Rhein-Neckar/Stuttgart, 19. Mai 2016. (red/pro) Am vergangenen Wochenende wurde Anzeige gegen den früheren Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) erstattet. Nicht in einer beruflichen Sache, sondern privat. Die Anzeigenerstatterin wirft dem Politiker vor, sie vergewaltigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat auf Anfrage die Ermittlungen bestätigt – verschiedene Medien haben sich bereits begierig auf das Thema gestürzt.
Anm. d. Red.: Wir veröffentlichen diesen Bericht, da verschiedene Zeitungen (Bild: “Jetzt wird es schmutzig”) und auch der SWR das Thema groß aufgemacht haben, allerdings ohne eine notwendige Einordnung. Tatsächlich hätten wir, wäre uns die Strafanzeige zugetragen worden, diese Information nicht veröffentlicht, weil wir der Auffassung sind, dass aktuell kein öffentliches Interesse besteht. Herr Bonde hat keine politischen Ämter mehr, ist unserer Auffassung nach aktuell nur noch sehr bedingt eine “Person des öffentlichen Lebens” und hat ein Recht auf Privatsphäre. Insbesondere Vorwürfe einer “Vergewaltigung” sind geeignet, den Ruf einer Person außerordentlich zu beschädigen, selbst wenn sich diese als unbegründet herausstellen sollten. Wir weisen unsere Leserschaft deshalb explizit darauf hin, dass eine Anzeige und Ermittlungen noch lange keine Anklage und schon gar kein Schuldspruch sind. Herr Bonde hat sich selbst in der Sache nicht geäußert, was sein gutes Recht ist und ebenfalls keinerlei Rückschlüsse zulässt, ob die Vorwürfe zutreffend sind oder nicht. Wir sind nicht für den Schutz der Ehre von Herrn Bonde zuständig, achten aber sehr genau darauf, was von öffentlichem Interesse ist und was nicht – zur Aufklärung der Öffentlichkeit in dieser “Causa” halten wir die Behandlung des Themas unter den gegebenen Umständen für zulässig, um aufzuzeigen, was Journalismus leisten sollte und was nicht. Lesen Sie zum Thema auch “Hauptsache untenrum – Medien im Liebeslusttaumel”.
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Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte uns, dass sie selbst keine Meldung zu den Ermittlungen herausgegeben hatte. Eine Stuttgarter Zeitung hat wohl einen “Tipp” bekommen und die Staatsanwaltschaft angefragt.
Gezieltes Interesse
Umgekehrt bedeutet das, dass jemand ein gezieltes Interesse hatte, dass diese Nachricht publik wird. Nach unseren Informationen ist die Anzeigenerstatterin eine frühere Parteikollegin des Ministers, die vor einigen Wochen über Facebook behauptet hatte, dass die beiden über Jahre ein intimes Verhältnis miteinander hatten.
Infolge dieser “Veröffentlichung” zog der grüne Spitzenpolitiker zurück und stand nicht mehr für ein Ministeramt der neuen Regierung Kretschmann zur Verfügung. Herr Bonde appellierte eindringlich, seine Privatsphäre zu respektieren. Er ist mit einer früheren CDU-Bundestagsabgeordneten verheiratet und hat mit seiner Ehefrau drei gemeinsame Kinder.
Sex geht aus Mediensicht immer
Nach der ersten Veröffentlichung legte die Dame nach – die Story ging durch die Boulevardpresse und auch vermeintlich seriöse Medien “ergötzten” sich am “Sex-Skandal”. Auch wir hatten berichtet – mit angemessener Zurückhaltung.
Angeblich soll es laut Medienberichten in der jüngeren Vergangenheit ein weiteres Treffen zwischen Herrn Bonde (41) und der Frau (26) gegeben haben – danach wurde die Anzeige erstattet. Angeblich soll die Frau sich gestern gegenüber Journalisten geäußert haben, es handle sich um ein “Missverständnis”.
Ermittlungen werden geführt – ob “Missverständnis” oder nicht
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen und wird diese selbst dann weiterführen, wenn die Anzeige zurückgezogen werden. Der Straftatbestand der Vergewaltigung ist ein “Offizialdelikt” – das bedeutet, dass Behörden auch ohne eine Strafanzeige ermitteln müssen.
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Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist immer, sowohl belastende als auch entlastende Beweise zu ermitteln. Auf Nachfrage erklärte die Staatsanwaltschaft, über das “Missverständnis” bislang nicht durch die Anzeigenerstatterin informiert zu sein, diese Darstellung aber aus Medienberichten erfahren zu haben: “Das ändert nichts daran, dass wir weiter ermitteln”, sagte uns ein Sprecher.
Sollten sich die Vorwürfe als nicht stichhaltig erweisen, wird die Staatsanwaltschaft prüfen, inwieweit die Anzeigenberichterstatterin sich nach § 164 Strafgesetzbuch einer falschen Verdächtigung strafbar gemacht hat. Dieser Straftatbestand kann mit Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Politische Zukunft offen
Die politische Zukunft Bondes ist offen. Der frühere Bundestagsabgeordnete wurde für seine Kompetenz und seine Leistungen als Landwirtschaftsminister von 2011-2016 parteiübergreifend geschätzt und galt als aussichtsreicher Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg als Nachfolger von Winfried Kretschmann.
Durch die Gerüchte ist seine Karriere erheblich beschädigt worden. Da er kein Landtagsabgeordneter ist und in der Landesregierung kein Amt mehr inne hat, steht ihm aktuell ein Übergangsgeld als früherer Minister zu. Die Dauer errechnet sich nach Dienstjahren im Amt.