Heidelberg, 19. Mai 2018. (red/pro). Im März kippte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH, Mannheim) die Sperrzeitenverordnung der Stadt Heidelberg von Ende 2016. Grund: Die Interessen der Anwohner seien zu wenig berücksichtigt – feierndes Volk in der Heidelberger Innenstadt mache zu viel Lärm und beeinträchtige dadurch erheblich die Gesundheit. Am Donnerstag sollte der Gemeinderat eine neue Regelung beschließen – doch statt einer Einigung herrscht weiter Streit.
Drei Gruppen betreiben Lobbyismus in eigener Sache: Die Wirte vor allem der Unteren Straße in der Altstadt, Studenten und Anwohner. Die Wirte wollen möglichst lange Öffnungszeiten, um Geschäft zu machen. Die Studenten wollen Party machen. Und die Anwohner wollen ruhig schlafen können. Hierfür braucht es einen vernünftigen Ausgleich, doch der ist aktuell noch nicht gefunden.
Die Stadtverwaltung schlägt vor, die Sperrzeiten in den Nächten zu Montag bis Freitag auf 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag auf 3 Uhr festzusetzen. Doch dabei spielten die Fraktionen im Gemeinderat nicht mit.
VGH mahnt längere Sperrfristen an
Nach der Landesregelung muss um 3 Uhr und am Wochenende um 5 Uhr „abgesperrt“ werden. Bislang galt in Heidelberg in den Nächten zu Montag bis Donnerstag 2 Uhr und Freitag bis Sonntag 4 Uhr.
Da der Gemeinderat aktuell keine Entscheidung getroffen hat, gilt fortan die Landesregelung, da der VGH die Regelung der Stadt aus 2016 aufgehoben hat. Im Ergebnis wäre das eine deutliche Verschlechterung der Situation – und ein klarer Verstoß gegen das Urteil des VGH, denn in der Güterabwägung müssen die gesundheitlichen Bedürfnisse der Anwohner berücksichtigt werden. Landesregelung hin oder her.
Oberbürgermeister Eckart Würzner weigerte sich, erst Anfang der Woche gestellte Anträge der Fraktionen zu behandeln, weil diese klar rechtswidrig seien. Die Anträge berücksichtigen seiner Auffassung nach zu wenig die Vorgaben des VGH, da keine deutliche Lärmentlastung eintrete und damit die Interessen der Anwohner nach wie vor zu wenig berücksichtigt seien. Die Linke forderte unter der Woche weiter bis 2 Uhr, die CDU am Wochenende bis 4 Uhr, die FDP gar bis 5 Uhr.
Falsche Vorwürfe
In der Sitzung wurden Vorwürfe laut, Würzner hätte den Gemeinderat zu spät über seine Rechtsauffassung informiert. Nach Informationen dieser Zeitung ist dies falsch – die Stadträte kannten sowohl das VGH-Urteil als auch die ablehnende Haltung des Oberbürgermeisters zu Anträgen von Montag und Dienstag, auf die Würzner am Mittwoch reagiert hatte.
Nach einer Sitzungsunterbrechung wurden die Anträge zurückgezogen und das Thema erneut an die kommende Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 13. Juni verwiesen.
In der Vergangenheit war ein „58-Punkte-Katalog mit Maßnahmen gegen Lärm in der Altstadt“ aufgelegt worden. 29 Punkte wurden durch die Stadt umgesetzt, 11 ließen sich nicht umsetzen, die anderen Punkte betreffen mögliche Einzelentscheidungen oder die Stadt ist nicht zuständig. Die Maßnahmen blieben ohne Erfolg, weshalb Anwohner letztlich klagten und vollumfänglich Recht bekamen.
Normenerlassklage droht
Der VGH hat dem Gemeinderat nicht vorgeschrieben, bis wann welche Uhrzeiten zu erlassen seien – das liegt im Entscheidungsbereich des Gremiums. Außer, es wird absehbar keine Entscheidung getroffen oder eine aus Sicht der Anwohner unzureichende. Dann könnte eine Normenerlassklage drohen, die letztlich auf die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Regelung hinauslaufen dürfte.
Anfang 2016 wurde ein 58-Punkte-Katalog mit Maßnahmen gegen Lärm vorgelegt. Polizei und kommunaler Ordnungsdienst überwachen die Einhaltung der Sperrzeiten verstärkt. Es gibt Platzweise und Bußgelder, aber auch eine stärkere Vernetzung und Kommunikation. Gutachten wurden eingeholt. Über einen Bebauungsplan soll die Zahl der Gaststätten eingeschränkt werden. Wesentlich verbessert hat sich die Situation nicht. Ganz im Gegenteil – seit Ende Februar wurde die Polizeipräsenz (Sicher in Heidelberg, wir berichteten) verstärkt, wegen zu viel Lärm, Schlägereien und Kriminalitätsproblemen.