Hirschberg, 20. Juli 2019. (red/pro) Am 21. Juli 2019 wählen die rund 8.000 wahlberechtigten Einwohner der Gemeinde Hirschberg an der Bergstraße einen neuen Bürgermeister (alle, die zur Wahl gehen und alle anderen auch). Vier Kandidaten stellen sich zur Wahl, nur zwei haben ernsthafte Chancen. Einer wiederum liegt “rechnerisch” vorne – fraglich ist, ob das für den Wahlsieg im ersten Durchgang reicht.
Von Hardy Prothmann
Leserinnen und Leser des RNB wissen, dass wir durchaus Wahlempfehlungen abgeben. Im Fall der Bürgermeisterwahl in Hirschberg ist das schwer – aus verschiedenen Gründen.
Der Bürgermeisterposten ist bekanntlich frühzeitig vakant geworden, weil der frühere Bürgermeister Manuel Just sich zur Wahl des Oberbürgermeisters 2018 in Weinheim stellte, fulminant die Wahl für sich entschied, aber dann fast ein Jahr wegen einer Wahlanfechtung auf den Amtsantritt warten musste.
Die nächste turnusmäßige Wahl in Hirschberg wäre 2023 gewesen, hätte 2018 stattfinden können, nun ist der Wahltermin der 21. Juli 2019.
Vier Kandidaten bedeuten keine große Auswahl
Vier Kandidaten treten an – zwei davon dienen eher Lokalzeitungen lange Artikel zu schreiben, um so etwas wie “Spannung” zu erzeugen.
Doch es fehlte im Wahlkampf jede Spannung Aus mehreren Gründen.
Die Kandidaten Jens Flammann und Tobias Wolk sind eigentlich nur Randfiguren. Der eine eine “schillernde Persönlichkeit”, der andere Gebäudereiniger. Man muss zu diesen Kandidaten keine langen Artikel schreiben, wenn man verantwortlichen politischen Journalismus betreibt – sie sind beide nicht für das Amt geeignet. Klar dürfen und können und sollen sie auch kandidieren, schließlich sollen die Wähler eine breite Wahlmöglichkeit haben, aber diese fokussiert sich eindeutig auf die Kandidaten Ralf Gänshirt und Christian Würz.
Gänshirt oder Würz – Würz oder Gänshirt?
Beide sind eng mit der Gemeinde verbunden, Herr Gänshirt als langjähriger Hauptamtsleiter im Rathaus, Herr Würz als langjähriger Gemeinderat und Fraktionsvorsitzender der CDU. Beide kennen die Gemeinde sehr gut und auch einander – sie sind im Privatleben Freunde.
Beide sind eher ruhige Naturelle und konnten im Wahlkampf, wie auch zuvor, die Dynamik eines Manuel Just nicht annähernd erreichen. Beide haben aber zum neuen Oberbürgermeister von Weinheim einen kurzen Draht, was sicherlich nicht von Nachteil für die Nachbargemeinden sein wird.
Beide haben auch ähnliche Vorstellungen, wie sich die Gemeinde in Zukunft entwickeln soll oder wie eben nicht.
Hirschberg ist eine Wohngemeinde mit wenigen Themen, denen man das Adjektiv “spektakulär” anheften wollte.
Trotzdem gibt es natürlich wie in der jeder Gemeinde immer Aufregerthemen und Probleme, die zu lösen sind. Dafür sind die Kandidaten Gänshirt und Würz sicherlich beide gleichermaßen gut geeignet.
Spektakuläre Unterstützung
Ein wenig spektakulär ist, dass Herr Gänshirt von drei Fraktionen des Gemeinderats unterstützt wird – den Freien Wählern, der Grün-Alternativen-Liste-Hirschberg und der SPD. Dass die Grünen mit den Freien Wählern sich für einen Kandidaten begeistern, das ist eher selten im Südwesten, gelten die Freien Wähler doch als konservativer als die CDU und sicher nicht als Freunde der Grünen. Auch SPD und Freie Wähler sind nicht eben typische “Koalitionspartner”.
Reich “rechnerisch” kommt Herr Gänshirt nach den Ergebnissen der aktuellen Kommunalwahl auf eine politische Unterstützung von rund 69 Prozent, während Herr Würz nur auf die knapp 23 Prozent der CDU zurückgreifen kann, die FDP mit knapp 9 Prozent wollte sich nicht festlegen.
Wahl noch nicht entschieden
Ist die Wahl damit schon entschieden? Aus RNB-Sicht nicht.
Als Ralf Gänshirt die Informationsveranstaltung zur Bürgermeisterwahl in Dossenheim besucht hatte, war mir klar, dass der Hauptamtsleiter mit den Gedanken auf eine Kandidatur spielte. Festlegen wollte er sich nicht, als ich danach fragte. Ich habe ihm trotzdem mitgeteilt, dass ich ihn, auf Grund meiner jahrelangen Eindrücke als Kandidaten den Wählern empfehlen würde – außer, es würde ein überzeugenderer Kandidat antreten. So viel Offenheit und Ehrlichkeit darf und muss aus meiner Sicht sein.
Damals hatte ich nur “gehört”, dass auch Herr Würz möglicherweise ein Interesse zeigt. Beide sind sehr lange nicht auf mich zugegangen und ich nicht auf sie.
