten des Opfers mitgenommen. Das Gericht nimmt aber an, dass bereits hier der Vorsatz zur Tat bestand.
Nun vergehen gut 75 Minuten, bis Uwe R. zur Tat schreitet. Ob er die Zeit zum Nachdenken nutzte, ob es noch einen Ausweg gab, die Tat nicht zu begehen, ist nicht festzustellen. Fakt ist, dass er gegen 23:44 über das Sims des Küchenfensters in 20 Meter Höhe zum Zimmer von Frau G. kletterte. Eine schwindelerregende „Leistung“ – kann man ihm glauben, dass er das volltrunken schaffen konnte?
Ob Alexandra G. noch wach war oder bereits schlief, ist nicht bekannt. Klar hingegen ist, dass sich der Kletterkünstler zielstrebig auf das Bett zubewegte und sein Opfer ansatzlos attackierte. Mit dem Bettzeug versuchte sich die Frau vergeblich vor den Stichen zu schützen, dann zur Tür zu entkommen. Sie hatte keine Chance. Im Flur treibt Uwe R. ihr mit enormen Kraftaufwand die Klinge bis zu 26 Zentimeter tief in den Körper. Die bereits schwer verwundete Frau stirbt durch zwei tödliche Stiche. Uwe R. setzte alles daran Alexandra G. zu ermorden.
Der Täter entkam auf dem gleichen Weg über das Sims und tritt die Flucht nach Italien an. In der Wohnung entdeckte die neunjährige Tochter die Leiche ihrer Mutter, die vor der Wohnungstür zusammengebrochen lag. Das Kind musste die leblose Mutter vor der Tür wegziehen, um Hilfe holen zu können. Uwe R. befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Wohnung. Nicht auszudenken, was er bei seiner „Wahnsinnstat“ sonst noch hätte anrichten können.
Das Gericht ist sich sicher: Uwe R. wollte nur noch zerstören
Er hatte sein Opfer im Bett überrascht und gezielt angegriffen. Dies erfüllt die Mordmerkmale der Heimtücke, so Richter Gramlich. Der Einstieg über das Fenster zeigt auch deutlich, dass Uwe R. nicht den Versuch eines Gespräches hatte unternehmen wollen.
Eine verminderte Schuldfähigkeit schließt das Gericht aus. Zwar hatte der Angeklagte Alkohol getrunken, war aber noch in der Lage, unfallfrei sein Auto zu fahren und über das Sims einzusteigen. Auch wenn sich eine solche Tat kaum nachvollziehen lässt, konnten bei dem Angeklagten keine tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen nachgewiesen werden.
Das Gericht entscheidet auf lebenslänglich. Richter Gramlich betont, dass eine Entlassung nach 15 Jahren nicht zwingend ist. Für die Entlassung muss der Angeklagte eine Besserung seines Charakters nachweisen können. Dass Uwe R. seine Tat bereut, glaubt ihm das Gericht. Immerhin ist er auch bereit, die Beisetzungskosten für Frau G. zu tragen.
Nach dem Urteil
Oberstaatsanwältin Vierneisel sagt: „Die Kammer ist dem Antrag der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang gefolgt.“
Das Gericht hat es sich mit der psychischen Verfassung zu leicht gemacht.
Das ist die Meinung von Verteidiger Constantin Sperneac-Wolfer. Die Verteidigung will in Revision gehen.
Das Urteil wird für die Hinterbliebenen ein schwacher Trost sein. Besonders die Tochter des Opfers wird noch lange unter der Tat zu leiden haben. Das Mädchen ist bei Verwandten untergekommen.