Rhein-Neckar/Mannheim, 18. Dezember 2015. (red/ms/pro) Die Alternative für Deutschland legt in den jüngsten Prognosen immer weiter zu. Kritiker sehen die Partei als „rechtspopulistisch“ an, Verfechter und Unterstützer betonen eine „bürgerlich-liberal-konservative“ Gesinnung. Wir differenzieren und stellen beide Seiten dar. Am 03. Dezember trat die Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch im Schützenhaus Feudenheim auf, nachdem der ursprüngliche Veranstaltungsort, das Hotel Wyndham, die Saalzusage zurückgezogen hatte. Wir haben Frau von Storch zu einem Exklusiv-Interview getroffen.
Interview: Minh Schredle und Hardy Prothmann
Frau von Storch, Sie sind Abgeordnete in einer Institution, der sie absprechen, ein Parlament zu sein. Ist das nicht paradox? Wie passt das zusammen?
Beatrix von Storch: Das EU-Parlament hat zum Beispiel kein Gesetzesinitiativrecht. Doch nur weil die AfD einige Kritikpunkte am EU-Parlament hat, heißt das ja nicht, dass wir deswegen anderen Parteien das Feld überlassen. Ich habe 2013 kandidiert und wurde 2014 gewählt. Diesem Auftrag der Bevölkerung komme ich nach.
Worin liegen denn konkret Ihre Kritikpunkte am Europaparlament?
Storch: Europa ist größer als die Europäische Union. Deswegen nenne ich es das „EU-Parlament“. Es ist aber gar nicht wirklich ein demokratisches Parlament.
Wie meinen Sie das?
Storch: Demokratische Wahlen setzen voraus, dass alle Stimmen gleich viel zählen. Das tun sie im EU-Parlament nicht. Jeder Abgeordnete aus Deutschland repräsentiert etwa 800.000 Wähler. Kleinere Länder werden bevorzugt. Ein Mandatsträger aus Malta repräsentiert beispielsweise nur um die 80.000 Menschen – seine Stimme hat aber genauso viel Gewicht wie die eines deutschen Abgeordneten. Im Verhältnis also etwa zehn Mal mehr. Und das ist auf keinen Fall demokratisch.
Keine „faulen Kompromisse“
Wie arbeitet man unter diesen Umständen?
Storch: Wir bringen uns natürlich trotzdem ein und arbeiten konstruktiv mit. Das Parlament arbeitet ja ständig mit wechselnden Mehrheit, die sind mal links, mal konservativ. Wir denken dabei nicht festgefahren und stimmen dem zu, was wir für sinnvoll halten. Aber wir unterstützen keine faulen Kompromisse – und davon gibt es im EU-Parlament leider viele.
Die Entscheidungsfindung in einer Demokratie lebt von ihren Kompromissen – anders sind meist keine Mehrheiten möglich. Was unterscheidet denn einen „faulen Kompromiss“ von einem gerechtfertigten?
Storch: Das EU-Parlament bereitet gerade die Bankenunion vor und ein Teil des Konzepts ist die gemeinsame Einlagensicherung. Eine Vergemeinschaftung der deutschen Einlagensicherungsfonds lehnen wir aber grundsätzlich ab. Durch Oppositionsarbeit können wir vielleicht erreichen, dass am Ende eine Lösung zustande kommt, die nicht ganz so schlecht ist wie der Antragsentwurf. Trotzdem bleibt aus unserer Sicht jede wie auch immer gestaltete gemeinsame Einlagensicherung nur ein fauler Kompromiss und deswegen werden wir das ablehnen.

Deutlich mehr als 150 Besucher kommen zu Frau von Storchs Vortrag – am Ende stehen etwa drei Viertel der Besucher auf und geben Standing Ovations.
Vor Ihrer Tätigkeit als Abgeordnete waren Sie als Rechtsanwältin tätig mit einer Spezialisierung auf Insolvenzrecht. Ist die EU ein Insolvenzfall?
Storch: Die EU als solche nicht. Aber viele Banken und sogar Staaten sind Insolvenzfälle. Es gibt aber gar kein Staateninsolvenzrecht und das ist ein großes Problem, denn das bräuchten wir eigentlich. Auch insolvente Banken müssten ganz anders behandelt werden. Auch Banken sind ganz normale Unternehmen. Sie dürfen keine Privilegien haben. Wenn sie pleite gehen, müssen sie abgewickelt werden.
Was wird denn falsch gemacht?
