Rhein-Neckar, 19. März 2018. (red/pro) “Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht”, behauptete der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang März. Er kommentierte damit den Anteil für Ernährung für Menschen, die von Sozialhilfe leben. Ab heute dokumentiert Redaktionsleiter Hardy Prothmann zwei Wochen lang seinen täglichen Speiseplan. Die spannende Frage ist, ob und wie man sich von den 145,04 Euro pro Monat, die anteilig für Ernährung im Hartz IV-Regelsatz enthalten sind, ernähren kann. Es gibt heute Fleisch, Obst, Salat, Wurst, Milchprodukte, Brot und Käse – wie viel das wohl kostet?
Von Hardy Prothmann
Soviel vorab: Ich musste noch nie auf den Cent achten bei meinen Ausgaben für Lebensmittel. Ich kaufe preis- und qualitätsbewusst ein. Angebote nehme ich gerne mit und ich leiste mir auch gerne etwas Besonderes zu essen. Ich achte, wo es möglich ist, auf regionale Produkte, Nachhaltigkeit, Bio und insgesamt auf eine ausgewogene Ernährung.
Am ersten Tag bin ich an der Vorgabe gescheitert und auch nicht: 4,84 Euro habe ich durchschnittlich am Tag für Essen und Trinken zur Verfügung. Tatsächlich habe ich heute 5,13 Euro für meine Ernährung ausgegeben, allerdings auch für Lebensmittel, die nicht im Regelsatz enthalten sind. Ohne diesen Ausrutscher wären es 4,38 Euro gewesen.
Frühstück
Mein Frühstück an meinem ersten Tag als Hartz IV-Bezieher beginnt sättigend, aber auch energiebringend. Ich bereite mir einen “Smoothie” zu: Eine Banane (100 Gramm), Joghurt (100 Gramm), Milch (100 Gramm) und ein Schuss Blutorangensaft (50 Milliliter) kommen in den Mixer. Dazu trinke ich zwei große Tassen Kaffee, dessen Pulver ich selbst gemahlen habe. Einen Teil des Frühstücks nehme ich nach dem Aufstehen zu mir, einen zweiten Teil am Vormittag.
Mittagessen
Auf das Mittagessen freue ich mich: Salatherzen mit Hähnchenbrust und Paprika. Ich verwende eine halbe Paprika, ein Stück Salatherz, eine Frühlingszwiebel, 300 Gramm frische Hühnchenbrust. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Chili und Curry.
Ich schaffe die Portion nicht, der Smoothie war zu opulent. Am Nachmittag nasche ich ein Stücken Hähnchen und esse die andere Hälfte der Paprika.
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Abendessen
Zum Abendbrot gibt es den Rest des Mittagessens, gut ein Drittel ist übrig geblieben,
dazu eine ordentliche Scheibe Brot (100 Gramm) mit Ziegenfrischkäse (30 Gramm).
Über den Tag hinweg werde ich 1,5 Liter Mineralwasser getrunken haben sowie weitere 150 Milliliter Blutorangensaft. Dazwischen ein paar Gläser Leitungswasser.
Woher kommen die Lebensmittel und wie bereite ich sie zu?
Das Sauerteigbrot habe ich selbst gebacken. Es ist 1.222 Gramm schwer. Es besteht aus Mehl, Wasser, Salz und selbstgemachtem Brotgewürz aus Anis, Fenchel und Kümmel, als Pulver zermahlen: 400 Gramm Roggenmehl, 400 Gramm Weizenmehl und 400 Milliliter Leitungswasser. Ich habe dazu einen selbstgemachten Sauerteig aus Roggenmehl benutzt, diesen hochgefüttert auf 400 Gramm, dann mit dem Weizenmehl und dem Leitungswasser verknetet, gehen lassen und 40 Minuten bei 250 Grad Ober- und Unterhitze gebacken. Das Brot bleibt mehrere Tage frisch. Ein Kilo dieses Brots kostet 80 Cent. (Wie man so ein Brot backt, habe ich in den vergangenen vier Monaten gelernt – man muss experimentieren, aber alle Brote waren essbar, seit einiger Zeit backe ich extrem leckere Brote.)
Alle anderen Lebensmittel habe ich in verschiedenen Supermärkten gekauft. Teils im Angebot wie 600 Gramm Hühnchen für 2,99 Euro – 300 Gramm habe ich eingefroren, weil ich diese nicht zeitnah verbrauchen will. Im Angebot waren auch die Salatherzen, die Bio-Bananen, der Ziegenfrischkäse sowie die Blutorangen.
Das Hühnchen habe ich geschnitten und mit Öl in der Pfanne angebraten. Dazu habe ich einen Teil der Frühlingszwiebeln gegeben. Nach einem ersten scharfen Anbraten habe ich den Deckel auf die Pfanne gesetzt – jetzt gart das Fleisch durch und schwitzt Flüssigkeit. Zusammen mit Salz, Pfeffer, Chili und Curry entsteht eine leckere Soße.
Den Salat habe ich gewaschen und gezupft. Die Salatsoße besteht aus handelsüblichem mittelpreisigem Olivenöl, Essig, Salz, Pfeffer, dem grünen Teil der Frühlingszwiebeln und Petersilie, die ich selbst gezogen und eingefroren habe.
