Mannheim, 18. Juni 2017. (red/cr) Der Seebühnenzauber wurde am vergangenen Samstag mit Literatur eröffnet: Der Autor Rafik Schami erzählte frei von seiner Heimatstadt Damaskus, anstatt eine Lesung zu halten. Er verzauberte das Publikum mit Charme, witzigen Anekdoten und lebhaften Bildern. Und Engagement, denn er warb für das Buchprojekt „Suppen für Syrien“. Der Erlös aus dem Verkauf des Buches wird dazu eingesetzt, traumatisierten syrischen Kindern zu helfen.
Von Christin Rudolph
Eine mentale Stadtführung durch Damaskus, gespickt mit Anekdoten über Gläubige, Diebe und schlaue Mütter. Und das alles noch für einen guten Zweck.
So wurde in diesem Jahr die Veranstaltungsreihe Seebühnenzauber im Luisenpark eröffnet. Den Abend füllte ein einziger Mann: Autor Rafik Schami.
Schon lange lebt er in Deutschland. Doch ursprünglich stammt er aus Syriens Hauptstadt Damaskus. Sie und sein Leben dort beschrieb er vor den knapp 1.000 Zuhörern der ausverkauften Seebühne.
Charmant und humorvoll malte er Bilder vom „Fundbüro der Kulturen“, wie er Damaskus in Anspielung auf die verschiedenen Kultureinflüsse nannte.
Damaskus wurde oft erobert. Und jeder Eroberer hat etwas bei uns vergessen, als er wieder ging: Hier ein paar griechische Säulen, dort ein Museum.
So beschrieb er etwa eine prachtvolle Hauptstraße mit Arkaden zu beiden Seiten und einer Straße in einer Vertiefung in der Mitte „für alles, was Dreck macht“ – Wagen, Esel, Pferde. Wenn man sich im Labyrinth der engen Gassen verirrt habe, müsse man nur kurz auf diese gerade Straße gehen – und schon wisse man wieder, wo man sei.
Stadt im Wandel der Jahrhunderte
Seit der Fertigstellung dieses Werkes griechischer Architekturkunst sei die Straße jedoch immer schmaler geworden.
Die Bewohner haben sich in die Straße gefressen. Deswegen kann es heute etwa vorkommen, dass man in der dritten Häuserreihe eine griechische Säule findet.
Der Autor spricht nicht nur über die Architektur der Stadt, sondern auch exemplarisch über seine Bewohner. Etwa über seine Tante, die die beste Gerüchteverbreiterin von ganz Damaskus gewesen sei. Er ist also nicht der einzige in der Familie mit einem „erzählerischen Talent“.
In Damaskus, erzählte Rafik Schami, könne man den ganzen Tag auf dem Markt sein, ohne etwas zu kaufen – Einkaufen sei Informationsaustausch. Danach weiß man, was los ist in der Stadt. Das Einkaufen in Deutschland sei dagegen nur ein schlichtes „Abholen“ von Waren.
Lebhafte Bilder und viel Humor
Was seine Erzählung spannend macht, ist die Mischung. Hier ein geschichtlicher Fakt, dort eine Legende, dann ein Verweis auf eine biblische Erzählung, eine Überleitung zu einer Anekdote und persönliche Erinnerungen. Vor allem bei Anekdoten aus seiner Kindheit erzählt er, als sei alles erst gestern geschehen.
Etwa als seine Mutter ihm verboten hatte ans Meer zu gehen und er es trotzdem getan hatte: Wie ein Detektiv fand sie Beweise für seinen Ungehorsam. Fast mitleiderregend war seine Schilderung über den Nachtisch, den er als Strafe nicht bekam. Die anderen „angepassten Kinder“, so der Erzähler, hätten sich so über ihr Eis gefreut.
Es sei ein großes Glück, dass Gott immer schnell den Zorn der Mütter über ihre Kinder lösche.