In der Folge hat Herr Gänshirt den Takt vorgegeben – er war der erste Bewerber, hat zum ersten Pressegespräch eingeladen und sich insgesamt sehr solide präsentiert.
Äußerlichkeiten takteten den Wahlkampf
Der Wahlkampf wäre ein anderer geworden, wenn das “Timing” ein anderes gewesen wäre – aber die Wartestellung von Herrn Just war kniffelig für Herrn Würz. Als Gemeinderatskandidat antreten oder lieber nicht und alles auf eine Karte setzen? Dass er sich für die Gemeinde einsetzen will, ist glaubwürdig – aber letztlich hätte er als politischer Kandidat mit Parteibuch deutlicher auftreten müssen.
Hinzu kommt, dass Herr Gänshirt als parteiloser Kandidat nach außen unabhängiger wirkt – auch Herr Just ist parteilos, wenn auch eher konservativ eingestellt, aber eben ein Brückenbauer, dem es bei der letzten Wahl gelang, Freie Wähler, CDU, SPD und FDP hinter sich als Unterstützer zu vereinen. Und jetzt macht die GLH, durch einen Trend und nicht durch politisches Wirken zufällig zur größten Fraktion gewählt, die Kehrtwende und unterstützt die rechte Hand des früheren Bürgermeisters Just, den man nicht unterstützen wollte?
Das ist wenig glaubwürdig, sondern gar schon eine Wendehalshaltung, wie man sie selten gesehen hat. Herr Gänshirt ist sicher ein umsichtiger Hauptamtsleiter, der sich vernünftig auch um ökologische Themen kümmert, aber sicher kein Grüner.
Grüne, Freie Wähler und SPD ohne fachlich geeigneten Kandidaten
Richtig ist vielmehr – die Grünen, obwohl stärkste Kraft geworden, hatten niemanden, den sie an den Start bringen konnten. Dann schon lieber einen unabhängigen Kandidaten unterstützen, selbst, wenn der auch von den Freien Wählern unterstützt wird, als einen von der CDU. Das dürfte auch die “Strategie” der SPD sein.
So gesehen, gibt es zwei echte Unterstützungslager – die Freien Wähler mit knapp 27 Prozent für Herrn Gänshirt, die CDU mit knapp 23 Prozent für Herrn Würz. Unabhängig davon sind Bürgermeisterwahlen die absoluten Persönlichkeitswahlen, die wenig mit Parteipräferenzen zu tun haben.
Doch was ist das für eine Strategie der Freien Wähler? Glaubt man dort ernsthaft mit Grünen und SPD stabile Mehrheiten erzielen zu können?
Heimvorteil?
Aber auch das ist kniffelig – Herr Würz ist “Großsachsener” und wohnt auch dort im deutlich kleineren Ortsteil. Herr Gänshirt ist “Leutershausener”, wohnt aber in Weinheim. Wer hat nun den “Heimvorteil”?
Unsere Wahlempfehlung
Sie warten immer noch auf unsere Wahlempfehlung?
Die kommt jetzt: Wählen Sie einen der beiden Kandidaten, also Herrn Gänshirt oder Herrn Würz. Beide werden eine andere Ära einleiten, als man sie unter Herrn Just erlebt hat.
Unabhängig von dessen Dynamik – es wird weniger Geld geben in der Gemeindekasse und es braucht jemanden, der auch klar Nein sagen kann, weil eben nicht jeder Wunsch erfüllbar sein wird, Stichwort Sporthallendebatte.
Die Gemeinde Hirschberg wird in den kommenden Jahren jemanden brauchen, der ein breites Kreuz hat und sich gegen Begehrlichkeiten aus dem Gemeinderat stellt. Wer soll das sein – einer, der von einer “spektakulären Koalition” unterstützt wird oder einer, der ein Parteibuch hat, dass im Zweifel eher zur zweitgrößten Fraktion passt
Rechnerisch haben Freie Wähler mit fünf Sitzen und die CDU mit vier Sitzen plus einem Bürgermeister Würz zehn Stimmen und damit die Mehrheit, wenn es mal eng wird bei der Beschlussfassung – die FDP (zwei Stimmen) dürfte auch eher mit an Bord sein. Die Freien Wähler arrangieren sich mit Sicherheit mit einem Bürgermeister Würz.
Das spektakuläre Bündnis aus Freien Wählern, Grünen und SPD bringt es auf zwölf Stimmen, die aber als sehr unsicher zu sehen sind. Herr Gänshirt wird sich möglicherweise sehr verbiegen müssen, um dieses “Unterstützerlager” halten zu können.
Tatsächlich wird Herr Gänshirt sicher in der Lage sein, “Stimmen der Vernunft” zu sammeln, also auch von der CDU. Das macht ihn aus RNB-Sicht zum Favoriten. Andererseits hat Herr Würz bei der Kommunalwahl ein sehr starkes Ergebnis eingefahren – was für ihn spricht.
Wir gehen davon aus, dass es am Sonntag nicht für 50 Prozent plus eine Stimme mindestens reichen wird. Vermutlich wird die Wahl am 04. August bei der Neuwahl und dann mit den meisten Stimmen entschieden. Es kann nur einen geben und der gewinnt dann die Wahl.
Enttäuschend wäre für beide Kandidaten, wenn die Wahlbeteiligung gering wäre – je mehr wählen gehen, um so mehr Bürger verpflichten auch den Wahlsieger, selbst, wenn es knapp werden sollte.