Mannheim, 19. Juni 2015. (red/ms) Gestern begann der Ramadan, ein Monat, der im Islam heilig ist. Etwa 1,4 Milliarden Menschen weltweit gehören dem muslimischen Glauben an – in Mannheim sind es etwa 30.000. Viele von ihnen kamen gestern auf dem “Orient Festival” auf dem neuen Messplatz in der Neckarstadt zusammen. Zwischen dem 18. Juni und dem 12. Juli rechnet das Fest mit rund 100.000 Besuchern. Das erklärte Ziel ist es, Barmherzigkeit zu verbreiten und eine Begegnung zwischen verschiedenen Kulturen und Glaubensrichtungen zu schaffen.
Von Minh Schredle
Wenn du satt bist, aber dein Nachbar Hunger leidet, dann bist du nicht wirklich ein Teil dieser Glaubensgemeinschaft.
Dr. Bekir Alboga ist der Generalsekretär von DITIB (Diyanet Isleri Türl Islam Birligi, auf Deutsch: “Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religionen”). Schönen Worten müssten schöne Taten folgen, so Dr. Alboga. Bei der Eröffnung des “Orient Festival Mannheim” prangerte er in seiner Rede viele Missstände im Nahen Osten und auch in Europa an und erinnerte daran, dass der Islam “eine Religion der Barmherzigkeit” sei.

DITIB-Generalsekretär Dr. Bekir Alboga appellierte daran, für die Armen und Bedürftigen einzustehen.
In diesem Zusammenhang sprach Dr. Alboga auch die Situation von tausenden Flüchtlingen an, die auf dem Seeweg über das Mittelmeer ihre Leben verlieren und forderte hier mehr Engagement, vor allem von der Politik. Für seine Worte bekommt Herr Alboga viel Applaus – offenbar spricht er den Anwesenden aus der Seele.
“Ich glaube, viele unterschätzen, wie sehr wir Muslime unter islamistischem Terrorismus leiden,” sagt ein Journalist von Hürriyet, der größten türkischen Tageszeitung, gegenüber dem Rheinneckarblog:
Es ist einfach furchtbar, wie sehr das Image so vieler völlig normaler Menschen unter den Schandtaten dieser Extremisten leidet. Das hat überhaupt nichts mit dem Islam tun.
Ulvi Keskin von der Keskin-Stiftung, die das Festival überwiegend finanziert, erklärt, man wolle eine Brücke bauen und die Begegnung zwischen Kulturen ermöglichen: “Natürlich sind auch andere Religionen herzlich willkommen.” Zu den wertvollsten Werten im Islam würden Respekt, Toleranz und Barmherzigkeit gehören – das sollen auch die Leitmotive des Festivals sein.

Gegen 20:00 Uhr waren ein paar hundert Besucher auf dem Festivalgelände verteilt – nach dem Sonnenuntergang wurde es dann schnell sehr viel voller.
Auf dem Neuen Messplatz in der Neckarstadt-West sind während des Ramadans rund 100 Zelte aufgeschlagen: Hier gibt es Verkaufsstände, Fahrgeschäfte für Kinder, Zelte zum Beten, eine große Bühne – und nach Sonnenuntergang einen regelrechten Ansturm auf die Essensstände.
Der Ramadan gilt im Islam als heiliger Monat, in dem der Koran herabgesandt worden sein soll. Gläubige Muslime sind in der Zeit des Ramadans dazu angehalten, zu fasten. In manchen Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, wird das Fastengebot mit drastischer Härte durchgesetzt und Verstöße werden teilweise mit Haftstrafen geahndet. In Saudi-Arabien werden sogar Nicht-Muslime bestraft, wenn sie bei Tag in der Öffentlichkeit essen, trinken oder rauchen.
Eigentlich solle das Fasten das Bewusstsein für die Armen, Bedürftigen und Hungerleidenden schärfen, sagt DITIB-Generalsekretär Alboga. Er distanziert sich deutlich von einem Zwang, vor allem gegenüber Nicht-Muslimen.

Auch die Kinder des muslimischen Kindergartens “Lalezar” betraten die Bühne – und waren das Fotomotiv des Abends.
Das Orient Festival findet dieses Jahr zum ersten Mal statt – nach Angaben des Veranstalters rechnet man mit etwa 100.000 Besuchern zwischen dem 18. Juni und dem 12. Juli. Vor allem das Fest des Fastenbrechens – einer der bedeutensten muslimischen Feiertage – soll ein großes Ereignis werden. Ein junger Türke sagt dazu:
Es ist toll, dass es jetzt so ein Fest gibt. Für uns Muslime gibt es keine Zeit, die wichtiger ist als der Ramadan. Jetzt können wir Mannheim viel besser zeigen, was unsere Kultur bedeutet.
Am ersten Tag waren augenscheinlich jedoch nur wenige Nicht-Muslime anwesend. Der Mannheimer Gemeinderat ist nur durch die beiden SPD-Stadträte Marianne Bade und Petar Drakul vertreten gewesen. Allerdings war auch Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) vor Ort und hat ein Grußwort gehalten.

Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz wandte sich kurz vor Sonnenuntergang in einem Grußwort an die Gäste und bekräftigte, dass Mannheim auch in Zukunft für Weltoffenheit, Toleranz und einen Dialog der Kulturen einstehen werde.
Anm. d. Red.: Verschiedene Sonderzeichen aus der türkischen Sprache wurden in diesem Artikel nicht korrekt wiedergegeben. Das ist keine Nachlässigkeit, sondern hängt damit zusammen, dass diese Zeichen von unserem System nicht erkannt werden und stattdessen als Fragezeichen angezeigt werden würden.