Sonst würden die Kinder ja gar nicht überleben!er
Unterschiede der Kulturen
Von Details schlägt Rafik Schami immer wieder den Bogen zu größeren Beobachtungen.
Die Bilder in der Kirche seines Viertels in Damaskus seien etwa aus Italien. Denn dort lebten große Maler.
Die Araber können nicht malen. Welche Motive auch? Eine Landschaft, das sind 300 Kilometer Gelb, dann 500 Kilometer Dunkelgelb und am Himmel festgenagelte Wolken. Das Auge ruht. Dafür bewegt sich die Zunge der Araber mehr,
sagte er in Anspielung auf die rege Gerüchteküche. Beim Publikum kam der Autor sehr gut an. Vor allem die Generationen 35 aufwärts waren vertreten, viele schienen Rafik Schami und seine Bücher zu kennen.
In der Pause und nach der Zugabe war er sehr gefragt. Denn er erzählte nicht nur von seiner geliebten Heimatstadt, sondern warb auch für ein Projekt, das ihm sehr am Herzen zu liegen scheint.
Suppen, die helfen
Beim Buchprojekt „Suppen für Syrien“ geht der Erlös aus dem verkauften Kochbüchern an einen Verein, der sich für traumatisierte syrische Kinder einsetzt.
Rafik Schami ist selbst Mitbegründer und Initiator dieses Hilfsvereins, Schams e.V.. Er hat das Vorwort zu den Rezepten geschrieben und bewirbt das Buch bei seinen Auftritten.
So berichtete er lebendig von der Kochbuchautorin Barbara Abdeni Massaad, die zusammen mit ihrem amerikanischen Verleger Michel Moushabeck namhafte internationale Köche gebeten hat, ihre besten Suppenrezepte für dieses Buch zu schenken.
Wissen Sie, ihr amerikanischer Verleger ist zufällig auch mein Verleger…,
sagte er über die Kochbuchautorin. Es sei eins zum anderen gekommen.
100 Prozent guter Zweck
So hat er nicht nur das Vorwort für das Buch geschrieben, sondern auch einen Verlag gesucht und gefunden. Dank der Großzügigkeit des Dumont-Verlags kann der Erlös zu 100 Prozent an den Verein Schams e.V. gehen.
Das Kochbuch fand am vergangenen Samstag im Luisenpark großen Anklang. Ebenso die Suppe, die nach der Veranstaltung für die Besucher bereitstand. So bildeten Engagement, Erzählkunst und Suppe eine runde Sache.
Worüber Rafik Schami an diesem Abend kaum sprach, war die aktuelle Lage in Damaskus und Syrien. Schaut man in die Nachrichten, werden vor allem Bilder von Zerstörung gezeigt. Häuser, Schulen, Kulturstätten, alles liegt in Schutt und Asche.
Erinnerungen an das Leben vor dem Krieg
Wie viel ist noch übrig von dem Viertel, in dem der Autor aufwuchs? Von seiner Schule? Seine Erinnerungen und das Bild von der Stadt, die er so schön beschreibt, zeigen ein Leben vor dem Krieg.
In einem Nebensatz zu Anfang erwähnte er, dass der Krieg sicher noch lange andauern würde und bekam Zustimmung von den Zuhörern. Doch Rafik Schami ließ diese düstere Erwartung nicht alleine stehen, sondern verband sie im selben Satz mit Hoffnung.
Denn weil man beim Schams e.V. nicht von einem nahen Frieden ausgehe, würden die Projekte langfristig angelegt. Durch Bildung könnten sich wenigstens einige Kinder aus der Perspektivlosigkeit retten.
Auch wenn das Damaskus aus seinen Erinnerungen verloren ist, Rafik Schami resigniert nicht. Er ergreift mit dem Verein Initiative, denn nur so könne man sicherstellen, dass das Geld zu 100 Prozent bei den Kindern ankommt.