Heidelberg, 20. Juni 2016. (red/hmb) Der „Dicke Turm“ wird zur 221b Baker Street – so ein schönes Wohnzimmer hatte Sherlock Holmes wohl noch nie. Mit Sound-Untermalung ermittelt der Privatdetektiv dort im Rahmen der Heidelberger Schlossfestspiele gemeinsam mit seinen Freunden. Das Premierenpublikum hatte am Sonntag bereits jede Menge zu lachen.
Von Hannah-Marie Beck
Er ist der berühmteste Detektiv der Welt: Bücher, Filme, Comics – es gibt nichts, was es über ihn nicht gibt. Zuletzt erlebte der selbsternannte „beratende Privatdetektiv“ einen Durchbruch in einer Serie – nun ermittelt er auch noch im Heidelberger Schloss. Von wem hier die Rede ist? Ganz klar. Sherlock Holmes.
Willkommen in der Baker Street
Der Dicke Turm wird zur 221b Baker Street. Eine tolle Bühne, die normalerweise gar nicht Besuchern offen steht – die Schlossfestspiele sind eine Ausnahme. Dramaturg Jürgen Popig hat eigens für die Aufführung ein Textbuch geschrieben und das Stück direkt an den besonderen Aufführungsort angepasst.
Distanzlos wirkt die Aufführung, sitzt man doch nur wenige Meter von den Schauspielern entfernt oder hoch über ihren Köpfen. Immer wieder können die Zuschauer dadurch direkt in die Aufführung eingebunden werden. Einmal soll zum Beispiel jemand aufrutschen, sodass sich die Darsteller ins Publikum setzen können.

Was für eine großartige Bühne! Wer Karten für die Aufführung hat sollte ein wenig mehr Zeit einplanen um noch die wunderschöne Aussicht zu genießen. Foto: Katharina Simmert
Mitten in einem neuen Fall
Die Schlossruine bei untergehender Sonne: So ein schönes Wohnzimmer hatte Sherlock Holmes wohl noch nie. Vielleicht ist er daher so gut gelaunt und vollkommen sorglos – obwohl er doch weiß, dass ein Mordanschlag auf ihn geplant ist.
Denn Sherlock (Florian Mania) ermittelt gegen Graf Negretto Silvius (Marco Albrecht) und seinen Gehilfen Sam Merton (Fabian Oehl). Er hat die beiden im Verdacht, den weltberühmten Mazarin-Diamanten gestohlen zu haben.

Foto: Annemone Taake
Nebenher löst der flinke Detektiv noch den ein oder anderen Fall. Dabei wird er, wie üblich, von seinen Freunden Mrs. Hudson (Maria Munkert) und Dr. Watson (Volker Muthmann) unterstützt.
Neu im Ermittler-Teams ist Lady Sound (Nina Wurman). Sie untermalt die Bewegungen auf der Bühne mit teilweise bewusst unpassenden oder stark übertriebenen Geräuschen. Das lockert das Stück nicht nur auf, sondern bringt die Zuschauer auch immer wieder zum Lachen.
Exzellent – Elementar – Emmentaler
Die Aufführung lebt von der großartigen Leistung der Schauspieler, das Stück von anzüglichen Witze und plattem Humor. Gut unterhalten wird man auf jeden Fall, doch die finale Pointe läuft auf diesen platten Witz heraus:
Wie so häufig lobt Watson: „Exzellent!“ Sherlock antwortet typisch: „Elementar.“ Daraufhin Mrs. Hudson, die das Abendessen bringt: „Emmentaler“ – und das Stück endet.

Foto: Annemone Taake
Für die Kleinen wird bei den diesjährigen Heidelberger Schlossfestspielen „Freund Till, genannt Eulenspiegel“ aufgeführt, das Kernstück bildet die Musicalproduktion „Kiss Me Kate“. „Sherlock Holmes“ hingegen ist wirklich ein Stück für die ganze Familie.
Der Hype um Sherlock Holmes

Foto: Annemone Taake
Weitere Aufführungen des Stückes finden vom 21. Juni bis zum 26. Juli statt. Die Karten sind zur Zeit allerdings restlos ausverkauft. Sherlock Holmes begeistert eben noch heute Jung und Alt.
Doch warum stehen eigentlich alle so auf den neurotischen Privatdetektiv und seine Geschichten? Wirklich sympathisch ist er einem nicht – einer von Sherlocks Feinden meint im Stück sogar: „Sie sind der Teufel in Person, Mr. Holmes.“ Und der erwidert nur unberührt:
Nicht doch, wenn schon ein entfernter Verwandter.
Vielleicht liegt es an den trockenen Sprüchen: Um Sherlock Holmes hat sich ein Kult gebildet, der anhält. Im Stück selbst trifft Sherlock auf ein richtiges „Fangirl“ Gwendolyn Cobb (Maria Munkert) ist hin und weg, ihrem Helden zu begegnen:
Allein die Vorstellung: Ich beim Händeschütteln mit Sherlock Holmes!
ruft sie begeistert, bevor die Flüchtige zurück in ihre Zwangsjacke und in die Psychiatrie gebracht wird.
Unter diesem Hype hatte Sherlocks Schöpfer, Arthur Conan Doyle, bereits zu Lebzeiten zu leiden: Wegen des überwältigenden Erfolgs durfte der Autor, der sich lieber anderen Interessen gewidmet hätte, nicht mit dem Schreiben von Sherlock Holmes Abenteuern aufhören. Immer wieder erhielt er neue Aufträge – bis er seinen Protagonisten letztlich sterben ließ.
_____________________
Lesetipp: Vorverkauf für die Heidelberger Schlossfestspiele beginnt

Bei den Heidelberger Schlossfestspielen vom 15. Juni bis zum 31. Juli wird gespielt, gesungen, getanzt und gelacht. Eine Vorstellung des diesjährigen Programms. Foto: Annemone Taake
Sherlock Holmes im „Dicken Turm“
_____________________