Storch: Ich habe zehn Jahre Insolvenzverwaltung gemacht. Und ich habe in dieser Zeit kein einziges Unternehmen gesehen, das man irgendwie so hätte sanieren können, wie man es gerade mit großen Banken versucht – oder auch mit Staaten. Sie sind finanzwirtschaftlich und operativ defizitär. Man kann nicht versuchen, die Schulden weiterhin zu bedienen und gleichzeitig den operativen Bereich wieder ins Positive zu bringen. Das funktioniert schon bei der kleinsten Gesellschaft nicht und es funktioniert auch bei Banken und Staaten nicht.
„Europa wird nicht zum Staatenbund, sondern zum Bundesstaat“
Welche Lösungen hat denn die AfD anzubieten, um Europa aus den Krisen zu helfen? Oder ist Europa an sich eine schlechte Idee, die niemals funktionieren wird?
Storch: Ganz im Gegenteil: Europa ist sogar eine sehr gute Idee und die befürworten wir – aber so wie sie ursprünglich gedacht war: Als Verbund souveräner Nationalstaaten, die in den Bereichen zusammenarbeiten, in denen es sinnvoll ist. Aber eben nicht in allen Bereichen, in denen man irgendwie zusammenarbeiten kann. Es hat nie ein „europäisches Empire“ gegeben, das in einem großen Verbund nach Außen gewirkt hat. Europa zeichnete sich schon immer dadurch aus, dass es aus souveränen Einzelstaaten bestanden hat, die in einem Wettbewerb zueinander standen und so in der Summe einen größeren Mehrwert schufen, als das vielleicht ein Empire kann. Wir wollen die Geschichte Europas erhalten.
In der EU verlieren also Staaten ihre Souveränität?
Storch: Das ist die Entwicklung, die wir beobachten. Europa entwickelt sich nicht zunehmend zu einem Staatenbund, sondern zu einem einzelnen großen Bundesstaat. Das lehnen wir ab.
Es gibt aber Bereiche, in denen sich die internationale Zusammenarbeit lohnt?
Storch: Natürlich gibt es die. Es gibt sogar Bereiche, in denen es regelrecht sinnlos ist, das nicht zu tun. Paradebeispiel Atomkraft: Es ist vollkommen absurd, zu sagen: „Wir hier in Deutschland schalten unsere Kraftwerke ab“ – aber gleichzeitig werden in Polen und Frankreich neue gebaut, die uns dann den Strom verkaufen, den wir selbst dann nicht mehr haben. Es gibt noch viele andere Beispiele. Wir bräuchten auch eine gemeinsame Außenpolitik.
Die gibt es nicht?
Storch: Es wäre sehr sinnvoll, wenn es die gäbe. Aber gerade werden noch zu viele nationale Einzelinteressen verfolgt. Da funktioniert es nicht, durch einen europäischen Bundesstaat künstlich eine Geschlossenheit erzeugen zu wollen, die nie existiert hat.
„Sprachbarrieren schließen aus“
Nun wächst das Projekt Europa ja nicht erst seit gestern und aus unserer Sicht gibt es durchaus etwas wie eine europäische Identität. Wenn man sich das System in der Bundesrepublik Deutschland anschaut funktioniert das doch ganz gut mit den Bundesländern und auch die Weltmacht USA müssten nach Ihrer Definition ja ebenfalls ein Bundesstaat sein. Wo liegen dabei die Unterschiede zu einer europäischen Union? Können wir nicht auch föderativ zusammenarbeiten?
Storch: Wir wollen die Souveränität der Einzelstaaten sichern, die dort zusammenarbeiten, wo es gemeinsame Kompetenzen gibt – aber nicht in den Aspekten, die die Souveränität dieser Staaten berührt. Demokratie heißt „Herrschaft des Volkes“ – und zwar „Herrschaft des Volkes über sich selbst“ – nicht über andere Völker. Das geschieht aber in Europa: Große Nationen können den kleineren ihren Willen aufzwingen, seit einigen Jahren mit der Troika beim Euro, heute beim Asyl. Das halten wir für extrem problematisch. Zumal es historisch bedingt auch gar kein gemeinsames „europäisches Volk“ gibt. Wir sprechen 24 verschiedene Sprachen.
Trotzdem klappt es mit der Verständigung.
