
Eines der Opferautos des Autobahnschützen. Der Tatverdächtige konnte im Juni 2013 nach fünf Jahren gefasst werden, seit August steht er vor Gericht – heute werden die Schlussplädoyers am Würzbuger Landgericht gehalten.(Foto: BKA)
Mannheim/Würzburg, 20. Oktober 2014. (red) Fünf Jahre lang verbreitete ein Mann auf deutschen Autobahnen Angst und Schrecken. Er schoss überwiegend auf Autotransporter und Lkw’s, insgesamt über 700 Mal. Er verletzte eine Frau schwer – und kam lange, ohne gefasst zu werden, davon. Das Bundeskriminalamt (BKA) konnte den Tatverdächtigen Anfang Juni 2013 in Kall in der Eifel (Nordrhein-Westfalen) festnehmen. Heute tragen Staatsanwalt und Verteidigung des 58 Jahre alte Lkw-Fahrers ihre Plädoyers vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Würzburg vor. Der Staatsanwalt fordert eine Haftstrafe von zwölf Jahren.
Die Serie der Anschläge auf Deutschlands Autobahnen begann 2008 mit neun registrierten Fällen. Meist zielte der Schütze auf mit Neuwagen beladene Autotransporter. Seit 2009 drückte er immer häufiger ab, traf auch Wohnmobile und andere Fahrzeuge. Betroffen waren die Autobahnen 3 bis 6, die A8 sowie die A61 in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Insgesamt soll es 700 Taten geben.
„Im Prozess um den mutmaßlichen Autobahnschützen forderte Oberstaatsanwalt Raufeisen am Montagvormittag eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren“, berichtet heute die Mainpost. Laut der Zeitung sehe der Staatsanwalt die Merkmale des versuchten Mordes in vier Fällen erfüllt: „Sie spielten Roulette mit dem Leben anderer Verkehrsteilnehmer.“
Angeklagt sind 172 Fälle, doch das sei „nur die Spitze des Eisberges“, zitiert die Mainpost das Plädoyer des Staatsanwalts. Wie viele Schüsse es tatsächlich waren, wisse nicht einmal der Angeklagte selbst.
„Nie auf Menschen gezielt“ – der Staatsanwalt sieht trotzdem einen fünffachen Mordversuch
Die Plädoyers der Verteidiger sind ebenfalls für den Montagnachmittag angekündigt. Sie sehen in den fünf, ursprünglich alle als Mord angeklagten fünf Fällen eher versehentliche Treffer, weil Michael K. sagte, er habe nie auf Menschen gezielt, berichtet die Mainpost.
46 andere Fälle, in denen es Zweifel daran gab, ob Michael K der Täter ist, wurden bereits vor dem Prozesstag am Montag eingestellt, berichtet die Mainpost. Der Prozess gegen den Autobahnschützen beschränkt sich auf die schwersten Anklagepunkte, rund 120 Treffer, davon fünf, die Menschen in Lebensgefahr brachten.
Der 58 Jahre alte Fernfahrer hat vor Gericht gestanden, dass er über Jahre hinweg mehr als 700 Mal vom Steuer aus auf andere Lastwagen geschossen hat. Als Grund nannte er Frust im Straßenverkehr. In fünf Fällen wird ihm versuchter Mord vorgeworfen, in einem Fall starb eine Autofahrerin bei Würzburg um ein Haar, als eine Kugel sie traf. Deshalb wird der Prozess in Würzburg verhandelt.
Das Urteil soll am 24. oder 30. Oktober verkündet werden. Der Prozess hatte Anfang August begonnen, an rund zehn Tagen wurde unter großem Medieninteresse verhandelt.
Kritik an der Fahndungsmethode
Bei der Fahndung wurden bundesweit Autobahnabschnitte mit Geräten zur Erfassung von Kennzeichen überwacht, die im großen Stil Daten der vorbeifahrenden Fahrzeuge sammelten. Die gewonnen Daten glichen die Ermittler mit den Fahrtstrecken des betroffenen Lkw ab. So kam das BKA dem Lastwagen-Fahrer aus der Eifel auf die Spur.
Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner kritisierte den längerfristigen Einsatz der Lesegeräte entlang ganzer Autobahnabschnitte allerdings. Es gebe «für diese bundesweit erstmals eingesetzte Ermittlungsmethode aus Datenschutzsicht keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage», sagte er in Mainz.
Millionen von unverdächtigen Personen geraten ins Visier der Ermittlungsbehörde, um einen Verdächtigen zu überführen,
mahnte Wagner das Vorgehen der Ermittlungskommission. Seinen Berechnungen nach wurden seit Dezember 60 bis 80 Millionen Datensätze unverdächtiger Menschen erfasst. Diese seien jedoch nach zehn Tagen in der Datenbank wieder gelöscht worden, wenn keine Anschläge für diese Datensammlung vorgelegen habe, erklärte daraufhin BKA-Chef Jörg Ziercke.