Rhein-Neckar/Hessen, 18. Januar 2017. (red/ric) Nachdem wir über die angespannte Lage in Baden-Württembergs Gefängnissen berichtet hatten, werfen wir nun einen Blick auf das Nachbarland Hessen. Gibt es dort vergleichbare Probleme bezüglich fehlender Gefängniszellen? Ist in den Haftanstalten ebenfalls ein Anstieg der Gewalt gegen Bedienstete zu verzeichnen? Wo gibt es Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten, der Rheinneckarblog hat verglichen.
Von Riccardo Ibba
Das Bundesland Hessen ist mit seinen knapp 6 Millionen Einwohnern ungefähr halb so groß wie Baden-Württemberg. Trotzdem verfügt das Land über knapp 5.500 Haftplätze, im Vergleich dazu hat Baden-Württemberg nicht 11.000, sondern nur 7.000.
Die Belegungsfähigkeit in Hessen beträgt im geschlossenen Vollzug 4.953 Haftplätze, im offenen Vollzug sind es 480 Haftplätze. Mit Stand 4. Januar 2017 waren von insgesamt 5.433 zur Verfügung stehenden Haftplätzen 845 Haftplätze nicht belegt. Dies entspricht einer Belegungsquote von 84,5 Prozent,
teilt uns das hessische Justizministerium auf Anfrage mit.
Während in Baden-Württemberg die Haftanstalten an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt sind, ist die Lage in Hessen entspannt. Das liegt zum einen an der großzügigeren Planung von Haftplätzen und andererseits daran, dass die Zahl der Untersuchungshäftlinge nicht derart explodiert ist wie in Baden-Württemberg. 1.088 Untersuchungshäftlinge waren bis Ende 2015 inhaftiert, ein Jahr später ist die Zahl auf 1.139 Menschen gestiegen. Ein moderater Anstieg um nicht einmal fünf Prozent.
Entspannte Lage in Jugend- und Frauenhaftanstalten
Auch in den Jugendhaftanstalten, sowie im Strafvollzug für Frauen gibt es keinen Mangel an Haftplätzen. Mit Stichtag 4. Januar 2017 stehen in Hessen für junge männliche Gefangene in den Justizvollzugsanstalten Rockenberg 172 Haftplätze und Wiesbaden 280 Haftplätze zur Verfügung. In der JVA Rockenberg waren 49 und in der JVA Wiesbaden 47 Haftplätze nicht belegt.
Für weibliche junge Gefangene stehen in der JVA Frankfurt/Main 34 Haftplätze zur Verfügung. Davon waren 22 Haftplätze nicht belegt. Weiter stehen in der JVA Kassel I – Zweiganstalt Kaufungen – 33 Haftplätze für Frauen zur Verfügung. Davon waren 12 Haftplätze nicht belegt. Im offenen Vollzug der JVA Kassel I – Zweiganstalt Baunatal – stehen 12 Haftplätze zur Verfügung. Frei waren dort 5 Plätze.
Es erfolgt ein ständiger Abgleich der Haftraumkapazitäten mit dem tatsächlichen Bedarf, sowohl nach Haftart als auch örtlicher und sachlicher Vollstreckungszuständigkeit. Die derzeitigen Haftraumkapazitäten sind am tatsächlichen Bedarf orientiert,
teilt das Justizministerium mit, dass für die Planungen der Haftplätze zuständig ist.
Neue Frauenjustizvollzugsanstalt in Frankfurt kommt
Während im Männervollzug kein Bedarf an neuen Gefängniszellen besteht und dementsprechend keine Planungen für weitere Haftplätze bestehen, kommt das Dauerthema Frauenjustizvollzugsanstalt in Frankfurt dieses Jahr zum Abschluss. Bereits seit Jahren in der Planung, ist für den Haushalt 2017 eine erste Baurate veranschlagt. Hier entsteht ein Neubau, der 66 Haftplätze umfasst.
Gewaltanstieg gegen Bedienstete sowie unter Häftlingen
Beim Thema Gewalt zeigen sich einige Parallelen zur Situation in Baden-Württemberg, jedoch auch Unterschiede.
Auch das hessische Personal im Justizvollzuges beobachtet bei den Gefangenen eine höhere Gewaltneigung, psychische Auffälligkeiten sowie eine verstärkte Abhängigkeit von Betäubungsmitteln. Besonders Inhaftierte ohne soziale Bindungen in Deutschland zeigten sich anfällig.
Im Einzelfall immer einmal wieder Schwierigkeiten gibt es mit nordafrikanischen Gefangenen. Auch hier sind die sprachlichen Barrieren nur ein Problem. Insgesamt ist eine zunehmende Respektlosigkeit von Gefangenen gegenüber den Bediensteten zu verzeichnen.
Jedoch haben weder die Körperverletzungen von Gefangenen zum Nachteil von Bediensteten, noch die Gewalttätigkeiten unter Gefangenen signifikant zugenommen. Ein Unterschied im Vergleich zu den Haftanstalten in Baden-Württemberg, in denen die Gewalt rasant in die Höhe geschnellt ist.
Höheres Budget für den Vollzug
Ein wesentlicher Grund für die relative Ruhe in den hessischen Gefängnissen liegt in den umsichtigen Personalplanungen in den Haftanstalten.
Die Personalbemessung richtet sich im hessischen Vollzug nach der Belegungsfähigkeit und nicht nach der niedrigeren Belegung der Haftanstalten. Die Anzahl der Stellen je 100 Gefangene hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Kamen im Jahr 2008 insgesamt 53,73 Stellen auf 100 Gefangene waren es 2016 60,43 Stellen. Im Haushalt 2017 sind zudem 56 neue Stellen im Geschäftsbereich Justizvollzug ausgebracht worden,
erklärt das Ministerium.
Auch um den Sprachbarrieren in hessischen Gefängnissen entgegenzuwirken, wurden bereits die passenden Maßnahmen getroffen.
Im Zuge der gestiegenen Flüchtlingszahlen erfolgte im Vollzug eine Erhöhung des Budgets. Die Justizvollzugsanstalten haben somit ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um bei Verständigungsproblemen mit Gefangenen, die nicht über sprachenkundige Bedienstete oder auf sonstige Weise gelöst werden können, entsprechend notwendige Dolmetscherleistungen bezahlen zu können.
So schafft man Sicherheit in den Vollzugsanstalten.
Kein neues Personal nötig
Auch wenn nicht unmittelbar neues Personal in den Haftanstalten benötigt wird, um zukünftige Mitarbeiter muss sich das Justizministerium nicht sorgen. Die eingehenden Bewerbungen, um im Strafvollzug zu arbeiten, sind wie in Baden-Württemberg, gleichbleibend hoch. Auch in Hessen muss der Bewerber einen zweijährigen Vorbereitungsdienst erfolgreich abschliessen, bevor er die Arbeit im Gefängnis aufnehmen kann.
Auch was die Kosten für einen Häftling pro Monat angeht, liegen die beiden Bundesländer nicht weit auseinander. Während in Baden-Württemberg 3.600 Euro pro Monat und Gefangenen entstehen, sind es in Hessen 3.800 Euro.
Ansonsten aber überwiegen die Unterschiede. Von den schweren Bedingungen ihrer Kollegen aus Baden-Württemberg sind die hessischen Beamten des Strafvollzuges weit entfernt. Es herrscht Ruhe in Hessens Gefängnissen.