Storch: Aber lange nicht perfekt. In Brüssel erlebe ich immer wieder, wie Sprachbarrieren in Diskussionen für massive Probleme sorgen. Und das ist nur logisch, wenn es keine Gemeinschaftssprache gibt, die alle beherrschen.
Dafür gibt es doch Dolmetscher.
Storch: Die sind aber lange nicht immer dabei. Ein kleines Beispiel: Ich verhandele für meine Fraktion die Bankenunion. Da gibt es Hintergrundgespräche mit Vertretern der EZB und der Bankenaufsicht – alles ohne Dolmetscher. Viele Unterlagen und Berichte bekommen Sie auf Englisch ausgehändigt. Und wer die Sprache nicht ausreichend beherrscht, kann nicht teilnehmen und wird somit ausgeschlossen. Soll das demokratisch sein?
Und wenn man es zur Voraussetzung machen würde, dass Abgeordnete qualifiziert genug englisch sprechen müssen?
Storch: Es geht ja nicht nur um die einzelnen Abgeordneten, sondern um die Idee an sich. Stellen Sie sich einen gemeinsamen europäischen Staat vor. Die Regierung würde dann irgendeine Sprache sprechen. Aber sicher nicht alle 24. Und die Bürger werden ebenfalls nicht alle die „neue Amtssprache“ beherrschen. Auf Englisch würden sicher viele folgen können. Aber einige wären gar nicht mehr in der Lage, aus eigener Wahrnehmung heraus prüfen zu geben, was die Regierung von sich gibt. Sie müssten sich auf Übersetzer verlassen. In Brüssel gibt es zwar eine abgekapselte Elite von Leuten, die unglaublich viele Sprachen sprechen. Das gilt aber leider nicht für den europäischen Durchschnittsbürger. So kann keine demokratische Debatte stattfinden.
Sie sprechen von einem Verlust von Souveränität der einzelnen EU-Staaten. Wo genau beobachten Sie den? Und welche Konsequenzen muss man Ihrer Meinung nach befürchten?
Storch: Ein Paradebeispiel ist die Asylkrise. Frau Merkel und die Bundesregierung sagen zu den Flüchtlingen: „Kommt alle her.“ Und dann merkt man plötzlich, dass es doch zu viel wird und will umverteilen. Oder anders gesagt: Man versucht, andere Mitgliedstaaten dazu zu zwingen, die Menschen aufzunehmen – auch wenn sie das gar nicht leisten können oder leisten wollen. Das ist ein Eingriff in die nationale Souveränität.
Kanzlerin angezeigt
Sie haben Bundeskanzlerin Merkel angezeigt. Wie ist der aktuelle Stand dazu?
Storch: Es wird noch geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Was hat sich Frau Merkel denn ihrer Meinung nach zu Schulden kommen lassen? Worum geht es in Ihrer Anzeige konkret?
Storch: Das Einschleusen von Ausländern ohne Aufenthaltstitel ist verboten. Das ist ein Straftatbestand, der mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft wird. Und Frau Merkel hat dagegen verstoßen.
Aber doch nicht persönlich.
Storch: Doch, persönlich. Und zwar, indem sie die Grenzen für alle geöffnet hat und gesagt hat: „Jeder kann kommen“. Und zwar auch die ohne Einreisetitel, um dann eventuell hier Asyl zu beantragen. Das geht so nicht und jeder andere, der das tut, wird bestraft und so muss auch eine Bundeskanzlerin zur Rechenschaft gezogen werden. Gleiches Recht für alle – das ist eine Säule des Rechtsstaats.
„Bezeichnungen sind realativ egal – es geht um den Inhalt“
Sie sprechen militärisch von einer „Invasion“ der Flüchtlinge. Warum dieser Begriff?
Storch: Der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow spricht von einer „Völkerwanderung“. In beiden Fällen geht es um eine massenhafte Zuwanderung. 10.000 Menschen in Deutschland jeden Tag. Unser Asylrecht ist auf die Prüfung von Einzelfällen ausgelegt und daher verständlicherweise überfordert, diesen Ansturm zu bewältigen. Wie genau man das jetzt bezeichnet ist relativ egal. Wichtig ist die Aussage und die ist klar: Es sind zu viele. Das funktioniert nicht.
Was funktioniert nicht?
Storch: Man kann nicht eine Anzahl von Migranten in dieser Größenordnung bei uns integrieren.
Woran scheitert das?
Storch: An der schieren Zahl.
Welche Zahl könnte man denn bewältigen?
