Mannheim/Rhein-Neckar, 20. Mai 2014. (red/ms) Der Gerichtsprozess gegen Emil S. läuft seit zwölf Tagen. Heute waren zum ersten Mal Familienangehörige der ermordeten Gabriele Z. anwesend: Die Mutter und der Bruder sind aus Litauen angereist, um zu sehen, wer hinter den grausamen Verbrechen an dem geliebten Menschen stecken soll. Sie wirken noch immer verstört und fassungslos.

Am 12. Verhandlungstag gegen Emil S. kamen die Mutter und der Bruder der getöteten Gabriele Z. zur Verhandlung.
Von Minh Schredle
In ihren Augen spiegeln sich Wut, Verzweiflung, Trauer und Hass – vor allem aber Schmerz. Die Mutter der ermordeten Gabriele Z. starrt unverwandt den Mann an, der für die grausamen Vergehen an ihrer Tochter verantwortlich gemacht wird.
Kurz erwidert Emil S. den Blickkontakt. Bald schaut er jedoch nur noch betreten zu Boden. Und er sieht mitgenommen aus. Im laufenden Gerichtsprozess ist es das erste Mal, dass man im Gesicht des Angeklagten so etwas wie eine Gefühlsregung erkennen kann. Ob er bereut, was er getan hat?
Dafür wäre es jetzt zu spät. Nichts kann entschuldigen, was getan worden ist. Nichts könnte die Angehörigen für das entschädigen, was ihnen geraubt wurde – entrissen worden ist. Nichts kann einen geliebten Menschen ersetzen.
Wie viel Leid mussten sie ertragen?
Um das zu erkennen, reicht es, Gabrieles Mutter für einen Augenblick ins Gesicht zu sehen. Wie viel muss die Frau gelitten haben? Mal sieht es so aus als würde sie im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. Doch dann werden ihre Gesichtszüge wieder hart und sie sieht den mutmaßlichen Mörder mit einer Mischung aus Verachtung, Abscheu und Ekel an.
Zusammen mit dem Bruder der Ermordeten ist sie aus Litauen gekommen. Damit die beiden der Verhandlung folgen können, ist eine Dolmetscherin anwesend. Ihre Worte scheinen die Trauernden jedoch kaum zu erreichen. Jedenfalls zeigen sie keinerlei Regung, egal, was gesagt wird.
Der Bruder starrt mit einem glasigen Blick ins Leere und scheint vollkommen in Gedanken versunken zu sein. Die Mutter ist völlig fixiert auf den Tatverdächtigen: Selten wendet sie den Blick länger als ein paar Sekunden von ihm ab. Wenn neue Zeugen den Saal betreten, mustert sie diese kurz. Aber dann schaut sie wieder voller Verachtung den Angeklagten an.
Aussagen der Polizisten decken sich
Was neue Erkenntnisse angeht, war der zwölfte Verhandlungstag wenig aufschlussreich. Drei Polizisten wurden über den Zugriff in Grünstadt befragt. Ihre Schilderungen decken sich weitgehend mit dem, was schon zuvor gesagt wurde.
Scheinbar hat niemand den Angeklagten belehrt. Scheinbar hat den Angeklagten niemand vorläufig festgenommen. Zumindest kann sich keiner der Polizisten erinnern, wer das gemacht haben soll.
Auffällig ist, dass jeder einzelne der sechs bislang befragten Polizisten die gleiche Formulierung verwendet hat, um zu beschreiben, wie man versuchte mit dem Angeklagten zu kommunizieren: „Mit Händen und Füßen“.
Wie kam der Angeklagte nach Grünstadt?
Momentan ist noch unklar, wie der Angeklagte am Abend der Tat zurück nach Grünstadt gekommen ist. Man hat einen Fahrschein bei ihm gefunden, der um 22:21 Uhr an einem Automaten im Mannheimer Hauptbahnhof erworben wurde. Diese Tickets gelten sofort und müssen nicht mehr entwertet werden.
Daher ist unklar, ob, beziehungsweise in welchen Zug der Angeklagte gestiegen ist – denn nach 22:00 Uhr habe es am Tag der deutschen Einheit im vergangenen Jahr „absolut keine Möglichkeit mehr“ gegeben mit dem Nahverkehr von Mannheim nach Grünstadt zu gelangen. Das sagte ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn aus:
Die nächste Verbindung gab es erst wieder ab 04:00 Uhr.
Es ist allerdings denkbar, dass der Angeklagte entweder bis nach Frankenthal, Neustadt oder Bad-Dürkheim gefahren ist und von dort aus ein Taxi genommen hat. Die Polizei hat verschiedene Anfragen an entsprechende Unternehmen gestellt, ob Aufzeichnungen über späte Fahrten nach Grünstadt vorhanden sind – bislang ohne Ergebnis.
Urteil früher als erwartet?
Der vorsitzende Richter, Dr. Ulrich Meinerzhagen, kündigte an, dass die Beweisaufnahme vermutlich diesen Donnerstag geschlossen werde – vorausgesetzt bis dahin geschieht nichts Unerwartetes. Wenn alles verläuft, wie es derzeit wahrscheinlich wirkt, werden ab der kommenden Woche die Plädoyers gehalten. Anschließend wird das Urteil verkündet.
Gabrieles Mutter und Bruder werden dann nicht mehr in Deutschland sein. Sie bleiben nur bis zum Wochenende. Gerne hätten sie die Urteilsverkündigung miterlebt, teilte die Nebenklägervertreterin Sandra Hausen auf Anfrage mit. Dies sei jedoch aufgrund ihrer Arbeit nicht möglich: Sie hätten nicht lange genug frei bekommen.