Für ein Kilo Kaffeebohnen habe ich mir guten Kaffee (Arabica) geleistet, der zehn Euro im Angebot gekostet hat. Ich rechne pro große Tasse zehn Gramm Pulver, was 10 Cent entspricht.
Das Mineralwasser stelle ich mit einem Sprudler selbst her. Dieser hat im Angebot 30 Euro gekostet. Eine Patrone kostet rund 8,50 Euro. Man kann damit rund 60 Liter Sprudelwasser erzeugen, macht also 14 Cent pro Liter (ein Liter Leitungswasser kostet rund 0,2 Cent). Der Preis ist günstig, ich erspare mir Plastikflaschen und die Schlepperei.
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Die Blutorangen habe ich ausgepresst und somit frischen Saft erhalten: Ich habe gleich alle gepresst. Aus den 1,5 Kilo kamen rund 850 Milliliter Saft heraus. Das macht hochgerechnet 1,60 Euro pro Liter – gepressten Direktsaft gibt es im Supermarkt billiger. Aber halt in der Plastikflasche und möglicherweise mit Konservierungsmitteln.
Zubereitungszeiten: Frühstück 3 Minuten, Mittagessen 30 Minuten, Abendessen 3 Minuten. Saft und Wasser 5 Minuten. In Summe 41 Minuten. Dazu rund 20 Minuten echte Arbeitszeit für das Brot, das aber über drei Tage vorbereitet worden ist.
Habe ich mich ausgewogen ernährt?
Wir führen hier keine Debatte über Fleisch oder kein Fleisch, Bio oder nicht. Bei der Frage zur ausgewogenen Ernährung haben wir den Grundumsatz und den Kalorienbedarf im Blick. Bei einem erwachsenen Mann sind das rund 2.000 Kalorien Grundumsatz und bis zu 2.900 bei normaler körperlicher Betätigung.
Zusammengerechnet komme ich heute auf rund 2.000 Kalorien und bin satt geworden.
Es gab Obst, Gemüse, Milchprodukte (Milch, Joghurt, Käse), Fleisch, Brot. Die Ernährung enthält Kohlenhydrate, verschiedene Eiweiße, verschiedene Fette, Ballaststoffe, Vitamine, also alles, was zu einer gesunden Ernährung gehört. Das Brot kommt ohne Konservierungsstoffe aus. Das Mittagessen war frisch zubereitet.
Bin ich mit dem durchschnittlichen Regelsatz ausgekommen?
Eindeutig ja. Und ich habe noch Sparpotenzial: Normale Banane statt Bio. Günstigeren Kaffee. Leitungswasser statt Sprudelwasser (relativ betrachtet sehr viel Geld). Direktsaft oder anderer Orangensaft statt Blutorangen. Ich hätte also unter den 4,38 Euro bleiben können. Tatsächlich bin ich drüber. Warum? Ich habe mir einen Viertelliter Riesling für eine Schorle gegönnt.
Der Regelsatz gibt aber nur Ausgaben für Nahrung und nicht-alkoholische Getränke vor. Die zusätzlichen 0,75 Euro haben mein Budget um 29 Cent “gesprengt”. Gerechnet auf den Monat hätte ich 8,70 Euro zu wenig. Geld, dass ich vom Regelsatz woanders abknapsen müsste. Ohne den Alkohol hätte ich am Monatsende 13,80 aus dem Nahrungsanteil des Regelsatzes übrig. Ich könnte also trotzdem Alkohol trinken, aber durchschnittlich nur 170 Milliliter pro Tag, wenn ich einen günstigen Riesling annehme (2,39 Euro pro Liter). Dies nur als Hinweis: Den Alkohol lassen wir künftig in der Berechnung weg, denn dafür gibt es vom Staat kein Geld, auch nicht für Zigaretten.
Was gibt es morgen? Soviel sei verraten: Brot ist dabei. Mittags bleibt die Küche kalt, abends gibt es eine Suppe.
Hinweis: Unsere Redaktionsküche ist nichts Besonderes. Die Ausstattung: Kühlschrank hoch mit Gefrierteil. 2 Induktionsherdplatten. Backofen. Küchenmaschine. Wasserkocher. Dazu typisches Kochbesteck, diverse Messer, Handrührgerät, Zauberstab, Schneidbretter, diverse Vorratsdosen, Schüsseln. Kleiner, mittlerer, großer Topf. Kleine und große Pfanne. Wassersprudler. Küchenwaage. Nicht eingerechnet sind Energiekosten – die sind aber auch nicht im Regelsatz enthalten. Wir berechnen Kosten für vorhandene Lebensmittel wie Öl, Essig und Gewürze und sonstige Zutaten.
Teilnehmer: Wir haben auf unseren Aufruf verschiedene Rückmeldungen erhalten. Parallel zu dieser Dokumentation schreiben die Teilnehmer auf, was diese in 15 Tagen ausgeben. Teilnehmer sind: Männlicher angestellter Single. Weibliche Studentin Single. Alleinerziehende Mutter, ein Kind. Angestellter Vater, angestellte Mutter, zwei Kinder. Klar ist: Je weniger Menschen zu ernähren sind, umso höher sind die Kosten und der Aufwand – die sich sonst auf mehrere Personen verteilen. Allein die Zeit spielt eine Rolle: Es macht wenig Unterschied, ob man für eine Person oder für vier Personen Mahlzeiten zubereitet. Größere Mengen erzeugen meist auch im Verhältnis kleinere Kosten.
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