Storch: Ich stelle auf jeden Fall fest, dass diese Menge in dieser Zeitspanne nicht sinnvoll integrierbar ist. Und noch viel schlimmer: Es ist ja noch lange nicht Schluss. Mit jedem Tag, den wir uns nicht eingestehen, dass wir überfordert sind, machen sich noch mehr Menschen auf den Weg hierher. Wir müssen ein Signal senden, dass wir niemanden mehr aufnehmen können. Es ist ja nicht so, dass wir nicht helfen wollen. Aber wir können nicht dadurch helfen, dass wir sagen: „Wir retten jetzt die ganze Welt.“

In ihrem Vortrag schlägt Frau von Storch teils etwas aggressivere Töne als in unserem Interview an. Die Präsentation ist emotional – bei den Zuschauern kommt das gut an.
Es gibt eine große Zahl von Flüchtlingen, die wegen einem Krieg in ihrer Heimat fliehen. Wie könnte man denn sicherstellen, dass den „richtigen“ geholfen wird, ohne dass ein Asylsystem von anderen ohne Ansprüche auf Asyl missbraucht wird?
Storch: Das ist nicht möglich. Der Missbrauch lässt sich nicht unterbinden. Jedenfalls ganz sicher nicht mit offenen Grenzen.
Sie meinen, man müsse eine Obergrenze festlegen. Wie ist das mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbaren?
Storch: Indem wir das handhaben, wie andere Länder auch. Wo sonst gibt es bitte einen subjektiven Anspruch auf Asyl als in Deutschland? Und dieser Anspruch lässt sich auch noch gegen den Staat einklagen.
Dafür gibt es ja auch historische Gründe…
Storch: Für viele Dinge gibt es viele Gründe. Aber man muss auch realistisch bleiben. Übrigens: Das Grundrecht auf Asyl ist nicht das oberste Grundrecht, dem sich alle anderen Grundrechte unterzuordnen haben. Es muss ein sinnvolles Verhältnis zwischen ihnen geben. Wir müssen die Funktionalität unserer Lebensstandards nicht dem Asylrecht unterordnen. Wir können nicht allen Flüchtlingen dieser Welt helfen. Auch Deutschland hat nur eine begrenzte Leistungs- und Aufnahmefähigkeit. Das ist hart – aber das muss man aussprechen.
Und wie sollen die Grenzen dicht gemacht werden? Wie verhindert man, dass Menschen nach Deutschland kommen?
Storch: Zu aller erst einmal müssen wir klar machen, dass wir den Willen haben, dies zu tun. Der Kanzlerin mangelt es an diesem Willen. Andere Länder haben es geschafft, ihre Landesgrenzen zu sichern. Man kann das schaffen, man muss es nur wollen. Aber die Bundesregierung will es nicht. Und das ist ihr größtes Problem.
„Die Kanzlerin handelt unverantwortlich“
Haben Sie als gläubige Christin nicht das Verlangen und die Pflicht Menschen in Not zu helfen?
Storch: Doch, ganz eindeutig. Nächstenliebe ist ein christliches Gebot. Aber das ist ein Appell an die einzelne Person. Frau Merkel und jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann und darf gerne so viel helfen, wie er mag. Aber es kann nicht sein, dass eine Regierung und eine Kanzlerin einer ganzen Nation Nächstenliebe aufzwingen wollen. Christliche Nächstenliebe geht nicht auf Befehl.
Eine Bundesregierung kann also nicht christlich handeln?
Storch: Eine Bundesregierung kann nicht von jedem Individuum im Staat Nächstenliebe einklagen. Genau wie Liebe lässt sich das nicht erzwingen. Es muss von den Menschen kommen und es soll von den Menschen kommen. Ich begrüße das ausdrücklich, wenn Menschen sich engagieren und Hilfe leisten. Aber ich wehre mich, wenn ein Land über alle Maßen hinaus verpflichtet werden soll, zu helfen. Es ist übrigens meines Wissens nach das erste Mal in ihrer Kanzlerschaft, dass sich Frau Merkel bei ihrem Regierungshandeln aufs Christsein beruft. Ihre Politik ist hochgradig unverantwortlich. Und ohne all die ehrenamtlichen Helfer wäre das gesamte System schon lange zusammengebrochen.

Mit ihrer Kritik an der Politik von Regierung und insbesondere Kanzlerin Merkel trifft Frau von Storch bei AfD-Sympathisanten einen Nerv. Viele hängen ihr gebannt an den Lippen.
