Mannheim, 20. April 2016. (red/ms) Die Fußgängerzone in den Planken habe einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, dass Mannheim zu der Einkaufsstadt geworden sei, die sie heute ist, sagt Baubürgermeister Lothar Quast (SPD). Allerdings sei sie auch „etwas in die Jahre gekommen“ und müsse nachgebessert werden – aber nicht mit einem „einfachen Face-Lifting“, sondern grundlegend. Dieser „kosmetische Eingriff“ kostet wohl etwa 30 Millionen Euro und soll bis zum Frühjahr 2019 fertiggestellt werden. Die ersten Hauptmaßnahmen sollen ab März 2017 umgesetzt werden.
Von Minh Schredle
Kaum ein Thema haben wir in diesem Gremium so intensiv vorberaten,
sagt Baubürgermeister Lothar Quast gleich zu Beginn der Sitzung am vergangenen Dienstag. Im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) wird das Projekt bereits seit 2008 diskutiert – und wurde zahlreiche Male wesentlich verändert.
Dass Stadträte und Verwaltung sich diese Zeit nehmen, ist richtig. Und wichtig. Denn ein Schnellschuss könnte für die Stadtentwicklung über Jahrzehnte hinweg negative Folgen haben – es geht um eine bedeutende Investition in die Zukunft Mannheims: Die Umgestaltung der Planken für geschätzte Kosten von knapp 30 Millionen Euro innerhalb der kommenden drei Jahre.
Der Betrag hat es in sich, denn die Haushaltslage ist misslich: Pro Jahr stehen der Stadt Mannheim insgesamt nur zwischen etwa 80 und 100 Millionen Euro für alle vorgesehenen Investitionen zur Verfügung. Davon müssen sowohl Straßen, Schulen und Schwimmbäder saniert werden, wie auch sämtliche Neubauprojekte der Stadt, wie etwa Brücken und Radwege, finanziert werden. Kurz gesagt: Alle Ausgaben der Stadt, die nicht fix sind.
Darf Mannheim sich dieses Projekt vor dem Hintergrund der Haushaltslage überhaupt leisten?
Aus Sicht der Stadtverwaltung ist die Antwort darauf eindeutig: Ja. Denn eine Aufwertung der Innenstadt verursacht kurzfristig zwar hohe Investitionskosten – macht sich langfristig aber bezahlt. Hoffentlich. Denn die Planken seien als Herz des regionalen Einzelhandels und immens bedeutend für Mannheim als Oberzentrum der Metropolregion, sagt Bürgermeister Quast.
„Die Innenstadt muss attraktiv bleiben“
Laut Herrn Quast habe die Fußgängerzone der Stadt wertvolle Dienste geleistet, sei nun aber „in die Jahre gekommen“. Sie dürfe ihre Anziehungskraft nicht verlieren:
Was wir brauchen, ist aber nicht einfach ein Face-Lifting – sondern grundlegende Eingriffe.
Doch Aufwertung und Umgestaltung sind eine heikle Operation: Das Volumen der Maßnahme umfasst nach Angaben der Verwaltung gut 20.000 Quadratmeter Verkehrsanlagen und etwa 6.800 Quadratmeter Gleisanlagen. Außerdem liege eine hohe Dichte an Handel- und Dienstleistungsgewerbe, darüber hinaus finde eine rege Wohnnutzung statt.
Schönheitschirurgie am offenen Herzen
Hier soll nun der gesamte Straßenbelag erneuert werden, ebenso das Gleisbett für den Nahverkehr. Die Stadt wird Bäume umholzen und neue pflanzen, Sitzgelegenheiten und Beleuchtungen sollen modernisiert werden, sogar das Design von Brezelständen und dem Kiosk am Paradeplatz wird angepasst. Parallel ist geplant, sämtliche Haltestellen barrierefrei auszubauen.
Gemeinderat und Verwaltung müssen verhindern, dass die Bauarbeiten dabei einen Infarkt verursachen: Wenn es zu lange zum Stillstand kommt, würde nicht nur der Einzelhandel vor Ort, sondern die gesamte Stadt Schäden davontragen.
Klar ist gleichzeitig ebenfalls: Ein derart massiver Eingriff ins Erscheinungsbild wird nicht ohne Einschränkungen möglich sein. Stadtrat Christopher Probst (Mannheimer Liste) spricht von „einer Operation am offenen Herzen“.
Die „springende Baustelle“
Wie die Verwaltung informiert, sei keine „einzelne Riesenbaustelle“ zu befürchten – sondern mehrere „klein zugeschnittene Baufelder“ mit einer Größe von etwa 100 bis 200 Quadratmetern. Die ersten Hauptmaßnahmen sollen nach aktuellem Planungsstand im März 2017 starten.
Dabei ist vorgesehen, dass immer nur ein Quadrat gleichzeitig bearbeitet wird, sodass in all den anderen ein uneingeschränkter Zugang zu den ansässigen Geschäften gewährleistet ist. Anschließend zieht die „springende Baustelle“ zum nächsten Quadrat weiter. Pro Baufenster sind drei bis acht Wochen eingeplant.
Durch die Untergliederung in Teilabschnitte verlängert sich zwar die Bauzeit – allerdings werden die Einbußen für den Einzelhandel deutlich weniger dramatisch ausfallen als etwa bei einer Vollsperrung. Nach Angaben der Stadt sollen die Arbeiten bis zum Frühjahr 2019 abgeschlossen sein.
Für die erneuerten Bahnhaltestellen und Gleisanlagen ist eine Bauzeit von zehn Monaten vorgesehen – für acht Monate, voraussichtlich ab dem Herbst 2017, wird wegen Baumaßnahmen kein Nahverkehr zwischen „Wasserturm“ und „Paradeplatz“ verkehren, die Bahnen werden analog zum Stadtfest umgeleitet. Acht Monate sind eine sehr lange Zeit, in der der Patient möglicherweise „künstlich beatmet“ werden muss.
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Auch die rnv wird sich an den Kosten für den Ausbau beteiligen müssen – wie sehr die Stadtfinanzen dadurch entlastet werden, ist gegenwärtig noch unklar. Die Verwaltung hält allerdings einen Betrag von rund 10 Millionen Euro für realistisch – das wäre eine erhebliche Entlastung für die klammen Kassen der Stadt.
Große Geschlossenheit bei den Grundsätzen
Nachdem das aktuelle Konzept vergangenen Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik vorgestellt worden ist, folgte eine konzentrierte und langatmige Diskussion: Knapp 1,5 Stunden befragten Stadträte die Verwaltung über Details wie die Ausgestaltung der „Baumschutzscheiben“ oder die gewünschte Qualität der künftigen „Brezelbuden“ – dass das Vorhaben nicht gründlichst durchdacht würde, kann nicht kritisiert werden.
Während es bei Kleinigkeiten noch Meinungsverschiedenheiten und Klärungsbedarf gibt, zeichnete sich ein überwältigender Grundkonsens ab: Die geschätzten Gesamtkosten von 29,33 Millionen Euro wurden einstimmig genehmigt – so viel Geschlossenheit im Gremium war bei einem Projekt dieser Größenordnung in der jungen Vergangenheit vergleichsweise selten.
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