Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 18. Oktober 2012. (red/pro) Der Chemiekonzern BASF SE wird bis zum Oktober den Abriss des Friedrich-Engelhorn-Hochhauses beantragen. Die Substanz des Bürogebäudes rechtfertige keine Sanierung. Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse zeigte sich kurz nach der Nachricht betrübt und kämpferisch. Ihre Stadt verliert ihr Wahrzeichen – sie fordert ein neues.
Von Hardy Prothmann
Dr. Eva Lohse ist sichtlich emotional getroffen. Seit Wochen weiß sie, dass es um das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus nicht gut steht. Die Schäden sind enorm. Eine wirtschaftlich-sinnvolle Sanierung kaum möglich. Vor zwei Tagen hat sie die Entscheidung erfahren. Heute hat die BASF diese publik gemacht: Die ehemalige Firmenzentrale soll abgerissen werden.
Das ist eine bittere Nachricht. Die Stadt verliert ihr Wahrzeichen.
Die Oberbürgermeisterin sagt, was alle denken, die mit Ludwigshafen und der BASF verbunden sind. Egal wie. Und das sind sehr, sehr viele Menschen.
Ludwigshafen – BASF
So auch ich. Ich bin unweit des Hochhauses geboren worden. In Friesenheim. Aufgewachsen bin ich in Limburger Hof, Hochdorf-Assenheim und Frankenthal. Und überall war die BASF mein Wegbegleiter. So viele Eltern von Freunden waren dort beschäftigt, so viele Betriebe abhängig. Ich selbst habe gut ein Jahr als „Schichtler“ dort Geld verdient und in einem Praktikum auch die Öffentlichkeitsarbeit des Weltkonzerns kennengelernt. Viele meiner Freunde wurden dort ausgebildet und arbeiten immer noch für die BASF. Die Anilin.
Wie oft ich an diesem Bau vor beigefahren bin, kann ich nicht sagen. Aber immer war er beeindruckend. Ein Symbol des wirtschaftlichen Erfolgs. Der Macht. Des Exportschlagers deutscher Ingenieurstechnik. Des Chemie-Standorts Ludwigshafen am Rhein.
Symbolbau
1957 war es der erste Wolkenkratzer Deutschlands. Mit 102 Metern das höchste Gebäude Deutschlands im Vorfeld des Wirtschaftwunders. Das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus ist ein Monument. Es ist deutsche Geschichte. Und jetzt ist es marode und wird der Abrissbirne ausgeliefert.
Man kann Verständnis haben, dass ein dreistelliger Millionenbetrag zu teuer ist, um das Gebäude zu erhalten. Man kann Verständnis haben, dass das Gebäude nicht für die Ewigkeit gebaut worden ist.
Man kann allerdings überhaupt kein Verständnis für die kühle Pressemitteilung haben, die heute das offizielle Ende des Hochhauses bedeutet, dass den Namen des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn trägt.
Es gibt in dieser offiziellen Mitteilung kein Wort des Bedauerns, der Anteilnahme, der Verantwortung. Das ist die bittere Wahrheit hinter der bitteren Nachricht.
Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse wird auf Nachfrage deutlich:
Ich erwarte von der BASF, dass das Unternehmen den Standort würdigt, die Geschichte dieses Hauses, der Firma und der Stadt. Es ist unsere Geschichte. Auch ich bin ein Tochter dieser Stadt. Und ich wünsche mir sehr, dass es möglich sein sollte, an die Geschichte anzuschließen.
Kälte vs. Geschichte
In der Pressemitteilung der BASF gibt es keinen Hinweis, dass sich das Management auch nur im Ansatz mit der emotionalen Bedeutung des Friedrich-Engelhorn-Hochhauses beschäftigt hat. Kälter kann man nicht formulieren:
Die BASF ist grundsätzlich bestrebt, ihren Büroraumbedarf am Standort Ludwigshafen in der Nähe des Werks oder auf dem Werksgelände abzudecken.
Keine Verbindlichkeit. Kein Geschichts- und Verantwortungsbewusstsein. Kein Anschluss. Nur „Bedarfsplanung“. Und Abdeckung.
Ob man das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus „schön“ findet, „ästhetisch“ oder nicht, liegt immer im Auge des Betrachters. Unabhängig davon ist es ein geschichtsträchtiges Sympol. Für eine ganze Region.
Bewusstsein vs. Kostenrechnung
Das Management und die Öffentlichkeitsarbeit des Weltkonzerns sehen mit einem kalten Herz auf die Kosten und zeigen nicht den Hauch eines Interesses für Bestürzung der Oberbürgermeisterin, die diese nicht nur mit Ludwigshafener Bürger/innen teilt.
Aber auch das lernt man aus der Geschichte. Die BASF wird das auf ihren Gründer lautende Hochhaus abreißen und zeigt auch nicht im Ansatz einen Anschluss, um die Ehre dieses ganz außerordentlichen Mannes hochzuhalten.
Einen maroden Bau abzureißen, ist das eine. Eine Tradition kalt abzuwickeln das andere. Das ist die bitterste Nachricht. Friedrich Engelhorn war ein Unternehmer und ein verantwortlicher Mensch. 110 Jahre nach seinem Tod verliert die Stadt Ludwigshafen ihr Wahrzeichen und gleichzeitig wird mit der Tradition des Mannheimer Firmengründers gebrochen.
Anm. d. Red.: Wir haben heute bei der BASF angefragt, ob wir ein Porträt über das Gebäude schreiben können und um Unterstützung gebeten. Die Frage löste Staunen aus, eine „Prüfung“ wurde zugesagt. Ob diese nach diesem Kommentar „positiv“ ausfällt, darf man bezweifeln.