Wen genau spricht denn die AfD mit ihrer Politik an – all die ehrenamtlichen doch wohl eher nicht, oder?
Storch: Man kann das Thema sehr emotionalisieren, aber wir müssen pragmatisch bleiben. Frau Merkel sagt: „Wir dürfen nicht über Zahlen reden.“ Ich sage: Wir müssen sogar über Zahlen reden! Es ist ja nicht damit getan, dass wir 1,5 Millionen Menschen irgendwie in Zelten verwalten. Oder in Kasernen, oder in Turnhallen. Damit haben diese Leute vielleicht ein Dach über dem Kopf – aber es ist doch keine Integrationsleistung. Damit sind sie noch lange kein Bestandteil unserer Gesellschaft. Diese Fragen kommen alle erst noch auf uns zu. Aber der Zuzug ist weiterhin da. Wir sind nicht in der Lage einen Flughafen zu bauen. Aber wir erlauben jeden Tag den Zuzug einer Kleinstadt. Jüngst 10.000 Menschen pro Tag. 70.000 Menschen in der Woche und 300.000 im Monat. Wie lange soll das denn gehen? Und unter welchen Umständen? Die Wahrheit tut weh. Aber das können wir nicht bewältigen.
Deutschland steht vor einem massiven Fachkräftemangel, nach Schätzungen fehlen in gewissen Branchen bis 2025 bis zu 30 Prozent an qualifiziertem Personal. Unter den Menschen, die aktuell ins Land kommen, sind viele Familien und junge Männer. Können die helfen die Defizite der demografischen Entwicklungen am deutschen Arbeitsmarkt zu kompensieren?
Storch: Man kann die Wahrheit so lange schön reden, bis sie sich gezeigt hat. Es stimmt: Deutschland braucht dringend qualifizierte Arbeitskräfte. Und ja, dafür kann Fachpersonal aus dem Ausland angeworben werden. Aber die meisten der Leute, die aktuell zu uns ziehen, haben schlicht nicht die ausreichenden Qualifikationen, um bei uns hochspezialisierte Facharbeiter zu werden. Selbst Menschen, die hier in unserem Kulturkreis aufgewachsen sind und einen Abschluss an einer Hauptschule oder sogar an der Realschule geschafft haben, haben oft Schwierigkeiten Anschluss zu finden oder sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn jetzt aber in diesen Größenordnungen Menschen zu uns kommen, die auch in ihren Herkunftsländern keinen Schulabschluss haben oder keinen, der mit unseren Bildungsstandards vergleichbar ist und dann noch nicht einmal unsere Sprache sprechen – wie sollen das die Facharbeiter werden, die wir uns wünschen? Ich glaube, da machen wir uns etwas vor.
„Terrorgefahr steigt durch Flüchtlinge“
Wenn nun gezielt nach geeignetem Fachpersonal aus dem Ausland gesucht werden soll: Hat Deutschland diese Arbeitskräfte wirklich noch nötiger als ihre Heimatländer? Wird dadurch Entwicklung nicht noch weiter behindert? Könnte das am Ende nicht zu noch mehr „Armutsflüchtlingen“ führen?
Storch: Wir müssen hier klar trennen zwischen Einwanderungsrecht und Asylrecht. Wenn Menschen nach Deutschland kommen wollen, weil sie sich hier ein besseres Leben versprechen, gleichwohl aber keine Verfolgungsgründe geltend machen können, dann müssen wir uns aussuchen können, wer zu uns kommt. Das ist ganz normal und andere Länder machen das auch. Keiner sagt: „Ihr könnt alle kommen und an dem teilhaben, was wir hier aufgebaut haben“. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das Anforderungen stellt. Das ist aber ein anderes Thema als Asyl.
Wir haben bis jetzt hauptsächlich über volkswirtschaftliche Aspekte gesprochen – wie beurteilen Sie die Sicherheitslage?
Storch: Ich sehe das höchst kritisch. Das soll nicht heißen, dass jeder Flüchtlinge der kommt, sich etwas vorwerfen lassen muss. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Es muss ja nur ein sehr kleiner Prozentsatz sein. Wenn es nur 1 Prozent von 1,5 Millionen ist, dann sind das immer noch 15.000. Und wir haben in Paris gesehen, dass eine Gruppe von 30 Leuten gereicht hat, um so einen Anschlag zu verüben. Und mit all den Flüchtlingen importieren wir auch Terroristen, ganz klar.