Rhein-Neckar, 18. April 2013. (red/ld) Die Streikankündigung der Ver.di-Mitglieder der Rhein-Neckar Verkehr GmbH löst bei Facebook-Fans Unmut aus. Viele bemängeln hohe Preise und schlechten Service. Manch einer versucht, Auseinandersetzungen mit dem eigenen Arbeitgeber über den Streik auszutragen, aber es gibt auch unterstützende Kommentare – und manche regen sich über Tippfehler auf. Vom morgigen Streik sind zwischen 400-500.000 Menschen im Tarifgebiet betroffen.
Von Lydia Dartsch
Eines ist klar: Streik ist nicht schön, zumindest für die betroffenen Kunden, die gerade nicht wissen, wie sie morgen früh zur Arbeit kommen sollen und vor allem für diejenigen Schüler, die morgen ihre Realschulabschlussprüfung in Mathe ablegen müssen. Schlechte Arbeitsbedingungen sind aber auch nicht schön und deshalb hat die Gewerkschaft Ver.di die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RNV morgen zum Streik aufgerufen.
Betroffen sind davon „nur“ die Stadtbahnen und Stadtbusse der RNV in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Die Züge der Deutschen Bahn und die S-Bahnen fahren. Wie man herausfinden kann, ob seine Linie betroffen ist, ist ein wenig kompliziert. Die RNV hat auf ihrer Facebookseite eine Anleitung dazu gepostet:
Ob Ihre Linie eine Linie der RNV ist, können Sie über diesen Link:http://fahrplanauskunft.vrn.de/vrn/XSLT_TTB_REQUEST?language=de herausfinden. Einfach die Nummer Ihrer Linie eingeben, die richtige Linie auswählen und auf „Fahrplanbuch erstellen“ klicken. Auf dem Fahrplan erscheint rechts oben ein Logo, ist dieses nicht unser Logo, dann ist Ihre Linie nicht von dem Streik betroffen!
Die Streikankündigung hat auf der Facebookseite der RNV einen Shitstorm ausgelöst. Viele Menschen beschweren sich über ständige Preiserhöhungen, hohe Fahrpreise, schlechten Service und Verspätungen.
Ihr Fische!
schrieb ein Facebook-User unter die Ankündigung. Darunter die Antwort der RNV:
Fisch sucht Fahrrad.
Die RNV versucht, jeden Kommentar zu beantworten. Ein fester Mitarbeiter und drei Mitarbeiter auf Abruf kümmern sich nur um die Kommentare:
Anstößige Kommentare müssen wir natürlich von der Seite nehmen,
sagt Pressesprecher René Weintz. Den Ärger der Kunden kann er nachvollziehen:
Jeder macht sich Gedanken, wie er morgen zur Arbeit oder in die Schule kommt. Dieser Ärger ist ja auch von der Gewerkschaft bezweckt, die zu dem Warnstreik aufgerufen hat.
Über die große Aufmerksamkeit auf Facebook freut er sich dagegen. Gut 2.000 mal ist der Post auf der Seite geteilt worden. Gut 300 Mal wurde er bereits kommentiert. Bei Beschwerden über Fahrpreise und Preiserhöhungen verweist die RNV auf den Verkehrsverbund VRN, bei Beschwerden über das Streik-Datum auf die Gewerkschaft Ver.di.
Ankündigungen, schwarz zu fahren, beantwortet die RNV mit einem Hinweis, dass dies eine rechtswidrige Handlung und Facebook kein rechtsfreier Raum sei. Und User, die ankündigen, sich wegen des Streiks morgen krank zu melden, könnten demnächst einen Termin beim Chef bekommen. Denn der sieht das sicher nicht so gerne. Und wer vorschlägt, unzufriedene Angestellte sollten ihren Job kündigen, hat vor dem Posten vermutlich eher nichts nachgedacht.
Auf Seiten von Ver.di versteht man die Aufregung nicht:
Die Kinder sollen sich nicht so anstellen und sich aufs Fahrrad setzen, um zur Schule zu kommen. Wenn meine Tochter heute erfahren würde, dass sie morgen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht in die Schule kommt, dann würde ich sie fahren oder Fahrgemeinschaften bilden,
sagt Sabine Schlorke, Gewerkschaftssekretärin und zuständig für die RNV, auf Anfrage der Redaktion. Ein bisschen ungeschickt sei der Termin wegen der Realschulabschlussprüfungen zwar, aber alles könne man seitens der Gewerkschaft auch nicht berücksichtigen:
Da kämen wir ja nie zum Streiken,
sagt sie.
Sieben Prozent mehr Lohn fordern die Arbeitnehmer und mindestens 200 Euro mehr im Monat. Das sei die Differenz, die die Bus- und Bahnfahrer der RNV weniger verdienen, als Angestellte privater Unternehmen. Zum Warnstreik rief die Gewerkschaft auf, weil es in den letzten drei Verhandlungsrunden zu keiner Einigung zwischen den Arbeitnehmern und der RNV gekommen war.
Deshalb sollen die Arbeitnehmer der RNV jetzt Gebrauch von ihrem in Artikel 9, Absatz 3 festgeschriebenen Grundrecht machen und streiken. Viele Kommentatoren auf der RNV-Facebookseite sehen das ähnlich und geben ihre Unterstützung kund:
Obwohl ich auch schauen muss wie ich morgen von MA nach HD komme, finde ich es super, dass gestreikt wird. Warum sollten die RNV’ler nicht auch das Recht haben, für mehr Geld zu kämpfen?
schreibt ein Nutzer. Ein weiterer Nutzer apelliert an die Einsicht der Kunden und Facebooknutzer:
Bei Verdiensten die etwa 400 € brutto unter dem Landesdurchschnitt liegen, würdet ihr wohl auch Streiken.
Und manch einer hofft angesichts der pöbelnden und beleidigenden Kommentare und dem teils großen Unverständnis nur auf Wetteränderung:
Herr, schmeiss Hirn vom Himmel und nimm den Bedürftigen den Schirm weg.
Inzwischen steht in der Mannheimer Taxizentrale das Telefon nicht mehr still. Jürgen Schwarz, Geschäftsführer von Taxi Mannheim rechnet für morgen mit Hochbetrieb und längeren Wartezeiten. Viele versuchen, ihre Fahrten bereits jetzt vorzubestellen:
Das können wir natürlich nicht ganz zusichern. Je mehr Taxis gebucht werden, desto länger dauert es.
Das können fünf Minuten sein, oder auch länger. Zudem rechne er morgen mit einem hohen Verkehrsaufkommen, weil viele Menschen mit dem Auto fahren werden. Klar ist, für die Taxi-Betreiber gibt es ein außergewöhnliches Geschäft. Unklar ist, wie hoch die Umsatzeinbußen für die RNV sein werden. Dazu wollte sich die Sprecherin Susann Becker auf Anfrage nicht äußern.
Der Sprecher der Mannheimer Polizei, Martin Boll, geht von einem „erhöhten Verkehrsaufkommen“ aus. Man werde die Lage beobachten und gegebenenfalls eingreifen:
Wir hoffen, dass viele nicht unnötig in die Stadt fahren oder auf’s Fahrrad umsteigen. Sicher nehmen sich auch manche Leute frei.